Urteil des AG Siegburg vom 13.11.2009

AG Siegburg (widerklage, stimmabgabe, laden, betrieb, ermächtigung, umfang, abstimmungsergebnis, verwalter, zpo, vollmacht)

Amtsgericht Siegburg, 150 C 47/09
Datum:
13.11.2009
Gericht:
Amtsgericht Siegburg
Spruchkörper:
150. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
150 C 47/09
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage hin wird die Klägerin und Widerbeklagte verurteilt,
1. die Nutzung der in ihrem Eigentum stehenden, im Erdgeschoss des
Objektes F in ####1 U gelegenen Sondereigentumseinheit (Nr. 38 nach
der Teilungserklärung vom 10.4.1984, UR-Nr. yyy des Notars Dr. X
durch sie oder durch Dritte zu anderen Zwecken als der Nutzung als
"Laden" bzw. "Ladeneinheit" und
insbesondere zur Nutzung als "Geschäfts- und Vereinsheim des Dart-
clubs xxx e.V., U" zu unterlassen,
2. für den Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld oder für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu
einer Länge von 6 Monaten angedroht, wobei das anzudrohende
Ordnungsgeld einen Betrag von 250.000,00 Euro, die Ordnungshaft eine
Gesamtdauer von 2 Jahren nicht übersteigen darf.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin und Widerbeklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 28.000,00 Euro
vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft F in U.
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Ihr gehört eine Sondereigentumseinheit, die gewerblich genutzt werden darf, wobei die
Nutzung in der Teilungserklärung mit der Zweckbestimmung "Laden" bzw.
"Ladeneinheit" bezeichnet ist.
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Unstreitig nutzt die Klägerin die Sondereigentumseinheit, indem sie dort das Geschäft-
und Vereinsheim des Dart- Clubs xxx e.V., U betreibt und unterhält.
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Die Klägerin ist der Ansicht, diese Nutzung stehe in Übereinklang mit der in der
Teilungserklärung festgelegten Nutzungsbestimmung ihrer Sondereigentumseinheit.
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Sie wendet sich gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung 26.
März 2009 unter Tagesordnungspunkt 1, mit dem der WEG-Verwalter ermächtigt wurde,
jede unzulässige Nutzung der Wohn- und Ladeneinheiten der WEG mit allen rechtlichen
Mitteln, auch mit Hilfe der Gerichte, zu unterbinden.
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Sie führt aus,
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a) die Ladungsfrist von 2 Wochen sei nicht eingehalten worden
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b) es seien Dauervertretungsvollmachten entgegen dem tatsächlichen Willen der
Vollmachtgeber oder weisungswidrig gar nicht genutzt worden
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c) die Beschlussfassung sei inhaltlich unzulässig, da die uneingeschränkte
Ermächtigung des Verwalters zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe kostenpflichtige
Maßnahmen zu Lasten der WEG auslöse.
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Die Klägerin beantragt,
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den unter Tagesordnungspunkt 1 auf der Eigentümerversammlung vom 26. März
2009 gefassten Beschluss B-Nr. 12 über die uneingeschränkte Ermächtigung des
Verwalters, jede unzulässige Nutzung der Wohn- und Ladeneinheiten in der WEG F
mit allen rechtlichen Mitteln, auch mit Hilfe der Gerichte, zu unterbinden, für ungültig
zu erklären.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen
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sowie im Wege der Widerklage stellen sie Anträge,
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wie der Urteilstenor sie wiedergibt.
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Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Unterschreitung der zweiwöchigen
Einladungsfrist angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit unschädlich sei
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sowie
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die Stimmabgabe unter Verwendung der erteilten Vollmachten entsprechend dem
Willen der Vollmachtgeber erfolgt sei, im Übrigen aber auch angesichts des
Abstimmungsergebnisses von 19 zu 15 eine fehlerhafte Stimmabgabe an der
Beschlusslage nichts geändert hätte.
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Hinsichtlich der Widerklage führen die Beklagten und Widerkläger aus, dass die
unstreitige Nutzung der Sondereigentumseinheit der Klägerin und Widerbeklagten als
Vereinslokal für einen Dart – Club nicht der in der Teilungserklärung vorgegebenen
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Nutzung als "Ladenlokal" entspreche. Vielmehr seien die Nutzungsauswirkungen
dieselben wie bei einer gewöhnlichen Kneipe –hierfür spreche auch, dass dort aus
einer Zapfanlage Bier an Mitglieder und Gäste verkauft werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe :
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Die Klage ist nicht gerechtfertigt, denn der von der Wohnungseigentümergemeinschaft
gefasste Beschluss zur Ermächtigung des Verwalters auf Durchsetzung der
Bestimmungen der Teilungserklärung auch mit Hilfe eines Gerichts ist weder formal
noch inhaltlich zu beanstanden.
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Im Einzelnen:
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Eine Unterschreitung der zweiwöchigen Einberufungsfrist des § 24 Abs. 4 WEG führt
nach herrschender Meinung nicht automatisch zu einer Ungültigkeit der gefassten
Beschlüsse; es bedarf vielmehr genügende Anhaltspunkte dafür, dass gerade die
Verkürzung der Einladungsfrist ein möglicherweise anderes Abstimmungsergebnis
verhindert hat.
