Urteil des AG Steinfurt vom 12.04.2005

AG Steinfurt: unterhalt, aufschiebende wirkung, stadt, urkunde, subsidiarität, erwerbseinkommen, darlehen, bruttoeinkommen, kredit, fahrtkosten

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
Aktenzeichen:
Amtsgericht Steinfurt, 10 F 283/04
12.04.2005
Amtsgericht Steinfurt
Familiengericht
Urteil
10 F 283/04
Der Beklagte wird verurteilt, wie folgt an die Klägerin Unterhalt zu zahlen:
1. Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind T, geboren am 16.12.2001:
a) für die Monate Juni und Juli 2004 jeweils über den durch Urkunde des
Jugendamtes der Stadt H titulierten Be-trag in Höhe von 61 € weitere 14
€ insgesamt somit monat-lich 75,00 €
b) für den Monat August 2004 über den durch Urkunde des Jugendamtes
der Stadt H titulierten Betrag in Höhe von 61 € weitere 31 € insgesamt
somit 92,00 €
c) für den Monat September 2004 über den durch Urkunde des
Jugendamtes der Stadt H titulierten Betrag in Höhe von 61 € weitere 26 €
insgesamt somit 87,00 €
d) für die Monate Oktober 2004 bis Dezember 2004 jeweils über den
durch Urkunde des Jugendamtes der Stadt Z titulierten Betrag in Höhe
von 61 € weitere 26 € insge-samt somit monatlich 87,00 €
- abzüglich ab Oktober 2004 monatlich gezahlter 69 € -
2. Trennungsunterhalt für die Klägerin selbst
a) für die Monate Juni und Juli 2004 jeweils 102,00 €
b) für den Monat August 2004 210,56 €
c) für die Monate September 2004 bis Dezember 2004 monatlich 200,23
- abzüglich ab Oktober 2004 monatlich gezahlter 109,00 € -
e) laufend ab Januar 2005 monatlich 138,00 €
- abzüglich in den Monaten Januar und Februar 2005 jeweils gezahlter
109,00 € -
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn
nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe geleistet hat.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
rückständiger Kindesunterhalt 62,55 €
laufender Kindesunterhalt 153,36 €
rückständiger Trennungsunterhalt 731,91 €
laufender Trennungsunterhalt 2.402,76 €
insgesamt somit auf 3.350,58 €
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Kindes- und Trennungsunterhalt. Die Parteien sind seit dem
1.4.2004 getrennt lebende Eheleute. T2 heirateten am 27.4.2001. Aus dieser Ehe ist der
am 16.12.2001 geborene Sohn T hervorgegangen, der seit der Trennung in der Obhut der
Klägerin lebt. Im klägerischen Haushalt leben ferner noch die Kinder C, geboren am
16.12.1994, und J, geboren am 30.1.1998, die aus einer anderen Beziehung stammen. Der
Beklagte hat ebenfalls zwei weitere Kinder aus einer anderen Beziehung, nämlich den am
16.6.1990 geborenen Sohn K und den am 1.1.1988 geborenen Sohn D.
Durch Jugendamtsurkunde der Stadt H hat der Beklagte für das gemeinsame Kind T einen
Unterhaltsbetrag in Höhe von 61 € anerkannt. Laufend ab Oktober 2004 zahlt der Beklagte
monatlich 109 € auf den Trennungsunterhalt und 69 € auf den Kindesunterhalt für T. Die
Klägerin erhält für T Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Von Juli 2004 bis
Dezember 2004 erhielt die Klägerin Wohngeld in Höhe von 303 € monatlich nach dem
Wohngeldgesetz. Beginnend mit dem Monat Januar 2005 erhält die Klägerin für sich und
unter anderem den Sohn T Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II – Harzt IV) in
Höhe von insgesamt 523 €.
