Urteil des AG Siegen vom 18.03.2002

AG Siegen: pfändung, billigkeit, verfügung, notlage, ehevertrag, maximum, taschengeld, pfändbarkeit, einziehung, zwangsvollstreckung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
7
8
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 4 T 11/02
18.03.2002
Landgericht Siegen
4. Zivilkammer
Beschluss
4 T 11/02
Amtsgericht Siegen, 29 M 6317/01
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Siegen wird angewiesen, 3/5 des
angeblichen Taschengeldanspruches des Schuldners gegen die
Drittschuldnerin zu pfänden und der Gläubigerin zur Einziehung zu
überweisen und dabei anzuordnen, dass dem Schuldner monatlich
mindestens 50,00 Euro zu belassen sind.
Gründe:
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen einer
Hauptforderung von 17.653,36 DM nebst Zinsen und Kosten.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der
Rechtspfleger des Amtsgerichts Siegen den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insoweit zurückgewiesen, als die Pfändung
des Taschengeldanspruches des Schuldners beantragt wurde.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig und hat auch in der
Sache selbst Erfolg.
Das Amtsgericht hat nach Auffassung der Kammer zu strenge Anforderungen an die
Pfändbarkeit des Taschengeldanspruches gestellt.
Der Taschengeldanspruch ist im Rahmen des § 850 b ZPO grundsätzlich bedingt pfändbar
(vgl. OLG Hamm, Rechtspfleger 1979, 272; OLG Köln, Rechtspfleger 1995, 76; OLG
Stuttgart, FamRZ 1997, 1494 mit weiteren Nachweisen).
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Taschengeldanspruch des
Schuldners bei einem durchschnittlichen Verdienst des Ehegatten von rund 4.500,00 DM
etwa 225,00 DM (entsprechend rund 115,00 Euro) beträgt. Die Billigkeit der Pfändung ist
indessen zu Unrecht verneint worden. Das Taschengeld steht dem Schuldner
grundsätzlich zur freien Verfügung. Er kann es daher auch zur Schuldentilgung verwenden.
Dann aber darf auch ein Gläubiger unabhängig von der Art des beizutreibenden
Anspruches darauf zurückgreifen, sofern nicht Gründe der Billigkeit dagegen sprechen.
Eine besondere Notlage des Gläubiges ist insoweit nicht zu fordern.
8
9
10
11
12
Dem Schuldner ist zuzumuten, auch über längere Zeiträume eine gewisse Einschränkung
seines Lebenszuschnitts hinzunehmen, um seinen Verpflichtungen wenigstens teilweise
nachzukommen. Angesichts der hier zu erwartenden Langfristigkeit des Gläubigerzugriffs
war anzuordnen, dass nur 3/5 - und nicht das Maximum von 7/10 - des Taschengeldes
gepfändet werden und dem Schuldner somit für seine persönlichen Bedürfnisse 2/5 -
mindestens aber 50,00 Euro monatlich - zu belassen sind. Damit wird sowohl dem
Gläubiger- als auch den Schuldnerinteressen im Rahmen der Billigkeitsprüfung
hinreichend Rechnung getragen.
Soweit der Schuldner sich auf einen Ehevertrag beruft, dessen Inhalt er trotz wiederholter
Aufforderung nicht bekannt gegeben hat, konnte hier nicht davon ausgegangen werden,
dass dieser Vertrag hinsichtlich der dargelegten Rechtslage eine Änderung bewirkt.
Hier geht es auch nicht darum, dass die Ehefrau des Schuldners dessen Schulden
begleicht, wie der Schuldner meint. Vielmehr wird hier lediglich ein Teil des dem Schuldner
gesetzlich zustehenden Taschengeldanspruches, über welchen er nach Belieben verfügen
kann und der seinen notwendigen Bedarf übersteigt, zugunsten des Gläubigers gepfändet.
Auf die Beschwerde hin war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und der
Rechtspfleger des Amtsgerichts anzuweisen, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
nach Maßgabe der vorliegenden Entscheidung zu erlassen. Dabei wird auszusprechen
sein, dass der Taschengeldanspruch zur Ermittlung der Pfändungsgrenze nach § 850 c
ZPO mit dem Wert der sonstigen Ansprüche des Schuldners auf Familienunterhalt
zusammenzurechnen ist.