Urteil des AG Schöneberg vom 27.07.2006

AG Schöneberg: mittelbarer schaden, einspruch, satzung, versicherungsschutz, stahl, mandat, realisierung, ausschluss, link, sammlung

1
2
3
4
5
Gericht:
AG Schöneberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
106 C 263/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 25 Abs 1 ARB 1975
Rechtsschutzversicherung: Versicherungsschutz bei Ansprüchen
aus einer selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des AG Schöneberg vom 27.7.2006 –... – wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden
Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten unter Zugrundelegung der ARB 75
rechtsschutzversichert; die Versicherung umfasst Familien- und Vertragsrechtsschutz.
Der Kläger war bis zum 30.6.2001 alleiniger Inhaber einer Rechtsanwalts- und
Notarpraxis in B.. Am 1.7.2001 gab er seine Zulassungen zurück, schloss seine Praxis
und setzte sich zur Ruhe. Zur Abwicklung der laufenden Vorgänge und der Einziehung
seiner verdienten Gebühren beauftragte er den Rechtsanwalt und Notar Herr B., der
zugleich auf Vorschlag des Klägers von der Rechtsanwalts- und Notarkammer zum
Praxisabwickler bestellt wurde.
Seit 1998 liefen Honoraransprüche im Mandat "K." auf, die spätestens in 2002 hätten
abgerechnet werden können. Die Honoraransprüche sollten von einer Überweisung auf
ein Notaranderkonto beglichen werden. Am 10.7.2002 bat ein anderer Notar den Notar
B. um Nennung der genauen Überweisungssumme und des anwaltlichen
Geschäftskontos, auf die der entsprechende Teil des gesamten Guthabens von
23.158,97 Euro überwiesen werden sollte. Der Notar B. wies den anderen Notar am
23.8.2002 an, das gesamte Guthaben an den Mandanten auszuzahlen. Die
Honoraransprüche im Mandat "K." wurden in der Folgezeit zwar tituliert, konnten indes
nicht vollstreckt werden, weil der Mandant am 19.4.2005 die eidesstattliche Versicherung
ablegte, worauf dem Kläger ein Gesamtschaden von ca. 5.430,- Euro erwuchs.
Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt in B., um sich bei dem Notar B. schadlos zu
halten; ggf. wird diesbezüglich ein Rechtsstreit geführt werden. Der Kläger begehrte
diesbezüglich von der Beklagten eine Deckungszusage. Dieses lehnte die Beklagte unter
Hinweis auf § 25 I ARB 75 ab.
Ursprünglich hat der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger aufgrund des zwischen den Parteien zur Versicherungs-Nr. ... geschlossenen
Rechtsschutzversicherungsvertrages bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu
gewähren für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Höhe von ca.
5.430,- Euro gegen den Rechtsanwalt und Notar Jens-Peter B. in B. wegen Verletzung
bzw. Schlechterfüllung eines anwaltlichen Dienstbesorgungsvertrags. In der mündlichen
Verhandlung vom 27.7.2006 ist die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht
erschienen und antragsgemäß durch Versäumnisurteil verurteilt worden, dass ihr am
1.8.2006 zugestellt worden ist; hiergegen hat sie einen von ihren Mitarbeitern Herr P.
und Frau H. unterschriebenen Einspruch eingelegt, der am 11.8.2006 bei Gericht
eingegangen ist. Mit gerichtlicher Verfügung 10.8.2006 ist der Beklagten aufgegeben
worden, binnen 2 Wochen eine auf die beiden Mitarbeiter lautende Prozessvollmacht
einzureichen. Mit Eingang vom 23.8.2006 hat die Beklagte eine auf die beiden
Mitarbeiter lautende Prozessvollmacht eingereicht, die ihrerseits von dem
Vorstandsmitglied Herr Dr. H. sowie dem Prokuristen Herr R. unterzeichnet ist. In der
mündlichen Verhandlung vom 9.11.2006 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass nicht
ersichtlich sei, wieso ein Vorstandsmitglied alleine zur Vertretung berechtigt sei. Das
Gericht hat der Beklagte aufgegeben, bis zum 9.11.2006, 13.00 Uhr die
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Gericht hat der Beklagte aufgegeben, bis zum 9.11.2006, 13.00 Uhr die
Vertretungsbefugnisse zu belegen; hierauf hat die Beklagte auszugsweise ihre Satzung
nebst einem Handelsregisterauszug um 11.39 Uhr an die Geschäftsstelle gefaxt.
