Urteil des AG Senftenberg vom 15.03.2017

AG Senftenberg: garage, wohnung, allgemeine versicherungsbedingungen, akte, versicherungsschutz, werkstatt, begriff, lagerung, einbruchdiebstahl, versicherungsnehmer

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Gericht:
AG Senftenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 C 400/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 10 Nr 2 Abs 2 VHB 1992
Hausratversicherung: Mitversicherung von Gegenständen in
Garagen in der Nähe des Versicherungsortes
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung
kommenden Betrages leistete.
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Hausratsversicherung unter Einbeziehung
der VHB, die über eine in ... ansässige Agentur der Beklagten abgeschlossen wurde. § 8
Nr. 3 VHB lautet wie folgt:
"3. Versicherungsschutz besteht auch
a) in Garagen in der Nähe des Versicherungsortes, die ausschließlich vom
Versicherungsnehmer oder einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person
zu privaten Zwecken genutzt werden
..."
Der Kläger ist Mieter einer Garage in ... in der er eine Motocrossmaschine unterstellte.
Wegen der örtlichen Verhältnisse, insbesondere wegen der Lage im Verhältnis zur
klägerischen Wohnung in ..., wird auf das vom Kläger eingereichte Satellitenbild (Blatt 20
der Akte) und auf den von der Beklagten eingereichten Stadtplanauszug (Blatt 54 der
Akte) verwiesen.
Unter dem Datum 05.09.2006 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten einen
Einbruchdiebstahl in der Garage an, verbunden mit einer Schadensaufstellung (Blatt 9,
Blatt 11 f. der Akte). In einem weiteren Schreiben gegenüber der Beklagten erklärte der
Kläger folgendes:
"seit dem 8.8.2006 vorübergehende Lagerung, da ich dabei bin mir eine Werkstatt
auszubauen auf dem Grundstück der Oma meiner Freundin ... Raum.
Die Werkstatt befindet sich in ... Mir ist die ständige Lagerung in der .... zu riskant, da in
den letzten Jahren schon häufig in diesem Garagenkomplex Einbrüche statt fanden. Gott
sei dank nicht bei mir."
Mit Schreiben vom 13.09.2006 bestätigte die Beklagte den Eingang der Anzeige, jedoch
verbunden mit dem Hinweis, dass sich die Garage ca. 1 km von der Wohnung des
Klägers entfernt befinde und demnach kein Versicherungsschutz bestehe.
Mit Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 03.07.2007 ließ der
Kläger gegenüber der Beklagten einen Schaden von 3.963,75 Euro geltend machen. Der
Kläger begehrt ferner Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 426,02 Euro, wegen
deren Berechnung auf Blatt 17 der Akte verwiesen wird.
Der Kläger trägt vor:
es habe tatsächlich den angezeigten Einbruchdiebstahl gegeben;
dabei seien sein am 27.04.2006 gekauftes Vollcrossmotorrad sowie Werkzeug und
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dabei seien sein am 27.04.2006 gekauftes Vollcrossmotorrad sowie Werkzeug und
Zubehör gemäß der übersandten Aufstellung, also auch mit den angegebenen Werten
der jeweiligen Gegenstände, entwendet worden;
er – der Kläger – habe zuvor drei mal wöchentlich die Garage aufgesucht;
die Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Garage betrage 629,91 m Luftlinie, die
Gehzeit betrage ca. 10 Minuten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.963,75 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 19.09.2006 sowie nebst weiterer 426,02
Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Sie trägt vor:
der Beklagte habe offenbar drei Garagen angemietet, die mit anderen Personen
gemeinschaftlich genutzt werden;
die Entfernung zu seiner Wohnung betrage bei Benutzung öffentlicher Straßen 1,11 km.
Die Beklagte meint:
die vom Kläger angegebenen Gegenstände gehören ohnehin zum Großteil nicht zum
Hausrat;
gegebenenfalls sei auch von grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls
auszugehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht nicht gemäß § 1 Abs. 1 VVG der geltend gemachte Zahlungsanspruch
zu. Denn für in der streitgegenständlichen Garage gelagerte Gegenstände besteht
jedenfalls kein vertraglicher Versicherungsschutz.
Die Parteien haben eine Hausratversicherung unter Geltung der VHB geschlossen, so
dass gemäß § 8 Nr. 3 lit. a VHB Gegenstände in Garagen nur versichert sind, wenn sich
die Garage in der Nähe des Versicherungsortes, hier also der Wohnung, befindet. Diese
Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, wie sich bereits aus dem klägerischen
Sachvortrag ergibt.
Allgemeine Versicherungsbedingungen und somit der Begriff der Nähe in der genannten
Klausel sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei
verständiger Würdigung aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des
erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss, wobei es auf die
Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche
Spezialkenntnisse und auf dessen Interessen ankommt (vgl. BGH VersR 2003, 641). Bei
dem Begriff der Nähe geht es demnach darum, dass ein enger räumlicher Bezug zum
Versicherungsort besteht, es also keinen wesentlichen Unterschied macht, ob sich die
Garage auf dem Versicherungsort selbst oder daneben befindet, weil die Kontroll- und
Überwachungsmöglichkeiten ungefähr die gleichen sind (vgl. BGH aaO.). Befindet sich
die Garage außerhalb jeglicher Sicht- und Hörweite, so besteht dagegen nicht ein
gewisses Maß an Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten. Befindet sich eine Garage
etwa auf einem Einfamilienhausgrundstück, so sind die Überwachungsmöglichkeiten des
Grundstücksbewohners ungleich höher als wenn sich die Garage abseits – etwa in einem
anderen Straßenzug – befindet. Ebenso verhält es sich, wenn bei einem
Mehrfamilienhaus ein Garagenkomplex auf der anderen Straßenseite liegt; in einem
solchen Fall ist ebenfalls noch ein enger Bezug gegeben, und die Kontroll- und
Überwachungsmöglichkeiten unterscheiden sich jedenfalls nicht in signifikanter Weise
von dem zuerst genannten Beispiel, so dass noch von Nähe i. S. v. § 8 Abs. 3 lit. a VHB
auszugehen ist. Ist jedoch – wie im vorliegenden Fall – die Garage jedenfalls über 700 m
Luftlinie entfernt und dabei außerhalb einer Sicht- und Hörweite, so besteht gerade ein
signifikanter Unterschied zu dem zuerst genannten Beispiel; ein irgendwie gearteter
räumlicher Bezug mit daraus folgenden Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten ist
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räumlicher Bezug mit daraus folgenden Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten ist
nicht mehr gegeben. Dies gilt erst recht, wenn – wie vorliegend – Wohnung und Garage
in völlig unterschiedlichen Gebäudekomplexen liegen, die durch eine
Hauptverkehrsstraße und mehrere Gewerbegrundstücke getrennt sind. Hieran ändert
sich auch nichts dadurch, dass der Kläger nach seinem Vortrag durch die exponierte
Lage der Wohnung die Möglichkeit hat, aus jener auf den Garagenkomplex zu blicken.
Eine relevante Überwachungsmöglichkeit vom Versicherungsort, also von der Wohnung,
fehlt auf Grund der Entfernung und der vom Kläger selbst eingeräumten Tatsache, dass
die konkret angemietete Garage nicht gesehen werden kann.
Auf die zahlreichen weiteren Streitpunkte zwischen den Parteien kommt es demnach
nicht mehr an.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: bis 4.000,00 Euro
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