Urteil des AG Siegburg vom 06.01.2010

AG Siegburg (kläger, abweisung der klage, zpo, volljährigkeit, haftungsbeschränkung, verhandlung, eintritt, minderjährigkeit, verbindlichkeit, höhe)

Amtsgericht Siegburg, 322 F 147/08
Datum:
06.01.2010
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
322. Familienabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
322 F 147/08
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann aus dem Urteil - wegen der Kosten - gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 500 € vollstrecken, wenn nicht der
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet
Der Kläger war vormals Kläger eines beim Amtsgericht - Familiengericht - H unter dem
Geschäftszeichen - XXX - anhängigen Prozesses. Gegenstand dieses Prozesses war
ein Anspruch auf Verwandtenunterhalt des Klägers gegen die Beklagte, seinen
Großmutter. Der bei Prozessbeginn minderjährige Kläger wurde durch seine
sorgeberechtigte Mutter, Frau N, vertreten. Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger wurde
vor der mündlichen Verhandlung am 20.07.2008 volljährig. Am 31.07.2008 wurde das
klageabweisende Urteil verkündet. Die Beklagte beantragte die Kostenfestsetzung
gegen den Kläger. Am 18.09.2008 erging der streitgegenständliche
Kostenfestsetzungsbeschluss, aus dem die Beklagte nunmehr die Zwangsvollstreckung
gegen den Kläger betreibt.
1
Der Kläger trägt vor, bei Eintritt der Volljährigkeit am xx.xx.xxxx habe es kein Vermögen
des Klägers gegeben, mit dem er hätte haften können, so dass er sich insoweit auf die
Haftungsbeschränkung des § 1629 a I BGB beruft und die Erschöpfungseinrede geltend
macht.
2
Es handele sich auch nicht um neue Verbindlichkeiten, für die der Kläger einzustehen
hätte, nachdem er kurz vor Beendigung des Verfahrens volljährig geworden ist.
3
Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch der Beklagten sei bereits aufschiebend
bedingt mit der Klageerhebung durch den minderjährigen Kläger im Vorprozess
4
entstanden und es handele sich somit um eine latente Verbindlichkeit aus der Zeit der
Minderjährigkeit des Klägers, für die die Haftungsbeschränkung nach § 1629 a I BGB
noch gelte.
Der Kläger beantragt,
5
die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts H
vom 18.09.2008 - AZ XXX - für unzulässig zu erklären.
6
Die Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Die Beklagte trägt vor, mit Eintritt der Volljährigkeit des Klägers sei Klageänderung
dahin vorgenommen worden, dass der Kläger selbst als Partei aufgetreten sei.
9
Der Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger sei erst mit der Last des Urteils und
Ausurteilung der Kostentragungspflicht entstanden. Die Haftungsbeschränkung, die auf
Einrede erfolge, könne im Vollstreckungsverfahren nur dann noch geltend gemacht
werden, wenn der volljährig Gewordene zum Zeitpunkt des Urteils noch minderjährig
war. Der Kläger hätte die Einrede insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren bereits
geltend machen müssen.
10
Dem gegenüber trägt der Kläger vor, der prozessuale Kostenerstattungsanspruch
entstehe aufschiebend bedingt mit der Klageerhebung, auch bei Klagen
Prozessunfähiger. Der Kläger hafte nicht für die bereits als latente Verbindlichkeit aus
der Zeit seiner Minderjährigkeit entstandenen Prozesskosten der Beklagten entgegen
der Ansicht der Beklagten. Es müsse eigentlich eine Erinnerung nach § 766 ZPO
eingelegt werden, sei die erhobene Vollstreckungsgegenklage zulässig.
11
Das Gericht hat zu der Behauptung des Klägers, der Kläger sei zum
entscheidungserheblichen Zeitpunkt vermögenslos gewesen, die im Termin zur letzten
mündlichen Verhandlung präsente Zeugin Frau N, die Mutter des Klägers, als Zeugin
vernommen.
12
Wegen des Inhalts der Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.12.2009 und
wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf den Inhalt der von den
Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich deren Anlagen ergänzend Bezug
genommen.
13
Entscheidungsgründe:
14
Die Vollstreckungsgegenklage ist unbegründet.
15
Der Kläger hat die Erschöpfungseinrede nach § 1629 a I BGB nicht rechtzeitig geltend
gemacht.
16
Bei der dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 18.09.2008
– AG H XXX – zu Grunde liegenden Verpflichtung des Klägers handelt es sich um einen
Anspruch, der mit Erhebung der Klage und somit noch während der Minderjährigkeit des
Klägers aufschiebend bedingt entstanden ist.
17
Für diese latente Verbindlichkeit aus der Zeit der Minderjährigkeit des Klägers, die sich
erst nach Eintritt der Volljährigkeit zu einer Rechtspflicht des Klägers entwickelte, gilt
Entsprechendes wie bei der Haftung des Erben für schwebende Rechtsbeziehungen
(vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Auflage, § 1629 a Randnote 1).
18
Da der Kläger die Verbindlichkeit nicht erst nach Eintritt der Volljährigkeit eingegangen
ist, hatte er grundsätzlich die Möglichkeit der Erhebung der Einrede des § 1629 a BGB.
