Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 30.01.2003

AG Tempelhof-Kreuzberg: elterliche sorge, wohl des kindes, jugendamt, eltern, wohnung, gefahr, sorgerecht, zustand, abgabe, säugling

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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 UF 55/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1632a Abs 1 Nr 1 BGB, § 1666
Abs 1 BGB, § 1666a BGB
Gemeinsame Sorgeerklärung der nichtehelichen Kindesmutter
und des Kindesvaters: Beschränkung auf den nicht entzogenen
Teil der elterlichen Sorge
Tenor
Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgericht Tempelhof-
Kreuzberg – Familiengericht – vom 30. Januar 2003 aufgehoben.
Das Verfahren wird zur anderweitigen Entscheidung an das Amtsgericht Tempelhof-
Kreuzberg – Familiengericht – zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,– EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Mutter greift mit ihrer Beschwerde die Entscheidung des Familiengerichts an, ihr die
elterliche Sorge für ... zu entziehen. Sie ist im September 1981 geboren, nunmehr also
21 Jahre alt. Neben ... hat sie noch eine weitere Tochter ..., für die ihr das Sorgerecht
ebenfalls entzogen wurde. Die Mutter beendete die 9. Klasse einer
Lernbehindertenschule und besuchte dann einen "BB 10 Lehrgang". Sie hat weder den
Hauptschulabschluss noch eine Berufsausbildung.
Der Vater ist 20 Jahre alt. Nach den übereinstimmenden Angaben beider Elternteile sind
sie gut befreundet, jedoch nicht miteinander liiert. Er ist verheiratet, jedoch nicht mit der
Mutter. Mit einer anderen Frau hat er ein weiteres Kind, zu dem jedoch kein Kontakt
besteht. Die Vaterschaft für ... hat er im Oktober 2002 vor dem Jugendamt anerkannt.
Derzeit befindet er sich in der Jugendstrafanstalt in Strafhaft. Insoweit gab er in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat an, dass er wegen Sachbeschädigung und
Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei, die zunächst zur
Bewährung ausgesetzt war, diese Aussetzung dann aber widerrufen worden sei. Er geht
davon aus, dass er in wenigen Monaten aus der Haft entlassen wird.
Die ältere Tochter der Mutter, ..., wurde im Januar 2000 geboren.
Im April 2001 beantragte das Jugendamt, der Mutter das Sorgerecht für ... zu entziehen,
da sie sich nicht ausreichend um sie kümmere, diese ständig wechselnden
Betreuungspersonen überlasse, sie entgegen der Absprache nicht zur Krippe bringe und
Freunde der Mutter im Jugendamt mitgeteilt hätten, dass ... krank sei, die Mutter sich
jedoch weigere, sie zum Arzt zu bringen. Der Zustand der Wohnung wurde damals als
schmutzig und unordentlich und nicht für den Aufenthalt eines Säuglings geeignet
beschrieben. Vom Jugendamt war für ... zunächst von März bis Juli 2000 und von
November 2000 bis Februar 2001 Familienhilfe organisiert worden. Die Familienhilfe
sollte dazu dienen, die Mutter bei der Organisation des Lebens und daneben auch bei
der Pflege des Kindes zu unterstützen. Sie wurde im Juli 2000 zunächst auf Wunsch der
Mutter beendet, die sich durch die Familienhilfe reglementiert fühlte. Nachdem sie im
November 2000 wieder aufgenommen wurde, endete sie im Februar 2001, als die Mutter
ihre Tochter vorübergehend zur Großmutter nach Marl gab, welche nach Einschätzung
des Jugendamtes Marl nicht erziehungsfähig sein soll. Nachdem die Mutter ihre Tochter
wieder zu sich geholt hat, wurde ihr vom Familiengericht mit Beschluss (einstweilige
Anordnung) vom 11. April 2001 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ... entzogen. Dann
zog die Mutter mit ihrer älteren Tochter in eine Mutter-Kind-Einrichtung. In der
Einrichtung gab es Probleme, da sich die Mutter nicht in die dortigen Abläufe einfügen
konnte und sich nach Einschätzung der Einrichtung zu wenig um das Kind kümmerte. Die
Mutter wandte sich dann an das Jugendamt und bat um Unterbringung der Tochter ... in
einer Pflegefamilie, was dann geschah und woraufhin das Familiengericht den Beschluss
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einer Pflegefamilie, was dann geschah und woraufhin das Familiengericht den Beschluss
im August 2001 auf Vorschlag des Jugendamtes wieder aufhob.
Vereinbarte Umgangskontakte mit ... nahm die Mutter in der Folgezeit häufig nicht wahr.
Im November 2001 äußerte sie den Wunsch, ihre älteste Tochter wieder zu sich zu
nehmen, da sie nun in einer festen Beziehung lebe, eine eigene Wohnung habe und nun
Ordnung halten könne. Daraufhin beantragte das Jugendamt wiederum den
Sorgerechtsentzug, der am 28. Dezember 2001 vom Familiengericht nach vorheriger
Anhörung der Mutter beschlossen wurde. Gegen diesen Beschluss hat sich die Mutter
nicht gewandt.
Im hiesigen Verfahren beantragte das Jugendamt am 19. November 2002 den Entzug
der Personensorge. Zuvor war der Mutter Familienhilfe bewilligt worden, die bereits kurz
vor der Geburt ... eingesetzt hatte. Nachdem die Familienhilfe zunächst erfolgreich
durchgeführt wurde, fanden Termine der Mutter mit der Familienhelferin dann wiederholt
nicht statt. Anfang November 2001 brach der Kontakt der Familienhelferin zur Mutter ab.
Als Grund hierfür gab die Mutter vor dem Senat Probleme bei Terminabsprachen an.
Nach Angaben der Familienhelferin hat die Mutter ab 4. November 2002 jeglichen
Kontakt mit der Familienhilfe verweigert, sei nicht mehr ins Amt gekommen und habe
bei Hausbesuchen nicht geöffnet.
Nachdem ... Großmutter väterlicherseits das Jugendamt darüber informierte, dass sich
die Wohnung der Mutter in einem völlig verwahrlosten Zustand befinde, sich überall
Abfall und Kothaufen des Kindes finden würden und eine regelmäßige Versorgung des
Kindes in Frage gestellt sei, wurde der Mutter am 20. November 2002 auf Antrag des
Jugendamtes vom Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für ... entzogen. Am 21. November 2002 hat das
Jugendamt ... in Obhut genommen und in einer Kurzzeitpflegestelle untergebracht.
Seither hat sich die Mutter um keine Umgangstermine bemüht und keinen Umgang mit
... gehabt.
Versuche des Familiengerichts, die Mutter persönlich anzuhören, schlugen fehl. Auf die
Ladungen zu Anhörungsterminen am 3. und 30. Januar 2003 reagierte die Mutter nicht.
Eine Ladung zum 9. Januar 2003 kam als unzustellbar zurück.
Mit Beschluss vom 30. Januar 2003 entzog das Familiengericht der Mutter die elterliche
Sorge für ... und übertrug sie dem Jugendamt als Vormund.
Dieser Beschluss wurde der Mutter am 4. Februar 2002 durch Einwurf in den Briefkasten
ihrer Wohnung von der Post zugestellt. Laut Angabe der Mutter erfolgen
Postanlieferungen regelmäßig gegen Mittag.
Am gleichen Tag zwischen 9 und 10 Uhr gab die Mutter zusammen mit dem Vater eine
gemeinsame Sorgeerklärung vor dem Jugendamt ab.
Mit Ihrer Beschwerde vom 13. Februar 2003 trägt die Mutter vor, dass sie sich liebevoll
und fürsorglich um ... gekümmert habe. Zwar benötige sie Unterstützung bei der
Betreuung des Kindes, dafür habe sie jedoch Familienhilfe erhalten. Die Familienhelferin
könne, ebenso wie eine Freundin, bestätigen, dass die vom Jugendamt behaupteten
Zustände nicht zuträfen.
Weiter führt die Mutter aus, dass sich auch der Vater regelmäßig um das Kind
gekümmert habe und dazu mehrmals wöchentlich in die Wohnung gekommen sei.
Sie beantragt,
ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ... wieder zu übertragen.
