Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 14.03.2017

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Gericht:
AG Tempelhof-
Kreuzberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 C 313/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 535 Abs 1 S 2 BGB
Wohnraummiete: Anspruch des Mieters auf Beseitigung der
Graffiti-Bemalung des Hauseingangsbereichs
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, den Eingangsbereich des Hauses H Straße, Berlin, in der
Weise instand zu setzen, dass die Schmierereien auf dem Klingeltableau, der
Hauseingangstür sowie an den Wänden des Eingangsbereichs im Erdgeschoss entfernt
und diese Bereiche malermäßig instand gesetzt werden.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der
jeweils zu vollstreckenden Forderung abwenden, falls nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist aufgrund des Mietvertrages vom 31. Januar 1996 (Fotokopien Blatt 5 bis
9 der Akte) Mieterin der im 4. OG links belegenen Vierzimmerwohnung H Straße, deren
Vermieterin die Beklagte ist. Die Miete beträgt 593,70 € und setzt sich aus einer
Nettokaltmiete von 393,73 € sowie Vorauszahlungen auf Betriebskosten in Höhe von
160,00 € und auf Heizkosten von 40,00 € zusammen.
Im Eingangsbereich des Hausflurs, auf der Eingangstür sowie am Klingeltableau befinden
sich zahlreiche Graffitis.
Mit Schreiben des Berliner Mietervereins vom 31. Oktober 2006 (Blatt 11 der Akte)
forderte die Klägerin die Beklagte zur Beseitigung der Schmierereien auf.
Mit Schreiben vom 6. November 2006 (Blatt 12 der Akte) lehnt die Beklagte eine
Mängelbeseitigung mit der Begründung ab, durch die Schmierereien werde der
vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache nicht beeinträchtigt. Im Übrigen seien in
kürzester Zeit neue Schmierereien zu befürchten.
Die Klägerin trägt vor, sie habe einen Anspruch auf Entfernung der Schmierereien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Eingangsbereich des Hauses H Straße, in der Weise
instand zu setzen, dass die Schmierereien auf dem Klingeltableau, der Hauseingangstür
sowie an den Wänden des Eingangsbereichs im Erdgeschoss entfernt und diese Bereiche
malermäßig instand gesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, der Mietgebrauch werde durch die Schmierereien nicht
beeinträchtigt. Sobald diese beseitigt würden, entstünden neue. Dem Vermieter sei
nicht zuzumuten, diese Schmiererei anschließend zu beseitigen. Dies gelte
insbesondere im Bezirk Kreuzberg, wo beinahe jedes Haus Schmierereien erfahren
müsse. Die Graffitis seien hinzunehmen, da diese nicht wirksam beseitigt werden
könnten. Dies gelte vor allem auch deswegen, weil die Beklagte eine äußerst günstige
Miete zahle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen
ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entfernung der Graffitis auf dem
Klingeltableau, der Hauseingangstür sowie an den Wänden des Eingangsbereiches sowie
auf malermäßige Instandsetzung dieser Bereiche aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
Bei den Graffitis handelt es sich im vorliegenden Fall um einen Mangel der Mietsache.
Der vertragsgemäße Zustand umfasst auch die Grundstücks- und Gebäudeteile, die zur
gemeinschaftlichen Benutzung durch die Mieter und zum Zugang zur Mietsache
bestimmt sind (Palandt-Weidenkaff, BGB 65. Auflage § 535 Rdn. 34, 41) und somit auch
den Hauseingang, das Klingeltableau und die Hauseingangstür. Der für den
vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand ist im einzelnen Fall nach den gesamten
Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Ortssitte, dem Zweck und dem Preis
der Mieträume sowie dem Zustand bei Anmietung zu beurteilen (Kammergericht in WUM
1984, Seite 42). Unstreitig befand sich der Hauseingangsbereich bei Anmietung in
einem optisch einwandfreien Zustand, da zu diesem Zeitpunkt die Bemalung von
Wänden mit Graffiti noch nicht aufgekommen war. Bei der Ortssitte ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass in Berlin gemäß § 9 Abs. 3 Bauordnung Farbschmierereien, die
von Verkehrswegen oder allgemein zugänglichen Stätten aus wahrnehmbar sind,
verunstaltend sind und entfernt werden müssen.
Der Umfang der unstreitig vorhandenen Graffiti ist erheblich. Nahezu der gesamte
Eingangsbereich ist großflächig mit Graffiti versehen. Insgesamt macht das Haus
dadurch einen verunstalteten und verwahrlosten Eindruck. Der Umfang der Graffiti
überschreitet das Maß des ortsüblichen. Dieser schlechte Gesamteindruck des Hauses
stellt eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs dar, da die Mieter, die sich in ihrer
Wohnung und in ihrem Haus wohlfühlen wollen, diesem negativen Anblick jeden Tag
ausgesetzt sind. Die Grenze einer hinzunehmenden Beeinträchtigung ist überschritten.
Der Auffassung der Beklagten, es liege kein Mangel vor, wenn der Vermieter die
Entstehung nicht verhindern könne, ist nicht zu folgen. Ein Mangel liegt unabhängig vom
Verschulden des Vermieters vor, wenn der tatsächliche Zustand nachteilig vom
vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Äußere Einwirkungen begründen einen
Mangel, wenn sie nicht vertraglich vorausgesetzt sind, und zwar unabhängig davon, ob
sie vom Vermieter als Eigentümer geduldet werden müssen (Palandt a. a. O. § 536, 16,
20).
Der Anspruch ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Miete, die die Beklagte
zahlt, günstig ist, denn auch bei einer relativ günstigen Miete hat der Vermieter seiner
Instandhaltungspflicht nachzukommen. Schließlich hindert auch die pauschale
Behauptung der Beklagten, in Kreuzberg sei beinahe jedes Haus mit Graffiti versehen,
den Instandhaltungsanspruch nicht, da die Beklagte nicht im Einzelnen vorgetragen hat,
welche Häuser mit Graffitimalerei versehen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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