Der Beklagte ist berufstätig. Hinsichtlich seines Einkommens wird Bezug genommen auf
die vorgelegten Gehaltsabrechnungen. Die einfache Entfernung zu seinem B-Platz beträgt
7 km. Der Beklagte hat erhebliche Verbindlichkeiten, die zum Teil bereits bei Eingehung
der Ehe bestanden. Er macht insoweit einen Kredit bei der Volksbank mit monatlich 175 €,
bei den Rechtsanwälten T pp. mit monatlich 20 €, ein BSH-Darlehen mit monatlich 76,69 €
bis September 2004, eine Sterbegeldversicherung mit monatlich 1,53 €, ein Darlehen bei
der Citibank für die Küche mit monatlich 20 € und eine Nachzahlung auf gemeinsame
Mietverbindlichkeiten mit monatlich 25 € ab September 2004 aufgrund eines gerichtlichen
Vergleichs geltend. Ferner erhält der Beklagte von seinem Arbeitgeber einen Bruttobetrag
in Höhe von 20 € zu den vermögenswirksamen Leistungen. Mit Schriftsatz vom 4.3.2005
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wies der Beklagte darauf hin, dass er ab Januar 2005 sein Erwerbseinkommen nach der
Steuerklasse I versteuern muss.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht die vollständigen
Kreditbelastungen ihr entgegen halten könne. Der Vortrag zum Steuerklassenwechsel sei
verspätet.
T2 beantragt,
den Beklagten zu verurteilen an T2 wie folgt Unterhalt zu zahlen:
1) für das gemeinsame Kind T, geboren am 16.12.2001:
a )für die Monate Juni 2004 bis August 2004 über den bereits durch Urkunde des
Jugendamtes der Stadt H titulierten Betrag in Höhe von 61 € weitere 16,59 €
insgesamt somit monatlich
77,59
b) für die Zeit von September 2004 bis Dezember 2004 über den bereits durch
Urkunde des Jugendamtes der Stadt H titulierten Betrag in Höhe von 61 € weitere
12,78 € insgesamt somit monatlich
73,78
c) und für die Zeit ab Januar 2005 über den bereits durch Urkunde des
Jugendamtes der Stadt H titulierten Betrag in Höhe von 61 € weitere 44,00 €
insgesamt somit monatlich
104,00
2) für die Antragstellerin selbst als Trennungsunterhalt
a) für die Monate Juni 2004 bis August 2004 in Höhe von
210,56 €
b) aufend ab September 2004 in Höhe von monatlich
200,23 €
- abzüglich laufend ab Oktober 2004 gezahlter 109 € -
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass sämtliche Belastungen abzugsfähig sind.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachvortrags wird Bezug genommen auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im ausgeurteilten Umfang auch begründet.
Der Klägerin steht ein Trennungsunterhaltsanspruch aus § 1361 BGB gegen den
Beklagten zu. Ferner ist T2 nach § 1629 BGB berechtigt, den Kindesunterhalt für T aus §§
1601, 1603 BGB im eigenen Namen geltend zu machen.
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Der Beklagte ist aber nur eingeschränkt leistungsfähig. Im Jahr 2004 verdiente er im
Monatsdurchschnitt 1.614,77 €, wie der nachstehenden Berechnung entnommen werden
kann.
Januar 2004
1.419,44 €
Februar 2004
1.416,61 €
März 2004
1.418,70 €
April 1944
1.423,29 €
Mai 2004
1.496,84 €
Juni 2004
1.861,36 €
Juli 2004
1.428,36 €
August 2004
1.846,56 €
September 2004
1.433,46 €
Oktober 2004
1.424,67 €
November 2004
2.719,16 €
Dezember 2004
1.488,82 €
Summe
19.377,27 €
im Monatsdurchschnitt sind das
1.614,77 €
Dieses Einkommen ist noch um den Nettoarbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen
Leistungen und um die berufsbedingten Fahrtkosten bei einer einfachen Entfernung von 7
km zu korrigieren.
Bruttoarbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen
20,00 €
Bei einer Nettoquote von etwa
77,07%
ergibt das einen Nettoanteil von
15,41 €
Nach Abzug auch der berufsbedingten Fahrtkosten von (7 km * 0,24 € * 220
Tage : 12 Monate =)
61,60 €
beläuft sich das bereinigte Einkommen des Beklagten auf
1.537,76
Für das Jahr 2005 ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte sein Einkommen nach der
Steuerklasse I mit 1,5 Kinderfreibeträgen zu versteuern hat. Hierbei handelt es sich um die
steuerrechtliche Folge der Trennung der Parteien im Jahr 2004, so dass die
Verspätungsrüge der Klägerin unbeachtlich ist. Bei einem Bruttoeinkommen in Höhe von
25.254,33 € im Jahr im Jahr 2003 und 25.143,04 € im Jahr 2004 ergibt das ein
Nettoeinkommen nach den Berechnungen des Gerichtes in Höhe von 1.369,00 €, wie der
nachstehenden Aufstellung zu entnehmen ist:
Steuerpflichtiges Bruttoeinkommen im Jahr
25.254,33 €
Lohnsteuer
- 3.489,00 €
Solidaritätszuschlag
- 44,20 €
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Kirchensteuer
- 40,00 €
Krankenversicherung (13,9 %)
- 1.755,18 €
Pflegeversicherung
- 214,66 €
Arbeitslosenversicherung
- 820,77 €
Rentenversicherung
- 2.462,30 €
Jahresnettoeinkommen
16.428,22 €
im Monatsdurchschnitt sind das ca.