... vertreten durch ihren Vormund beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2003 beide Elternteile
sowie eine Vertreterin des Jugendamtes und die Stadtvormünderin persönlich angehört
sowie Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des behandelnden Kinderarztes
Dr. Z und der Familienhelferin Frau W.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist dahin auszulegen, dass die Aufhebung des
Beschlusses des Familiengerichts vom 30. Januar 2003 sowie die Zurückweisung des
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Beschlusses des Familiengerichts vom 30. Januar 2003 sowie die Zurückweisung des
Antrags des Jugendamtes begehrt wird.
Auf die Beschwerde ist der Beschluss vom 30. Januar 2003 aufzuheben und die Sache
zur anderweitigen Entscheidung an das Familiengericht zurück zu verweisen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Familiengerichts war es in der Sache
gerechtfertigt, der Mutter die elterliche Sorge zu entziehen. Dies folgt aus §§ 1666 Abs.
1, 1666 a BGB.
Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch
missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes,
durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten
gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage
sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen
zu treffen, § 1666 Abs. 1 BGB.
Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden
ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch
öffentliche Hilfen, begegnet werden kann, § 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen
erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr
nicht ausreichen, § 1666 a Abs. 2 BGB.
Hier hat die Mutter durch Vernachlässigung des Kindes, jedenfalls aber durch
unverschuldetes Versagen das körperlich, geistige und seelische Wohl des Kindes
gefährdet. Davon ist der Senat aufgrund der schriftlichen Berichte des Jugendamtes
sowie der Aussage der Familienhelferin überzeugt.
Die Familienhelferin hat ausgesagt, dass sich die Wohnung der Mutter, in der sich ...
aufhalten musste, in einem ungepflegten Zustand befand, der zum Aufenthalt für einen
Säugling nicht geeignet war. Zwar habe die Mutter dazu angehalten werden können Teile
der Wohnung aufzuräumen, dies sei jedoch nie mit nachhaltigem Erfolg geschehen.
Häufig habe sie in der Wohnung "Windelberge" und alte und verdorbene Essensreste
herumliegen sehen, zwischen denen sich der Säugling aufhalten musste. Ein Zimmer
der Wohnung sei nicht bewohnbar gewesen, da der Hund des Vaters es verwüstet hatte.
Die Termine mit der Hebamme und die Arztbesuche habe sie für die Mutter vereinbart
und sie auch dorthin begleitet. Die Mutter sei ... liebevoll zugewandt gewesen, wobei sie
wenig über deren emotionale Bindung sagen könne.
Der Kinderarzt hat ausgesagt, dass er das Kind vor der Inobhutnahme durch das
Jugendamt vier mal gesehen habe, dass es sich dabei jeweils in einem ordentliche
Pflegezustand befand und nur wegen einer Pilzinfektion im Mund und einem
Windelekzem behandelt werden musste, wie sie bei Säuglingen häufig seien.
Zwar kann nach der Zeugenaussage des Arztes nicht davon ausgegangen werden, dass
der körperliche Zustand des Kindes akut gefährdet war. Die von der Familienhelferin
beschriebenen Wohnverhältnisse sind jedoch für einen Säugling nicht geeignet. Insoweit
ist zu befürchten, dass der Säugling durch den Dreck und die Unordnung nicht nur
geistig und seelisch gefährdet wird, sondern zumindest ab dem Alter in dem er krabbeln
kann auch körperlichen Gefahren ausgesetzt wäre, wenn er Fäkalien oder verdorbenes
Essen in den Mund nimmt. Eine Besserung der Wohnzustände ist nicht zu erwarten, da
die Berichte im Sorgerechtsverfahren der älteren Schwester aufzeigen, dass die Mutter
schon über geraume Zeit so wohnt, obgleich ihr immer wieder vor Augen gehalten
wurde, wie schädlich dies für Säuglinge ist.