Der Kläger beantragt,
für den Fall, dass die Satzung der Beklagten keine Alleinvertretungsberechtigung
des Herrn Dr. H. enthält, den Einspruch zu verwerfen, andernfalls
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, dass der Kläger mit dem Notar B. einen privaten anwaltlichen Vertrag
geschlossen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten. Denn in der Sache hat der zulässige
Einspruch keinen Erfolg. Denn die zulässige Klage ist begründet.
Der Einspruch ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die beiden
Mitarbeiter, die ihn unterzeichnet haben, hatten ferner auch eine Prozessvollmacht. Die
auf sie lautende Prozessvollmacht, die auflagengerecht nachgereicht wurde, wurde von
vertretungsberechtigten Organen der Beklagten unterzeichnet. Gemäß § 5 II der
Satzung der Beklagten wird die Beklagte entweder durch zwei Vorstandsmitglieder oder
durch ein Vorstandsmitglied gemeinschaftlich handelnd mit einem Prokuristen vertreten.
Die Prozessvollmacht wurde von dem Vorstandsmitglied Herrn Dr. H. und dem
Prokuristen Herrn R. ordnungsgemäß unterzeichnet.
Die Klage ist zulässig. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger infolge des
derzeitigen Verfahrensstandes in der Rechtsangelegenheit mit dem Notar B.
naturgemäß keinen konkreten Leistungstenor zu stellen vermag, ist eine
Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO ausnahmsweise nicht infolge deren allgemeiner
Subsidiarität unzulässig.
Die Klage ist auch gemäß §§ 1 I, 158l ff VVG begründet.
Der Anspruch auf Versicherungsschutz ist nicht gemäß § 25 I ARB 75 wegen eines
Zusammenhangs zu einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit des Klägers
ausgeschlossen.
Zwar genügt für den Ausschluss gemäß § 25 I ARB 75 bereits ein mittelbarer
Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit
Indes genügt
diesbezüglich nicht jeder mittelbarer Zusammenhang; vielmehr bedarf es eines inneren
sachlichen Bezugs dergestalt, dass die Interessenwahrnehmung der jetzigen oder
künftigen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit dient oder mit einer derartigen
früheren in enger Beziehung stand
Ein derartiger Zusammenhang besteht bei der von dem Kläger begehrten
Interessenwahrnehmung nicht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das maßgebliche Kriterium für einen ausreichenden
Zusammenhang darin zu erblicken ist, welcher Rechtsstatus der Kläger innehatte, als
der Anspruch gegen den Notar B. entstanden ist
Denn sollte es maßgebend auf dieses Kriterium ankommen, so würde kein
ausreichender Zusammenhang bestehen können. Denn die Schadensersatzansprüche
gegen den Notar B. konnten erst zu einem Zeitpunkt erwachsen, als der Kläger infolge
der Rückgabe seiner Zulassungen bereits Privatier war.
Auch wenn man diesem – seine rechtshistorischen Ursachen in §§ 2, 3 I 6 ALR findenden
– zeitlichen Kriterium
keine maßgebende Beachtung schenken sollte, besteht kein hinreichender
22
keine maßgebende Beachtung schenken sollte, besteht kein hinreichender
Zusammenhang. Ist das maßgebende Kriterium nicht in der zeitlichen Komponente der
Anspruchsentstehung zu suchen, so ist auf den Anspruchsgegenstand abzustellen. Der
Anspruchsgrund hinsichtlich der begehrten Interessenwahrnehmung ist nicht eine
Geltendmachung von Gebühren aus dem Mandat "K.". Vielmehr liegt der
Anspruchsgegenstand in der unzureichenden Realisierung dieser Gebühren durch den
Notar B.. Dieser hat aufgrund einer vorschnellen Auskehrung von Fremdgeld und der
Insolvenz des Gebührenschuldners die Realisierung der Gebühren unmöglich gemacht,
obwohl er zu einer solchen Realisierung aufgrund eines anwaltlichen Dienstverhältnisses
zum Kläger verpflichtet war. Dass die Beklagte eine solche vertragliche Vereinbarung
bestreitet, ist unerheblich. Denn sie ist für den Ausschluss des Versicherungsschutzes
beweispflichtig Diesen
Vertrag schloss der Kläger indes nicht im Rahmen seiner ausgeübten Tätigkeit als Anwalt
und Notar. Er schloss ihn vielmehr in Hinblick auf seinen Zustand als Privatier.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum