Urteil des AG Schorndorf vom 06.05.2004

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AG Schorndorf Urteil vom 6.5.2004, 2 C 1270/03
Bankkonto eines Ehegatten: Wegfall der Verfügungsbefugnis des bevollmächtigten anderen Ehegatten bei Trennung; hälftige Schuldenteilung
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.389,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit
18.3.2004 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 2.389,62 EUR.
Tatbestand
1
Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Sie trennten sich in der Nacht vom 19. auf den 20.9.2003.
2
Die Klägerin ist Inhaberin eines Girokontos, auf das die Gehälter beider Parteien flossen. Das Konto wies per 22.9.2003 ein Soll in Höhe von
2.614,25 EUR auf.
3
Mit der Klage beansprucht die Klägerin die Hälfte dieses Betrages. Sie trägt vor, dass der Sollstand ausschließlich auf die gemeinsame
Lebensführung der Parteien zurückzuführen sei. Hinsichtlich der von Beklagtenseite behaupteten Einzahlungen auf ein Sparkonto wird
vorgetragen, dass das ursprüngliche Sparbuch am 13.2.2002 aufgelöst worden sei. Das später angelegte Sparkonto habe nach der vorgelegten
Anlage K 5 kurz vor der Trennung nur ein sehr geringes Guthaben aufgewiesen. Die jeweiligen Entnahmen vom Sparkonto seien ausschließlich
für Zwecke der gemeinsamen Lebensführung erfolgt.
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Weiter beansprucht die Klägerin die Rückerstattung von Abhebungen, die der Beklagte am 20.9.2003 nach der Trennung vorgenommen hat.
5
Hinsichtlich der von Gegenseite zur Aufrechnung gestellten Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen trägt die Klägerin vor, dass diese
nicht bestünden, insbesondere habe die Klägerin im Bereich der gemeinsamen Arbeitsstätte nie Unterlagen, welche den Beklagten betreffen,
dritten Personen zugänglich gemacht.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.389,62 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10 Er ist der Ansicht, dass er zumindest einen Anspruch auf Auszahlung seines Lohnes hatte, der wenige Tage vor dem 20.9.2003 auf das
Girokonto eingezahlt worden sei. Es sei so gewesen, dass die Klägerin wesentlich mehr Geld vom Konto verbraucht habe, als der Beklagte.
Jedenfalls könne die Klägerin jetzt nicht den Ausgleich des hälftigen Sollstandes verlangen, da Zugewinnausgleichsansprüche zwischen den
Parteien vorrangig seien. Im übrigen habe die Klägerin vom Konto monatlich 250,– EUR zum Zwecke der Ansparung auf ein Sparbuch
entnommen. Dieses Konto sei in die Auseinandersetzung mit einzubeziehen und dem Sollbetrag auf dem Girokonto gegenüber zu stellen.
Allenfalls der Differenzbetrag sei auszugleichen.
11 Weiter rechnet die Beklagte mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Höhe von mindestens 1.000,– EUR vorsorglich auf. Diesen
Ansprüchen liege zugrunde, dass die Klägerin den Beklagten an der gemeinsamen Arbeitsstätte mehrfach gegenüber dritten Personen gemobbt
und beleidigt habe.
12 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13 Die Klage ist zulässig und begründet.
14 Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der vom Beklagten nach Trennung der Parteien abgehobenen Beträge nach § 812 BGB und §
826 BGB zu.
15 Die Klägerin ist Inhaberin des streitgegenständlichen Girokontos. Dem Beklagten war von der Klägerin Kontovollmacht erteilt worden. Allerdings
ist diese Kontovollmacht – auch ohne ausdrückliche Absprache zwischen den Parteien – nicht uneingeschränkt. Es ist davon auszugehen, dass
die Vollmacht zu dem Zweck erteilt wurde, dem Beklagten es unkompliziert zu ermöglichen, die Kosten der alltäglichen Lebensführung zu
decken, ohne vor jeder Abhebung mit der Klägerin Rücksprache halten zu müssen. Sie reicht nach dem Willen des Vollmachtgebers nur soweit,
als aus der gemeinsamen Lebensführung resultierende Bedürfnisse und Verbindlichkeiten abgedeckt werden sollen.