Eine weitere Gefährdung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Mutter nach Ansicht
des Senats derzeit nicht erziehungsfähig und daher auf Familienhilfe angewiesen ist –
was sie selbst einräumt – die sie nun aber bereits zum wiederholten mal abbrach. Auch
insoweit können aus dem Verhalten der Mutter im Zusammenhang mit ihrer älteren
Tochter Rückschlüsse im hiesigen Verfahren gezogen werden. Daneben zeigt der
Umstand, dass sie sich nunmehr monatelang nicht darum bemüht hat ihre Tochter zu
sehen, diese aber gleichwohl sofort wieder zu sich nehmen will, dass es ihr an
pädagogischen Fähigkeiten mangelt. Ohne Familienhilfe ist zu befürchten, dass sich
nicht nur die Wohnsituation weiter verschlechtert, sondern, dass auch Behördenanträge
nicht oder nicht rechtzeitig gestellt, und notwendige Arztbesuche nicht durchgeführt
würden, so dass das leibliche Wohl des Kindes bei der Mutter gefährdet wäre.
Auch wenn die Mutter gegenüber dem Senat geäußert hat, dass sie sich nunmehr
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Auch wenn die Mutter gegenüber dem Senat geäußert hat, dass sie sich nunmehr
wieder auf Familienhilfe einlassen würde, muss daran im Hinblick auf die Vorgeschichte
gezweifelt werden. Da auch andere Hilfen, die die Gefahr für das Kind abwenden würden
bereits gescheitert sind (Mutter-Kind-Einrichtung), jedenfalls aber nur mit Zustimmung
der Mutter geleistet werden können, scheint ein Sorgerechtsentzug derzeit
gerechtfertigt zu sein, solange die Annahme solcher Hilfen nicht sichergestellt ist.
Insoweit wird allerdings das Familiengericht bei seiner erneuten Entscheidung und nach
der gesetzlich vorgeschriebenen persönlichen Anhörung der Eltern, von der in einer
Hauptsacheentscheidung vor dem Familiengericht gemäß § 55 a Abs. 1 FGG nicht
abgesehen werden kann, zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entzug der
elterlichen Sorge bei der Mutter weiter vorliegen.
Hier kann die Entscheidung des Familiengerichts in der bisherigen Form keinen Bestand
haben, da der Vater durch die gemeinsame Sorgeerklärung Mitinhaber der elterlichen
Sorge wurde. Damit ist nach § 1680 BGB ihre unmittelbare Übertragung auf das
Jugendamt als Vormund ausgeschlossen.
Durch die gemeinsame Sorgeerklärung wurde der Vater insoweit Inhaber der elterlichen
Sorge, wie diese der Mutter zuvor nicht entzogen worden war (vgl. OLG Nürnberg, NJW
2000, S. 3220 f).
Gemäß 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB steht nicht miteinander verheirateten Eltern die
elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie in der vorgeschriebenen Form erklären,
dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen).
Diese Erklärung haben die Eltern hier abgegeben. Durch diese Erklärung konnte die
Mutter den Vater jedoch nur insoweit zum Mitinhaber des Sorgerechts machen, wie es
ihr im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung zustand. Da davon auszugehen ist, dass ihr
der Beschluss vom 30. Januar 2003 zum Zeitpunkt der Abgabe der Sorgeerklärung noch
nicht zugestellt, und dieser damit gemäß § 16 Abs. 2 FGG noch nicht wirksam war, war
sie zu diesem Zeitpunkt Inhaberin der elterlichen Sorge mit Ausnahme des ihr bereits
zuvor entzogenen Aufenthaltsbestimmungsrechts.
Zum Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts wurde der Vater damit nicht.
Insbesondere folgt aus §§ 1626 b Abs. 3, 1626 e BGB nicht, dass er durch die Erklärung
das volle Sorgerecht erlangte.
Diese Vorschriften haben folgenden Wortlaut:
§ 1626 b Abs. 3 BGB:
Eine Sorgeerklärung ist unwirksam, soweit eine gerichtliche Entscheidung über die
elterliche Sorge nach den §§ 1671, 1672 getroffen oder eine solche Entscheidung nach §
1696 Abs. 1 geändert wurde.
§ 1626 e BGB
Sorgeerklärungen und Zustimmungen sind nur unwirksam, wenn sie den
Erfordernissen der vorstehenden Vorschriften nicht genügen.