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Dies ist nach Ansicht des Gerichtes vorliegend nicht der Fall. Die hier streitbefangene
Thematik beschäftigt die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits seit Jahren. Es
wurde von beiden Seiten Vorprozesse geführt, so dass die Mitglieder der WEG in der
Vergangenheit ausführlich Gelegenheit hatten, über Sinn und Inhalt der Bestimmungen
der Teilungserklärung – hier insbesondere der Nutzungsfestlegung der einzelnen
Sondereigentumseinheiten beispielsweise als "Laden" bzw. "Ladeneinheit" -
nachzudenken, Erkundigungen einzuziehen und sodann die eigene Meinungsbildung
abzuschließen.
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Neue Aspekte sind lediglich jeweils dadurch gegeben, dass von Klägerseite die
offizielle Nutzung ihrer Sondereigentumseinheit juristisch, nicht aber in der tatsächlichen
Auswirkung für das Wohn- bzw. Ladenumfeld geändert wurde; sei es durch eine
Umbenennung des jeweils betriebenen Gewerbes in der Sondereigentumseinheit
(Billard-Cafe/Vereinsheim) oder eine Abänderung in der Person des Nutzers der
Sondereigentumseinheit (Betrieb durch die Sondereigentümerin/ Nutzung durch einen
Pächter).
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Die von Klägerseite kritisierte Stimmabgabe im Wege der Nutzung von Vollmacht bzw.
Dauervollmachten ist – unabhängig davon, ob überhaupt eine abredewidrige
Stimmabgabe stattgefunden hat, jedenfalls nicht ausschlaggebend für die
Beschlussannahme mittels Mehrheitsbeschluss gewesen; das festgestellte
Abstimmungsverhältnis lautet 19 zu 15 Stimmen, so dass auch eine abweichende
Stimmabgabe eines einzelnen Eigentümers die mehrheitliche Annahme des
Beschlusses nicht geändert hätte.
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Hinsichtlich der Ausübung einer Vollmacht mit der Weisung "Stimmenthaltung" ist eine
Auswirkung auf das Abstimmungsergebnis ebenso ausgeschlossen.
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Inhaltlich begegnet die Beschlussfassung keinem Bedenken, sondern entspricht den
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Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung innerhalb einer
Wohnungseigentümergemeinschaft; es liegt in der Beschlusskompetenz der
Wohnungseigentümerversammlung, über die Frage zu entscheiden, ob und
gegebenenfalls wie die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Verstöße gegen
Bestimmungen der Teilungserklärung reagiert. Wird ein Mehrheitsbeschluss gefasst,
dass der Verwalter hiergegen vorgehen soll und – so nötig – dies auch gerichtlich
durchzusetzen hat, sind auch die hierbei entstehenden Kosten von der
Beschlussfassung mit umfasst.
Der Anfechtungsantrag war damit unbegründet und die Klage war abzuweisen.
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Die Widerklage dagegen ist begründet, denn auch die jetzige Nutzung der
Sondereigentumseinheit der Klägerin als Geschäfts- und Vereinslokals eines Dart-
Clubs steht nicht in Einklang mit den Bestimmungen der Teilungserklärung, die eine
Nutzungsfestschreibung als Laden bzw. Ladeneinheit beinhaltet.
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Hierbei kann es dahinstehen, inwieweit eine Nutzung als Vereinsheim der Nutzung der
Sondereigentumseinheit als Gaststätte gleichzusetzen ist – dieses wird im Beschluss
des Landgerichts C vom 30. April 2008 im Vorprozess verneint.
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Ausschlaggebend für die Entscheidung dieses Rechtsstreites ist aber, inwieweit Art und
Umfang der Nutzung der Sondereigentumseinheit als Laden vergleichbar ist mit der
Nutzungsart als Geschäfts- und Vereinslokal eines Dart-Clubs.
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Dies ist nach Ansicht des Gerichtes nicht der Fall; der Betrieb eines Ladengeschäfts hat
die öffentlich – rechtlich zulässigen Öffnungszeiten zu berücksichtigen, unterscheidet
sich hinsichtlich des Kundenkreises von den Besuchern eines Vereinslokals, beinhaltet
nicht die ständig gegebene Möglichkeit des Verzehrs bzw. des Konsums alkoholischer
und nicht alkoholischer Getränke (dies beschränkt sich üblicherweise in einem
Ladengeschäft auf besondere Werbeveranstaltungen) und bringt ebenfalls nicht die
Auswirkungen auf Nachbarn bzw. benachbarte Sondereigentumseinheiten mit, die
beispielsweise der Betrieb eines offenen Grillfeuers zur Versorgung der
Vereinsmitglieder mit Speisen auslöst
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Art und Umfang des Betriebes eines Ladengeschäftes unterscheiden sich damit
grundsätzlich und im wesentlichen Aspekten von den Auswirkungen, die der Betrieb
eines Vereinslokals sich bringt – damit steht die derzeitige Nutzung der
Sondereigentumseinheit der Klägerin nicht in Übereinklang mit den Bestimmungen der
Teilungserklärung, die als "Grundgesetz" für die gesamte
Wohnungseigentümergemeinschaft gilt.
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Wie bereits in den abgeschlossenen Vorverfahren, die einen Kneipen- bzw.
Gaststättenbetrieb in der Sondereigentumseinheit der Klägerin untersagt haben, die
auch vorliegend die derzeitige Nutzung als Vereinslokal unzulässig und die Klägerin
war zu deren Unterlassung zu verurteilen.
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Da die Klage ohne Erfolg geblieben ist, die Widerklage dagegen in vollem Umfang
zuzusprechen war, trägt die gesamte Kostenlast des Verfahrens gemäß § 91 ZPO die
Klägerin; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 und
710 ZPO
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Gesamtstreitwert: 27.000,00 Euro (Klage: 2.000,00 Euro;
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Widerklage: 25.000,00 Euro).
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