1.369,00 €
Hiervon sind die berufsbdingten Fahrtkosten mit
- 61,60 €
und der Nettoarbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen mit - 15,41 €
abzuziehen, so dass ab Januar 2005 verbleiben (gerundet)
1.292,00 €
Nach den vorliegenden Kontoauszügen sowie sonstigen Unterlagen ergibt sich, dass in
einem erheblichen Umfang Verbindlichkeiten vorhanden sind, auf die der Beklagte auch
Leistungen erbringt. Grundsätzlich ist der Bedarf der Klägerin und des gemeinsamen
Kindes T durch diese Belastungen, die bereits zu Zeiten des ehelichen Zusammenlebens
bestanden haben, geprägt. Jedoch ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass der
Mindestunterhalt für die privilegierten Unterhaltsberechtigten vom Beklagten nicht einmal
annähernd gezahlt werden kann, wenn die Verbindlichkeiten in voller Höhe berücksichtigt
werden. Daher ist der Beklagte grundsätzlich verpflichtet, die Rückführung der
Verbindlichkeiten zu strecken und evtl. sogar einen Verbraucherinsolvenzantrag zu stellen.
Denn andernfalls liefe bereits der vollstreckungsrechtliche Vorrang der Unterhaltspflichten
gegenüber anderen Verbindlichkeiten leer, wenn auf der Erkenntnisstufe die
Verbindlichkeiten in voller Höhe stets berücksichtigt würden. Für die mit einer Streckung
der Rückführung einhergehenden Gespräche und Verhandlungen benötigt der Beklagte
eine gewisse Zeit, die das Gericht auf 3 Monate ab der Trennung schätzt. Bis Juli 2004
einschließlich sind daher alle Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 291,69 € (Kredit
Volksbank mit 175 €, Rechtsanwalt T mit 20 €, BSH Darlehen mit 76,69 € und Kredit für die
Küche mit 20 €) zu berücksichtigen. Für die Zeit danach kann aber nur ein angemessener
Betrag in Höhe von monatlich 200 € unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden, zumal ab
Oktober 2004 auch nach dem Vortrag des Beklagten die Verbindlichkeit gegenüber der
BSH entfallen ist. Dass der Beklagte auf diese Verbindlichkeiten Zahlungen erbringt, kann
den vorliegenden Kontoauszügen entnommen werden. Die Ausbildungsversicherung ist
nicht zu berücksichtigen, da diese eine Kapitalbildungsmaßnahme darstellt und der
laufende Mindestbedarf des Kindes T insoweit Vorrang hat. Die Sterbegeldversicherung
(1,53 €) ist aus dem Selbstbehalt jedenfalls zu zahlen.
Auf Seiten der Klägerin ist deren Einkommen aus Wohngeld in der Zeit von Juli 2004 bis
einschließlich Dezember 2004 ihr zuzurechnen. Denn das Wohngeldgesetz sieht keine
Regressmöglichkeiten gegen einen Unterhaltspflichtigen vor.
Die Leistungen nach dem SGB II als "Grundsicherung für Arbeitssuchende", die die
Klägerin ab Januar 2005 für sich und unter anderem das Kind T erhält, sind aber nicht als
Einkommen der Klägerin bzw. des Kindes T zu bewerten. Denn diese Leistungen sind
nachrangig (so: Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909, 1917; Bäcker, Arbeitslosengeld II –
Grundsicherung für Arbeitssuchende, veröffentlicht unter: http://www.sozialpolitik-
aktuell.de/neuregelungen_arbeitsfoerd.shtml, S. 5). Zwar enthält das SGB II – anders als
das BSHG bzw. das heutige SGB XII – keine ausdrückliche Norm, die das Rangverhältnis
regelt. Jedoch sieht § 33 Abs. 2 SGB II einen Forderungsübergang – wenn auch erst
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aufgrund eines Verwaltungsaktes und nicht bereits kraft Gesetzes – vor. Die praktische
Umsetzung des Forderungsübergangs und insbesondere die Möglichkeiten der
treuhänderischen Rückabtretung ist vom Gesetzgeber nicht glücklich gewählt worden. Es
ist nicht das nach vielen Diskussionen und höchstrichterlichen Entscheidungen bewährte
Regelwerk des früheren Sozialhilferechts übernommen worden. Vielmehr ist der bereits in
der Vergangenheit schwierig und auch umständliche X-Weg des Verwaltungsaktes ohne
Regelung einer Inkassozession in § 33 SGB II aufgenommen worden (vgl.: zu den
Problemen im Einzelnen: Hußmann, FPR 2004, 534, 541 ff.; Klinkhammer, FamRZ 2004,
1909, 1914 ff.). Einkünfte einer "leistungsberechtigten Person" im Sinne des SGB II werden
mit gewissen Ausnahmen (Freibeträge, etc.) auf diese Sozialleistungen angerechnet (vgl.
