Urteil des AG Siegburg vom 23.10.2009

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Amtsgericht Siegburg, 101 C 351/09
Datum:
23.10.2009
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
101. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
101 C 351/09
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.162,32 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
11.07.2009 sowie weitere 374, 90 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin betreibt ein Möbelhandelsunternehmen. Am 17.03.2009 schlossen die
Parteien in einer Niederlassung der Klägerin einen Kaufvertrag über den Erwerb einer
Küche zu einem Preis von 9.500,00 €.
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Mit einer E-Mail vom 23.03.2009 sowie mit Schreiben vom 24.03.2009 erklärte die
Beklagte die "fristgerechte Kündigung" des Kaufvertrages. Diese wies die Klägerin mit
Schreiben vom 01.04.2009 zurück.
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Daraufhin bestätigte die Beklagte schriftlich den Kaufvertrag und bat "nachträglich" um
eine Kreditmöglichkeit für den Kauf der Küche. Ferner wollte die Beklagte "auf
Grundlage der bestehenden Planung einige Änderungen zum Design der Küche
vornehmen".
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Am 24.04.2009 wurden einzelne Elemente der bestellten Küche ausgetauscht, wodurch
sich ein Gesamtpreis von nunmehr 10.000,00 € ergab. Hierbei wurde auf dem
ursprünglichen Kaufvertrag der Zusatz "geändert 24.04.2009 10.000,- " vermerkt.
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Auf Wunsch der Beklagten stellte der Verkäufer der Klägerin eine Finanzierungsanfrage
an die C AG. Die Anfrage bezog sich auf einen Teilbetrag des Kaufpreises in Höhe von
4.000,- €. Hierbei wurden keine zu entrichtenden Zinsen und kein Bearbeitungsentgelt
vereinbart. Gleichzeitig wählte die Beklagte in einem hierfür vorgesehenen Abschnitt der
Urkunde einen Restschuldversicherungsschutz, welchen die C AG für die Beklagte bei
einem Versicherer beantragen sollte. Hierbei konnte die Beklagte den Umfang des
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Versicherungsschutzes durch entsprechendes Ankreuzen bestimmen. Darunter befand
sich der Hinweis "Eine Aufnahme in den Versicherungsschutz ist nicht Voraussetzung
für die Kreditgewährung". Hierfür war eine Aufwandserstattung in Höhe von 141,90 €
vorgesehen. Das Antragsformular schloss mit einer Widerrufbelehrung.
Mit Schreiben vom 08.05.2009 widerrief die Beklagte den Kreditantrag gegenüber der C
AG und erklärte, dass der Kaufvertrag ebenfalls erlöschen sollte.
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Mit Anwaltsschreiben vom 26.06.2009 unter Fristsetzung zum 10.07.2009 forderte die
Klägerin die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 4.162,32 € auf. Der
Betrag errechnet sich aus dem vereinbarten Nettokaufpreis von 8.403,36 € abzüglich
ersparter Aufwendungen in Höhe von 4.241,04 €.
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Die Klägerin vertritt die Ansicht, der Beklagten stünde kein Widerrufrecht nach den
Grundsätzen über das verbundene Geschäft zu, da der Kaufvertrag zunächst ohne
Finanzierung und hiernach lediglich geändert worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.162,32 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 27.06.2009 sowie
374,90 EUR nicht anrechenbare Gebühr Nr. 2300 VV RVG zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte vertritt die Ansicht, ihr stünde ein Widerrufrecht wegen der verbundenen
Verträge zu. Der Kreditvertrag sei durch die Bearbeitungsgebühren für die
Restschuldversicherung entgeltlich gewesen. Auch sei der zunächst geschlossene
Kaufvertrag aufgehoben und hiernach ein andersartiger Vertrag geschlossen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Sitzungsprotokoll vom
01.10.2009, Bl. 47 d.A. sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung von
4.162,32 € aus den §§ 433 Abs. 2, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB zu.
Hiernach ist der Schuldner zum Ersatz des durch die Verletzung einer Pflicht aus dem
Schuldverhältnis entstandenen Schaden verpflichtet.
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Zwischen den Parteien wurde durch Abschluss des Kaufvertrages ein Schuldverhältnis
begründet.
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Dieses wurde durch die Beklagte nicht wirksam widerrufen, da ihr kein Widerrufrecht
zustand. Insbesondere stand ihr kein Widerrufrecht bezüglich des Darlehensvertrages
aus den §§ 495, 355 BGB zu, welches gemäß § 358 Abs. 2 BGB auch die Bindung an
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einen hiermit verbundenen Kaufvertrag hätte entfallen lassen.
Voraussetzung eines Widerrufrechts aus den §§ 495, 355 BGB ist das Vorliegen eines
Verbraucherdarlehensvertrages, welcher gemäß § 491 Abs. 1 BGB einen entgeltlichen
Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem
Verbraucher als Darlehensnehmer erfordert.
