Urteil des AG Schwedt vom 14.03.2017

AG Schwedt: geldstrafe, ehre, frieden, gewalt, kennzeichen, bewährung, wohnkosten, entlassung, ausgrenzung, kriegsverbrechen

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Gericht:
AG Schwedt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 Ds 256 Js
42294/06 (272/06)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 130 Abs 4 StGB
Volksverhetzung: Tragen eines T-Shirts mit der Aufschrift "Ruhm
und Ehre der Waffen-SS"
Tenor
1. Der Angeklagte wird wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 120
(einhundertzwanzig) Tagessätzen zu je 20 (zwanzig) Euro verurteilt.
2. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.
Angewendete Vorschrift: § 130 Abs. 4 StGB
Gründe
I.
Der 23-jährige Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er unterhält eine eigene
Wohnung, hält sich jedoch überwiegend bei seiner Freundin auf und hat auch in Bezug
auf das Kind seiner Freundin die Verantwortung eines Vaters übernommen. Der
Angeklagte erreichte den Schulabschluss der Fachoberschulreife. Während er von März
bis Oktober 2006 in Österreich einer Arbeit auf dem Bau nachging, ist er seit seiner
saisonbedingten Entlassung arbeitslos und bezieht gegenwärtig Arbeitslosengeld II in
Höhe von 345,- Euro monatlich nebst Wohnkosten.
Bisher wurde der Angeklagte wie folgt verurteilt:
1. Am 15.05.2003 sprach ihn das Amtsgericht Schwedt der fahrlässigen
Gefährdung des Straßenverkehrs durch vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr in
Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort schuldig. Es wurden eine
Geldauflage nach dem Jugendgerichtsgesetz und eine Sperrfrist für die Erteilung der
Fahrerlaubnis angeordnet.
2. Am 27.05.2003 sprach ihn das Amtsgericht Schwedt des Verwendens von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig. Es wurden eine Einziehung,
eine Verwarnung und eine Geldauflage angeordnet.
3. Am 23.03.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Schwedt wegen gefährlicher
Körperverletzung unter Einbeziehung zweier früherer Entscheidungen zu 2 Jahren und 8
Monaten Jugendstrafe. Davon verbüßte er 1 Jahr und 10 Monate und wurde unter
Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung am 26.04.2005 entlassen.
II.
Am 02.09.2006 hielt sich der Angeklagte zwischen 18.25 Uhr und 18.45 Uhr am
Odercenter in Schwedt neben dem Eingang zum Getränkemarkt auf. Dabei trug er ein
schwarzes T-Shirt, auf welchem für Passanten erkennbar die Aufschrift "Ruhm und Ehre
der Waffen-SS" in weißen Buchstaben aufgedruckt war. Der Angeklagte hatte das T-Shirt
zuvor aus einem Katalog bestellt und am gleichen Tage erhalten. Er trug dieses, obwohl
ihm bewusst war, dass mit der Aufschrift auf dem T-Shirt sämtliche Handlungen und
Verhaltensweisen der Waffen-SS als großartig, imponierend und heldenhaft dargestellt
werden. Er wusste zudem, dass durch das Tragen des T-Shirtes in der Öffentlichkeit
größere Bevölkerungsteile beunruhigt werden, zumal er sich zur Verkaufszeit
unmittelbar an einem Eingang des stark frequentierten Odercenters aufhielt. Außerdem
machte er auf sich aufmerksam, indem er den Polizeibeamten ..., welcher das
Odercenter betrat, als "Bulle" betitelte.
III.
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Der Angeklagte hat eingestanden, das T-Shirt getragen zu haben. Er hat sich dahin
eingelassen, nicht gewusst zu haben, dass das Tragen des T-Shirts verboten sei, da er
es legal bestellt habe. Die Feststellungen der objektiven Umstände der Tat ergeben sich
sowohl aus dem insoweit glaubhaften Geständnis des Angeklagten und den glaubhaften
Bekundungen des Polizeibeamten ... Die Feststellungen zur Aufschrift des T-Shirts
ergeben sich zudem aus dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen T-
Shirt, welches der Angeklagte zur Tatzeit trug.
Soweit der Angeklagte sich dahin eingelassen hat, die Strafbarkeit seines Handelns nicht
erkannt zu haben, wurde dies in der Hauptverhandlung widerlegt. Schließlich hat der
Angeklagte das T-Shirt unter mehreren anderen T-Shirts ausgewählt und dabei die
Auswahl nach seiner Einlassung bewusst gewählt, um vor seinen Kumpel zu imponieren.
Außerdem ist das unrecht der Handlung bereits aus dem Wortlaut der Aufschrift zu
erkennen, wobei keinerlei Zweifel daran bestehen, dass dem Angeklagten auf Grund
seiner allgemeinen Schulausbildung bekannt war, dass die Waffen-SS während der Zeit
der NS-Diktatur an zahlreichen Kriegsverbrechen und sonstigen Handlungen, welche auf
die Ausgrenzung und Ausrottung ganzer Bevölkerungsteile abzielten, beteiligt war.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ergeben sich aus
seiner insoweit glaubhaften Einlassung.
IV.
Damit hat sich der Angeklagte der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 4 StGB schuldig
gemacht, indem er den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden
Weise dadurch gestört hat, dass er die nationalsozialistische Gewalt und
Willkürherrschaft verherrlichte. Die Aufschrift des T-Shirts ist zweifellos als Verherrlichung
der Waffen-SS, somit eines Teils der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft
anzusehen. Der Angeklagte trug das T-Shirt mit der Aufschrift in der Öffentlichkeit und
störte zugleich den öffentlichen Frieden, indem er sich zur Ladenöffnungszeit an einem
Eingang des stark frequentierten Odercenters aufhielt und zudem Passanten, so den
Polizeibeamten ..., anpöbelte.
V.
Die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe war dem Strafrahmen des § 130
Abs. 4 StGB zu entnehmen, welcher Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren und Geldstrafe
umfasst. Nachteilig fiel bei der Strafzumessung ins Gewicht, dass der Angeklagte die Tat
beging, obwohl er unter Bewährung stand und bereits in der Vergangenheit eine ähnliche
Straftat, nämlich die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen,
begangen hat.
Zugunsten des Angeklagten konnte berücksichtigt werden, dass er in der
Hauptverhandlung geständig und im Hinblick auf das Verwerfliche seines Handelns auch
einsichtig war. Zudem hielten sich die konkreten Auswirkungen seiner Tat in Grenzen.
Unter Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände
hielt das Gericht die Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe für erforderlich und der
Tat und Schuld angemessen. Deren Höhe wurde auf 120 Tagessätze bestimmt.
Die Tagessatzhöhe beträgt unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des
Angeklagten 20 Euro. Dieser erhält gegenwärtig ca 600 Euro Arbeitslosengeld II nebst
Wohnkosten.
Die Kostenentscheidung folgt aus 465 StPO.
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