16 Dieser gemeinsame Zweck entfällt nach einer Trennung der Eheleute. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Vollmachtinhaber nach einer
Trennung zu eigenmächtigen Abhebungen nicht mehr befugt sein soll. Erfolgen dennoch Abhebungen, so geschieht dies ohne Rechtsgrund.
Gleichzeitig begründen Abhebungen nach der Trennung einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB (OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1215).
17 So liegt der Fall hier. Zwar sind die konkreten Umstände der Trennung in der Nacht vom 19./20.9.2003 zwischen den Parteien umstritten,
unstreitig ist aber, dass eine solche Trennung tatsächlich erfolgt ist. Damit war zugleich der Zweck der ursprünglich erteilten Vollmacht entfallen
und diese gegenüber der Klägerin im Innenverhältnis erloschen. Die danach erfolgten Abhebungen sind deshalb vom Beklagten – soweit nicht
bereits geschehen – an die Klägerin zurück zu erstatten. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass kurz vor der Trennung sein Lohn auf
das streitgegenständliche Girokonto eingezahlt worden ist. Durch eine solche Einzahlung ist der Sollstand des Girokontos verringert worden. Es
sind also Verbindlichkeiten, welche aus der gemeinsamen Lebensführung herrühren, teilweise getilgt worden, was letztlich auch dem Beklagten
zugute kommt. Weitergehende Rechte lassen sich für den Beklagten aus einer solchen Einzahlung jedoch nicht herleiten. Insbesondere ist er
deshalb nicht zu eigenmächtigen Abhebungen nach der Trennung befugt.
18 Die Klägerin kann daneben den Ausgleich des hälftigen Sollstandes des Girokontos im Zeitpunkt der Trennung verlangen.
19 Ein solcher Anspruch wird nicht durch die Vorschriften über den Zugewinnausgleich verdrängt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die
Vorschriften über dem Gesamtschuldnerausgleich durch güterrechtliche Regelungen, insbesondere durch die Vorschriften über den
Zugewinnausgleich, nicht verdrängt werden (vgl. Palandt, § 426 Randnummer 9 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Während bei intakter
Ehe Ausgleichsansprüche nicht bestehen, entsteht nach endgültiger Trennung ein Ausgleichsanspruch. Dieser muss dann später bei
Errechnung eines etwaigen Zugewinnausgleichsanspruchs in das jeweilige Anfangs- bzw. Endvermögen der Eheleute eingestellt werden.
Vorliegend besteht zwar ein Gesamtschuldverhältnis der Eheleute gegenüber der Bank nicht, weil die Klägerin Alleininhaberin des Girokontos
ist. Dennoch kann auch vorliegend nichts anderes gelten, weil dies von den Parteien nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin
allein deshalb so geregelt war, um die Gelder vor dem Zugriff von Gläubigern des Beklagten zu schützen. Bei der so gewählten Konstellation
sind aufgelaufene Verbindlichkeiten – wenn eine anderslautende Absprache nicht vorhanden ist – von beiden "Kontoberechtigten" hälftig zu
tragen. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch dann, wenn während intakter Ehe eine der Parteien möglicherweise größere Beträge als die
andere verbraucht hat, weil davon ausgegangen werden muss, dass dies während der intakten Ehe der gemeinsamen Lebensführung- und
planung entsprach. Deshalb und weil das von Beklagtenseite ins Spiel gebrachte Sparkonto im Zeitpunkt der Trennung ein nennenswertes
Guthaben nach durch Kopien des Sparbuchs belegtem Vortrag der Klägerin nicht aufwies, hat es bei der hälftigen Ausgleichspflicht zu
verbleiben.
20 Aufrechenbare Gegenansprüche stehen dem Beklagten nicht zu. Soweit Beleidigungen erfolgt sind, begründen diese allenfalls einen
Unterlassungs- oder Widerrufsanspruch, nicht jedoch einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Behauptung des Beklagten, er sei an der
gemeinsamen Arbeitsstätte gemobbt worden, wurde von der Gegenseite bestritten und von Beklagtenseite nicht unter Beweis gestellt. Außerdem
ist dem Beklagten hierdurch – jedenfalls solange er seine Arbeitsstelle noch innehat – ein konkreter Schaden nicht entstanden. Soweit sich der
Anspruch der Klägerin auch auf § 826 BGB stützt, wäre eine Aufrechnung zudem nach § 393 BGB ausgeschlossen.
21 Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
23 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.