§§ 9 Abs. 1, 2; 11 Abs. 2 Nr. 6; 30 SGB II). Ferner kann auch der Regelung des § 33 Abs. 1
S. 2 SGB II entnommen werden, dass das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, dass der
Bedarf zunächst durch Unterhaltsleistungen zu decken ist. Für die diese Subsidiarität des
Arbeitslosengeldes II spricht auch, dass dessen Regelungen – anders als der Name
zunächst vermuten lässt –, nicht dem Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung und
Lohnersatz, sondern der Sozialhilfe als Unterhaltssicherung nachgebildet worden sind
(vgl.: Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909, 1917; Knittel, JAmt 2004, 397, 398). Dies wird
bereits daran deutlich, dass nach dem SGB II die vorherige Einzahlung in die
Arbeitslosenversicherung keine Voraussetzung für die Gewährung von "Grundsicherung für
Arbeitssuchende" ist, vielmehr erhält auch derjenige diese Hilfe, der niemals in die
gesetzliche Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Allein die Frage, ob dem Grunde
nach eine Arbeitsfähigkeit gegeben ist, ist entscheidende Voraussetzung (vgl.:
Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909, 1917).
Die Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB II als "Grundsicherung für
Arbeitssuchende" gilt nicht nur für den zukünftigen, sondern auch für den rückständigen
Unterhalt. Anders als teilweise angenommen wird (so z.B.: Hußmann, FPR 2004, 534, 541,
543), wirkt nämlich die Überleitung der Unterhaltsansprüche nicht erst ab Bestandskraft des
Verwaltungsaktes. Vielmehr haben Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 39 Nr. 2
SGB II keine aufschiebende Wirkung (vgl.: Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909, 1919).
Hinsichtlich des Zeitpunktes, ab dem rückständiger Unterhalt übergeleitet werden kann,
verweist § 33 Abs. 2 S. 3 SGB II auch auf § 1613 BGB. Diese Verweisung auf die Vorschrift
des Verwandtenunterhalts, die nicht für den nachehelichen Unterhalt gilt, hat zur Folge,
dass ab einer Aufforderung zur Auskunftserteilung rückständiger Unterhalt auch von dem
Träger der Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht werden kann. Ob hier hinsichtlich
des nachehelichen Unterhalts eine planwidrige Lücke vorliegt (so: Hußmann, FPR 2004,
534, 542), bedarf für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Klagt die
"leistungsberechtigte Person" im Sinne des Arbeitslosengeldes II selbst seinen Unterhalt
ein, so bleibt diese bis zum Wirksamwerden der Überleitungsanzeige Forderungsinhaber
(so: Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909, 1918). Im Falle einer späteren Überleitung der
Unterhaltsforderung durch den Leistungsträger war im alten Sozialhilferecht, das damals
eine mit den Regelungen des § 33 SGB II vergleichbare Vorschrift enthielt, in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine Überleitung auch für die
Vergangenheit noch möglich war und der Hilfeträger im Wege der Klauselumschreibung
nach § 727 ZPO aus dem vom Hilfeempfänger erstrittenen Titel vorgehen konnte (vgl.:
BGH, FamRZ 1983, 51; so auch für die Arbeitslosenhilfe: OLG Naumburg, FamRZ 2004,
664). Entsprechendes wird auch für das Arbeitslosengeld II gelten müssen, so dass es
auch keinen Grund für eine zeitliche Zäsur hinsichtlich dieser Subsidiarität der staatlichen
Leistungen gibt.
