Urteil des AG Solingen vom 11.02.1998

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Amtsgericht Solingen, 33 F 59/97
Datum:
11.02.1998
Gericht:
Amtsgericht Solingen
Spruchkörper:
Abt. 33
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
33 F 59/97
Tenor:
In Abänderung der einstweiligen Anordnung vom 08.01.1997 wird dem
An-tragsgegner aufgegeben, ab Februar 1998 an die Antragstellerin
monatlich nur noch 1040,-- DM Elementarunterhalt sowie 244,63 DM
Krankenvorsorgeunter-halt zu zahlen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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Gründe:
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Durch einstweilige Anordnung vom 08.01.1997 ist dem Antragsgegner aufgegeben
worden, an die Antragstellerin monatlich 1039,32 DM als Elementarunterhalt zu zahlen
sowie 244,63 DM als Krankenvorsorgeunterhalt und 375,72 DM als
Altersvorsorgeunterhalt. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin mit
ihrem jetzigen Lebensgefährten nicht zusammen wohnte und keine
Wirtschaftgemeinschaft bildete. Wie das Gericht weiter zugrunde legte, lebt die
Antragstellerin mit ihrem am geborenen Sohn in einer Eigentumswohnung, die beiden
Parteien je zur Hälfte gehört.
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Nach Erlass der einstweiligen Anordnung hat der Antragsgegner gegen die
Antragstellerin wie auch ihrem Lebensgefährten Strafanzeige erstattet, weil sie in
diesem Verfahren in mündlicher Verhandlung vor Gericht bekundet hätten, nicht
zusammen zu wohnen und hierdurch Prozessbetrug begangen zu haben. Nach
Durchführung einer Hausdurchsuchung in der Wohnung der Antragstellerin wie der
angeblichen Wohnung des Lebensgefährten, hat die Staatsanwaltschaft gegen beide
unter dem 25.06.1997 Anklage wegen gemeinschaftlichen Prozessbetruges, gegen den
Lebensgefährten auch wegen falscher unbeeidigter Aussage erhoben. Das Amtsgericht
hat das Verfahren bishin jedoch noch nicht eröffnet.
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Der Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten wird in der Anklage der
Staatsanwaltschaft angelastet, entgegen ihren Aussagen vor Gericht seit Frühjahr 1996
gemeinsam zu wohnen und zu leben.
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Der Antragsgegner beantragt, aus den Gründen, die Gegenstand der Anklage sind, die
einstweilige Anordnung vom 08.01.1997 aufzuheben. Die Antragstellerin räumt
inzwischen ein, seit dem 01.04.1997 mit dem Lebensgefährten zusammen zu wohnen,
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bestreitet aber weiterhin, mit ihm eine gemeinsame Wohngemeinschaft zu bilden.
Durch die beiden Hausdurchsuchungen und die Anklage der Staatsanwaltschaft sind
neue Tatsachen erwachsen. Unter diesen Umständen ist der Antrag des
Antragsgegners nach § 620 b ZPO zulässig.
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Der Antrag ist teilweise auch begründet.
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Die Antragstellerin hat ihre Ansprüche auf ehelichen Unterhalt nach § 1361 Abs. 3, 1579
Nr. 2 und 4 BGB grundsätzlich verwirkt. Aufgrund von zwei Hausdurchsuchungen ist sie
der Anklage der Staatsanwaltschaft zufolge eines in diesem Verfahren begangenen
Prozessbetruges dringend verdächtig, zur Verwirkung durch Prozessbetrug vergleiche
z. B. Göppinger-Wax/Kindermann, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, Rz. 1296 sowie
Staudigl/Wendl Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4.
Auflage, § 4 Rz. 655 u. 698, beide m. w. N. Unter diesen Umständen ist eine Verwirkung
hinreichend glaubhaft gemacht. Der Glaubhaftmachungslast, die hierfür dem
Antragsgegner obliegt, ist genügt. Die Glaubhaftmachung ist auch nicht in Frage
gestellt, weil das Gericht das Hauptverfahren noch nicht eröffnet hat. Hierfür bestehen
nach dem Inhalt der beigezogenen Strafakte keine hinreichend konkreten
Anhaltspunkte. Dem schriftlichen Vortrag der Verteidigung ist die Staatsanwaltschaft in
einer eingehenden Stellungnahme nachhaltig entgegengetreten. Die Antragstellerin hat
dem Antragsgegner jedenfalls nicht umgehend mitgeteilt, dass sie und ihr
Lebensgefährte seit dem 01.04.1997 zusammen wohnen, zur Pflicht zur sogenannten
ungefragten Information siehe Göppinger-Wax, Vogel, aaO Rz. 2541 ff. sowie
Wendl/Staudigl, Haußleiter aaO, § 1 Rz 596 ff., beide m. w. N.
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Im Rahmen einer sodann gebotenen Billigkeitsabwägung war der Antragstellerin, bei
Wahrung der Interessen des Minderjährigen, nur ein notdürftiger Unterhalt zu belassen,
zumindest der Mindestbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle. Ein völliger Ausschluss
kommt wegen der Betreuung nicht in Betracht, vgl. Wendigl/Staudigl, Gerhardt, aaO, § 4
Rz. 636. Mit der Subsidiarität der Sozialhilfe war es ferner nicht vereinbar, die
Antragstellerin auf Sozialhilfe zu verweisen, vgl. Wendl/Staudigl/Gerhardt aaO, § 4 Rz.
632.
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Wie bei Bemessung des Existenzminimums zu berücksichtigen war, sind für die
bewohnte Eigentumswohnung (ohne verbrauchsabhängige Nebenkosten), monatlich
1266 DM aufzubringen. Wie hierbei aber auch zu beachten war, wohnen in der
Wohnung außer der Antragstellerin selbst auch ihr Lebensgefährte sowie ihr Sohn, für
den sie vom Antragsgegner Kindesunterhalt erhält. Bei dem Alter des am 28.02.1988
geborenen Sohnes und angesichts der Umstände, die eine Verwirkung nahe legen, ist
der Antragstellerin zuzumuten, zumindest eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen. Wie
weiterhin zu beachten war, lebt die Antragstellerin mit ihrem jetzigen Lebensgefährten
zusammen und erzielt hierdurch zumindest erhebliche Einsparungen. Unter Abwägung
vor allem der genannten Umstände sind weiterhin eine Unterhaltszahlung von monatlich
1039,32 DM, aufgerundet 1040 DM, als Elementarunterhalt aufzubringen sowie 244,63
DM als Krankenvorsorgeunterhalt. Altersvorsorgeunterhalt ist hingegen nicht mehr
aufzubringen. Der Antragstellerin wird jedoch aufgegeben, umgehend und intensiv eine
Teilzeitbeschäftigung zu suchen. Hierfür wird ihr angesichts der Belange des
minderjährigen Sohnes ein Zeitraum gewährt bis zum 31.05.1998. Ihre umgehenden
und intensiven Bemühungen um eine Arbeitsstelle sind dem Gericht nachzuweisen. Der
Gang zum Arbeitsamt ist nicht ausreichend. Nach Ablauf dieser Frist wird das Gericht
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über die Höhe des Unterhalts erneut befinden. Eine erneute Entscheidung wird auch
geboten sein, wenn das Strafgericht wegen der erhobenen Anklage das Hauptverfahren
nicht eröffnen wird oder wenn die Antragstellerin in dem Hauptverfahren freigesprochen
wird.
Streitwert: 9959,22 DM.
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