19
Er kann die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen der Einrede vorliegen, auch
grundsätzlich gem. §§ 786,780 Abs. 1, 785 ZPO mit der Vollstreckungsgegenklage
geltend machen.
20
Erforderlich ist jedoch gem. § 780 Abs. 1 ZPO, dass ihm die Haftungsbeschränkung im
Urteil tatsächlich vorbehalten wurde (vgl. Huber, Münchener Kommentar, BGB, 5.
Auflage, § 1629 a, Randnote 34). Im Rahmen der vorstehenden Kommentierung wird
auch ausdrücklich zu dem problematischen Fall Stellung genommen, in dem der Titel
gegen den Schuldner bereits während seiner Minderjährigkeit erwirkt wurde. In diesem
Fall war ein Vorbehalt im Leitungsurteil noch nicht möglich. Dort wird dargelegt, dass in
entsprechender Anwendung der für die Beschränkung der Erbenhaftung geltenden
Vorschriften (§ 1990 BGB, 780 I, 786 ZPO) dann die Haftungsbeschränkung auch ohne
Vorbehalt im Sinne des § 780 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden könnte. Demnach
hätte der volljährig gewordene Kläger bei einem noch gegen ihn als Minderjährigen
ohne Vorbehalt ergangenen Urteil die Haftungsbeschränkung nach § 1629 a BGB noch
mit der Vollstreckungsabwehrklage gem. §§ 786,785,767 ZPO geltend machen können
(vgl. ebenda).
21
Im vorliegenden Falle ist das Urteil des AG H in dem Verfahren XXX jedoch nicht gegen
den Kläger als Minderjährigen ergangen. Vielmehr ist der am xx.xx.xxxx geborene
Kläger noch vor der letzten mündlichen Verhandlung am 10.07.2008 und der
Verkündung des Urteils am 31.07.2008 volljährig geworden.
22
Allein der Umstand, dass zwischen dem Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit des
Klägers und der letzten mündlichen Verhandlung nur ein Zeitraum von rund 2 Wochen
lagen, rechtfertigt es nicht, eine Ausnahme von der entsprechend anwendbaren
Vorschrift des § 780 Abs. ZPO zu machen, die die Geltendmachung der Beschränkung
davon abhängig macht, dass sie im Urteil vorbehalten wurde.
23
Ausreichende andere Gründe, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, wurden nicht
substantiiert dargelegt.
24
Zu Recht weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 03.12.2008
darauf hin, dass der Kläger als gerade volljährig gewordener Kläger in der letzten
mündlichen Verhandlung des Vorprozesses die Prozessführung genehmigt hat.
Unzutreffend ist allerdings die weitere Folgerung, dass der Kläger nicht für die bereits
als latente Verbindlichkeit aus der Zeit seiner Minderjährigkeit entstandenen
Prozesskosten der Beklagten hafte, da der Kläger durch die spätere Genehmigung
keinerlei Einfluss mehr auf den Grund und die Höhe des bereits dem Grunde und der
Höhe nach bestehenden Kostenerstattungsanspruches der Beklagten gehabt habe.
25
Denn die im Vorprozess für den Kläger in gesetzlicher Prozessstandschaft handelnde
26
Mutter des Klägers hat den Prozess bis zur Volljährigkeit mit Wirkung für den Kläger
geführt. Die dadurch grundsätzlich begründete Haftung des Klägers hätte aber durch
rechtzeitige Geltendmachung der Erschöpfungseinrede des § 1629 a BGB
"abgewendet" werden können, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung für den
zwischenzeitlich volljährig gewordenen Kläger die Erschöpfungseinrede erhoben
worden wäre und im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen des § 1629 a BGB,
dass der Kläger bei Eintritt der Volljährigkeit kein Vermögen hatte, nachgewiesen
worden wären.
Wenn der Kläger einwenden würde, der Zeitraum zwischen Eintritt der Volljährigkeit und
dem Termin der letzten mündlichen Verhandlung sei zu kurz gewesen, um die durch die
eingetretene Volljährigkeit sich ergebenden rechtlichen Änderungen zu bedenken und
zu besprechen oder aber man habe erst durch die Zustellung des Urteils durch
Abweisung der Klage und entsprechender Kostenentscheidung von der konkret
eingetretenen Kostentragungspflicht Kenntnis erlangt, so wäre es dem Kläger möglich
und zumutbar gewesen, nach Kenntnisnahme vom Inhalt des Urteils Berufung mit dem
Ziel einzulegen, nachträglich den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung zu erreichen.
Mit dieser Maßgabe wäre eine Berufung gegen das Urteil im Vorprozess, wenn auch -
nur - unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO möglich gewesen.
27
Die Einschätzung, dass eine derartige Berufung gestützt auf Ziffer 3. des § 531 Abs. 2
ZPO, Erfolgsaussichten gehabt haben könnte und deshalb die Einlegung der Berufung
zumutbar gewesen wäre, steht neben den oben genannten Erwägungen auch der
Annahme einer Ausnahme von der Vorschrift des § 780 Abs. 1 ZPO entgegen.
28
Da die Haftungsbeschränkung des § 1629 a BGB nicht entsprechend § 780 Abs. 1 ZPO
im Urteil des Vorprozesses vorbehalten worden war, kann der Kläger sie jetzt nicht mehr
geltend machen.
29
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30
Streitwert: 2.956,00 €
31