Etwas anderes gilt nur für den Teil des Arbeitslosengeldes II, der nicht auf den Träger der
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Hilfeleistung übergeleitet werden kann. Nach § 33 Abs. 2 S. 2 SGB II darf der Übergang
durch den Träger aber nur insoweit bewirkt werden, wie die unterhaltspflichtige Person
nach dem SGB II sein Einkommen für den Unterhalt aufwenden muss. Die wenig glückliche
Formulierung im Gesetz bedeutet nach Auffassung des Gerichtes, dass eine
sozialrechtliche Vergleichsberechnung durchzuführen ist (so auch: Klinkhammer, FamRZ
2004, 1909, 1915). Denn bereits die im Gesetzeswortlaut in Bezug genommene Norm des
§ 11 SGB II enthält keinerlei Grenze. Hintergrund einer solchen sozialrechtlichen
Vergleichsberechnung ist, dass die Überleitung nicht dazu führen darf, dass der
Unterhaltsverpflichtete seinerseits bedürftig wird. Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II
kann auch bei einer Erwerbstätigkeit bezogen werden (vgl. hierzu: Bäcker, a.a.O., S. 8).
Soweit im Ergebnis eine Überleitung durch den Träger des Arbeitslosengeldes II nicht
erfolgen darf, handelt es sich im Ergebnis um einen verlorenen Zuschuss. Dieser müsste
der "leistungsberechtigten Person", hier also der Klägerin, als Einkommen zugerechnet
werden.
Der Umfang der möglichen Überleitung durch den Träger der "Grundsicherung für
Arbeitssuchende" begrenzt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aber noch
darüber hinaus. Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der Rechtslage zum BSHG zwar
die Auffassung vertreten, dass allenfalls eine Korrektur hinsichtlich des Unterhalts für die
Vergangenheit durch § 242 BGB erfolgen könne, jedoch grundsätzlich es hinsichtlich des
laufenden Unterhalts bei der Subsidiarität der Sozialhilfe bleiben müsse (BGH, FamRZ
1999, 843 ff.; Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis, 6. Auf., § 6, Rn. 567, 568). Nach Auffassung des Gerichts kann diese
Rechtsprechung aber nicht auf das neue Arbeitslosengeld II übertragen werden. Der
wesentliche Unterschied besteht nämlich darin, dass der Unterhaltsverpflichtete seinerseits
nicht nur hypothetisch (aufstockende) Hilfe nach dem SGB II erhalten kann. Vielmehr
besteht stets ein Anspruch auf "Grundsicherung für Arbeitssuchende" auch neben einem
Erwerbseinkommen, wie bereits oben dargelegt. Müsste der Unterhaltsverpflichtete soviel
Unterhalt zahlen, dass ihm nach Abzug der Freibeträge für sein konkretes
Erwerbseinkommen nicht sein Grundsicherungsbedarf verbleibt, sind ihm – auf seinen
Antrag – ergänzend Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Es kann aber nicht
angehen, dass der zu zahlende Unterhalt – zum Teil – durch ergänzendes
Arbeitslosengeld II finanziert wird. Wird der Unterhaltspflichtige nämlich seinerseits durch
die Inanspruchnahme wegen Unterhalts hilfebedürftig, verstößt dieses Ergebnis gegen die
Menschenwürde und gegen das Sozialstaatsprinzip (vgl. dazu: BGH, FamRZ 1990, 849;
BVerwG, FamRZ 1999, 780; BSG, FamRZ 1985, 379 f.; OLG E, FamRZ 1999, 127;
Wendl/Staudigl/Scholz, a.a.O., § 6, Rn. 523).
Die sozialrechtliche Vergleichsberechnung führt dazu, dass dem Beklagten gerundet 1.035
€ verbleiben müssen.
Grundsicherungsbedarf
345,00 €
Warmmiete (angemessene Höhe, geschätzt)
300,00 €
Weiter zu berücksichtigen sind die Freibeträge vom Erwerbseinkommen des Beklagten
(vgl. hierzu im Einzelnen: Bäcker, a.a.O., S. 9, 10).