Zwar wurde hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter nicht nach §§ 1671, 1672
BGB, sondern nach § 1666 BGB entzogen. Die Abgabe einer auch das
Aufenthaltsbestimmungsrechte umfassenden Sorgeerklärung hätte hier aber
vorausgesetzt, dass die einstweilige Anordnung zuvor nach § 1696 Abs. 2 BGB
aufgehoben worden wäre. Denn § 1666 BGB stellt insoweit eine gegenüber §§ 1626 a bis
e BGB vorrangige Sonderregelung dar (vgl. Peter Huber in: Münchener Kommentar zum
BGB, 4. Aufl, § 1626 c, Rz. 24).
Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass eine Sorgeerklärung einer Mutter
nach dem Sorgerechtsentzug gemäß § 1666 BGB insoweit unwirksam ist. Im
Regierungsentwurf zum Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG-RegE, BT-Drucks.
13/4899, zu § 1626 b) ist diesbezüglich zu lesen:
Würde man in den (Anmerkung: in § 1626 b Abs. 3 BGB) genannten Fällen, in denen
das Gericht auf Antrag der Eltern tätig wurde und seine Entscheidung unter dem
Blickwinkel des Kindeswohls getroffen hat, den Eltern die Abgabe von Sorgeerklärungen
gestatten, so bestünde die Gefahr eines mit dem Kindeswohl unvereinbaren "Hin und
Her" der elterlichen Sorge. Andere gerichtliche Entscheidungen über die elterliche Sorge
stehen dagegen der Abgabe von Sorgeerklärungen nicht entgegen. Wenn z. B. einer
Mutter zunächst die Sorge gemäß § 1666 E entzogen war, diese Entscheidung aber
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Mutter zunächst die Sorge gemäß § 1666 E entzogen war, diese Entscheidung aber
gemäß § 1696 Abs. 2 E wieder aufgehoben wurde, so können die Eltern durch
Sorgeerklärung nunmehr die gemeinsame Sorge begründen.
Die Gegenstimmen (vgl. Ollmann in: DAVorm, 2001, S. 515 ff; Schulz, DAVorm, 2001, S.
411 f) verkennen, dass es mit Sinn und Zweck von § 1666 BGB nicht zu vereinbaren
wäre, den Eltern, nachdem das Gericht zuvor wegen Gefährdung des Kindeswohl in das
Sorgerecht der Mutter eingegriffen hat, über § 1626 a ff BGB die Möglichkeit zu geben,
die gerichtliche Entscheidung ohne erneute gerichtliche Sachprüfung selbst zu
korrigieren. Im Übrigen würde es auch einen nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch
darstellen, dass es den Eltern nach einer auf Antrag ergangenen Gerichtsentscheidung
gemäß §§ 1671, 1672 BGB wegen § 1626 b BGB verwehrt ist, über eine gemeinsame
Sorgeerklärung ohne erneute Gerichtsentscheidung gemeinsam Inhaber der elterlichen
Sorge zu werden; dies nach einem von Amts wegen zur Gefahrenabwehr zu erlassenden
Sorgerechtseingriff aber möglich sein soll.
Der Umstand, dass hier noch umfangreiche Ermittlungen anzustellen sind, gebietet es,
die Entscheidung des Familiengerichts aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Entscheidung zurück zu verweisen (vgl. Keidel/Kuntze/Winker, FGG, 15. Aufl., § 25, Rz.
21). Unter anderem wird zu prüfen sein, inwieweit die Gefahr für das Wohl des Kindes
dadurch gebannt werden kann, dass der Vater nunmehr dessen Pflege und Erziehung
übernimmt. Sollte ein Sorgerechtsentzug bei der Mutter weiter erforderlich sein, so wird
das Familiengericht zu prüfen haben, ob dem Vater neben dem ihm bereits
zustehenden übrigen Sorgerecht gemäß § 1680 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BGB auch das
Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen sein wird, oder ob auch ihm
gegebenenfalls das Sorgerecht zu entziehen ist.
Es erscheint hier nicht unbillig, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils
selbst tragen, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.
Der Senat geht davon aus, Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 131
Abs. 3 KostO nicht anfallen.
Die Höhe des Beschwerdewerts folgt aus § 30 Abs. 2 KostO.
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