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Daran fehlt es hier. Die Kreditanfrage bei der C AG bezog sich nicht auf den Abschluss
eines entgeltlichen Darlehensvertrages. Unter "Entgelt" im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB
ist jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers für die Kreditgewährung zu verstehen
(Münchener Kommentar – Schürnbrand, 5. Auflage 2008, § 491 Rn. 53). Dies umfasst
vor allem für das Darlehen zu entrichtende Zinsen, daneben aber auch eine zu leistende
Einmalvergütung (Münchener Kommentar – Schürnbrand, 5. Auflage 2008, § 491 Rn.
53). Der von der Beklagten beabsichtigte Darlehensvertragsabschluss beinhaltete keine
Gegenleistung in diesem Sinne. Ausweislich der Vertragsurkunde, Bl. 32 d.A., waren
weder Zinsen noch ein Bearbeitungsentgelt für die Gewährung des Kredites
vorgesehen, sondern die entsprechenden Felder der Vertragsurkunde mit "0,00 %" bzw.
mit "0,00 EUR" ausgefüllt.
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Auch die für die Aufnahme in den Restschuldversicherungsschutz vorgesehene
Aufwandserstattung in Höhe von 141,90 € ist kein "Entgelt" im Sinne des § 491 Abs. 1
BGB. Hierbei handelt es sich nicht um eine Gegenleistung für die Kreditgewährung als
solche, sondern eine Gegenleistung für die Aufnahme in einen Versicherungsschutz,
wobei der Kreditnehmer sowohl auswählen kann, ob er den Versicherungsschutz
wünscht als auch in welchem Umfang. Dabei hat die Wahl des Verbrauchers auf den
Abschluss des Darlehensvertrages keinen Einfluss, was ausdrücklich in einem
entsprechenden Hinweis in der Vertragsurkunde klargestellt wird. Mithin handelt es sich
bei dem zu leistenden Betrag in Höhe von 141,90 € um eine von der Beklagten freiwillig
übernommene Verpflichtung, die ohne Einfluss auf den Darlehensvertrag als
Gegenleistung für eine von der Kreditgewährung verschiedene Leistung erbracht
werden sollte.
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Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Normzweck des
Verbraucherkreditrechts. Das Verbraucherkreditrecht bezweckt die Stärkung der Rechte
des Verbrauchers auf dem Kreditmarkt und will ihn vor bestimmten typischen Gefahren
bei der Kreditaufnahme schützen (Münchener Kommentar – Schürnbrand, 5. Auflage
2008, § 491 Rn. 3). Eines solches Schutzes bedarf der Verbraucher jedoch nicht, wenn
er freiwillig eine Zahlungsverpflichtung übernimmt, für die er eine von der
Kreditgewährung verschiedene, auch ihm zu Gute kommende Gegenleistung – hier der
Restschuldversicherungsschutz – erhält. In diesem Fall befindet sich der Verbraucher
nicht in einer dem Kreditmarkt typischen Gefährdungslage, da es ihm ebenso freistand,
den Darlehensvertrag ohne jegliche über die Rückzahlung der Darlehenssumme
hinausgehende Zahlungsverpflichtung abzuschließen.
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Die Entgeltlichkeit des Verbrauchervertrages kann ferner nicht mit einer verdeckten
Einkalkulierung einer Gegenleistung in den Kaufpreis begründet werden, insoweit
fehlen jegliche Anhaltspunkte.
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Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob – im unterstellten Falle des Bestehens eines
Widerrufrechts – die Regeln über das verbundene Geschäft gemäß § 358 BGB auf eine
bloße Vertragsänderung – denn um eine solche handelt es sich hier – Anwendungen
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finden, wenn der ursprüngliche Vertrag als Barzahlungsgeschäft geschlossen wurde.
Die für einen Schadenersatzanspruch statt der Leistung aus den §§ 280 Abs. 1, 3, 281
Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung liegt in der Nichtleistung des Kaufpreises
durch die Beklagte. Hierbei war eine Nachfristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 BGB
entbehrlich, da die Beklagte durch ihren "Widerruf" die Leistung ernsthaft und endgültig
verweigerte. Der Umfang des Nichterfüllungsschadens ist der Höhe nach zwischen den
Parteien unstreitig. Hierbei wird als Schadensposition gemäß den §§ 249 ff. BGB auch
die für eine Rechtsverfolgung entstandenen Kosten in Höhe von 374,90 € umfasst.
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Hingegen besteht gemäß den §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB ein Anspruch auf
Verzugszinsen erst ab dem 11.07.2009. Erst ab diesem Datum befand sich die Beklagte
mit der Schadensersatzforderung in Verzug. Diese wurde erstmals durch
Anwaltsschreiben vom 26.06.2009 angemahnt und hierin eine Frist zur Erfüllung bis
zum 10.07.2009 gesetzt. In diesem Fall kommt die Beklagte nicht mit Nichtleistung auf
die Mahnung, sondern erst durch Verstreichen lassen der von Klägerseite eingeräumten
Zahlungsfrist in Verzug.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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