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Das Bruttoeinkommen des Beklagten beträgt im Monat durchschnittlich
2.104,53
hiervon sind abzuziehen:
15 % des Bruttoentgelts bis 400 €, das sind
- 60,00 €
zusätzlich 30 % aus dem Teil des Bruttoentgelts zwischen 401 € und 900 €, das
sind
- 149,70 €
zusätzlich 15 % aus dem Teil des Bruttoentgelts, der 900 € übersteigt, das sind - 180,68 €
Der Freibetrag des Beklagten beträgt insgesamt
390,38 €
Grundsicherungsbedarf zuzüglich Freibetrag belaufen sich auf
1.035,38
Für den Unterhalt muss der Beklagte dann nur noch einsetzen
334,00 €
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich für die hier relevanten Zeiträume folgende
Mangelverteilungen, wobei zwischen der Klägerin und dem gemeinsamen Kind T auf der
einen Seite und den beiden aus einer früheren Beziehung stammenden Kinder
unterhaltsrechtlich Gleichrang besteht. In allen Zeiträumen ist auch ein absoluter Mangelfall
gegeben.
a) Juni 2004 und Juli 2004:
Einkommen des Beklagten
1.246,07 €
unter Wahrung des notwendigen Selbstbehaltes von
840,00 €
sind für Unterhaltszwecke frei
406,07 €
Einsatzbeträge für die Mangelfallberechnung:
T, 16.12.2001
269,00 €
K, 16.6.1990
384,00 €
D, 1.1.1988
384,00 €
Klägerin
730,00 €
abzüglich Wohngeld
-303,00 €
1.464,00 €
Das ergibt eine Deckungsquote von
27,74%
und gemangelte Beträge
für T gerundet
75,00 €
und für die Klägerin gerundet
202,00 €
Der Zahlbetrag für T liegt um
14,00 €
über der errichteten Jugendamtsurkunde.
b) August 2004:
Unterhaltsrechtlich sind nur noch monatlich 200 € für Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Beklagten
1.337,76 €
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unter Wahrung des notwendigen Selbstbehaltes von
840,00 €
sind für Unterhaltszwecke frei
497,76 €
Einsatzbeträge für die Mangelfallberechnung:
T, 16.12.2001
269,00 €
K, 16.6.1990
384,00 €
D, 1.1.1988
384,00 €
Trennungsunterhalt
730,00 €
abzüglich Wohngeld
-303,00 €
1.464,00 €
Das ergibt eine Deckungsquote von
34,00%
und gemangelte Beträge
für T gerundet
92,00 €
- mithin 31 € über dem durch Jugendamtsurkunde titulierten Betrag –
und für die Klägerin selbst gerundet
248,00 €
c) September 2004 bis Dezember 2004:
Zusätzlich ist die Verbindlichkeit gegenüber dem ehemaligen gemeinsamen Vermieter
beider Parteien aufgrund eines abgeschlossenen Vergleich mit monatlich 25 e zu
berücksichtigen.
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Beklagten
1.312,76 €
unter Wahrung des notwendigen Selbstbehaltes von
840,00 €
sind für Unterhaltszwecke frei
472,76 €
Einsatzbeträge für die Mangelfallberechnung:
T, 16.12.2001
269,00 €
K, 16.6.1990
384,00 €
D, 1.1.1988
384,00 €
Trennungsunterhalt
730,00 €
abzüglich Wohngeld
-303,00 €
1.464,00 €
Das ergibt eine Deckungsquote von
32,29%
und gemangelte Beträge
für T gerundet
87,00 €
- mithin 26 € über den durch die Jugendamtsurkunde titulierten Betrag –
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und für die Klägerin selbst gerundet
236,00 €
- hierauf hat der Beklagte ab Oktober 2004 monatlich 109 € gezahlt –
d) laufend ab Januar 2005:
Versteuerung des Einkommens des Beklagten nach Steuerklasse I/1,5 Kinderfreibeträge
und Bezug der Grundsicherung für Arbeitssuchende durch die Klägerin.
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Beklagten
1.369,00 €
unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Vergleichsberechnung von
1.035,38 €
sind für Unterhaltszwecke frei
334,00 €
Einsatzbeträge für die Mangelfallberechnung:
T, 16.12.2001
269,00 €
K, 16.6.1990
384,00 €
D, 1.1.1988
384,00 €
für die Klägerin als Trennungsunterhalt
730,00 €
1.767,00 €
Das ergibt eine Deckungsquote von
18,90%
und gemangelte Beträge
für T gerundet
51,00€
- mithin weniger als durch die Jugendamtsurkunde bereits tituliert –
und als Trennungsunterhalt für die Klägerin gerundet
138,00 €
- hierauf hat der Beklagte laufend monatlich 109 € gezahlt, was jedoch nur bis zum
Schluss der mündlichen Verhandlung im Tenor berücksichtigt werden kann –
In einzelnen Zeiträumen war die Vorschrift des § 308 ZPO beim Trennungsunterhalt zu
berücksichtigen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Nr. 8, 11, 711 ZPO.