Urteil des AG Rheinbach vom 29.08.2006

AG Rheinbach: widerklage, kreisverkehr, reparaturkosten, betriebsgefahr, vollstreckung, anwaltskosten, fahrzeug, firma, verschulden, sicherheitsleistung

Amtsgericht Rheinbach, 5 C 17/06
Datum:
29.08.2006
Gericht:
Amtsgericht Rheinbach
Spruchkörper:
5. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 C 17/06
Schlagworte:
Vorfahrtsverletzung beim Einfahren in den Kreisverkehr
Normen:
§§ 7, 17, 18 StVG, 8 StVO
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
EUR 1.012,05 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.02.2006 sowie EUR 76,91 vorgerichtliche
Anwaltskosten zu zahlen.
Die Widerbeklagten werden auf die Widerklage hin als
Gesamtschuldner verurteilt, an den Widerkläger EUR 136,40 nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
04.05.2006 zu zahlen.
Im übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Die Gerichtskosten werden der Klägerin zu 17,75%, der Klägerin und
der Widerbeklagten zu 2) als Gesamtschuldner zu 7,25%, den Beklagten
zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 53,25% und dem Widerkläger zu
21,75% auferlegt.
Von den außergerichtlichen Kosten tragen:
- die der Klägerin:
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuld-
ner 53,25%, der Widerkläger 21,75%;
- die der Widerbeklagten zu 2):
der Widerkläger 75%;
- die der Beklagten zu 1) und 2):
die Klägerin 25%
- die des Widerklägers:
die Klägerin und die Widerbeklagte zu 2) als
Gesamtschuldner 25%;
im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet. Entsprechend
können die Widerbeklagten die Vollstreckung des Widerklägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Widerkläger vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.
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Die Klägerin befuhr am 21.12.2005 gegen 18.30 Uhr mit ihrem bei der Widerbeklagten
zu 2) haftpflichtversicherten PKW Q von der Hstraße kommend den Kreisverkehr in
Höhe E Straße in N. Es kam zum Zusammenstoß mit dem aus der E Straße
kommenden, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW W des Widerklägers,
der von dem Beklagten zu 1) gefahren wurde. Der Unfallhergang im einzelnen ist
streitig. Der in den Kreisverkehr einfahrende Verkehr ist wartepflichtig (Zeichen 205).
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Die Klägerin behauptet: Der Beklagte zu 1) habe beim Einfahren in den Kreisverkehr
ihre Vorfahrt missachtet. Er habe an Ort und Stelle sein Verschulden eingestanden.
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Folgender Schaden sei ihr entstanden:
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Reparaturkosten gemäß der Rechnung der Firma Q vom 29.12.2005 EUR 1.066,40
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Nutzungsausfall 6 Tage à EUR 43,-- = EUR 258,--
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Unkostenpauschale EUR 25,56
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Vorgerichtliche Anwaltskosten gemäß der
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Kostenrechnung vom 12.01.2006 EUR 102,37
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Summe EUR 1.452,33
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Die Klägerin hat die Beklagte zu 2) mit dem anwaltlichen Schreiben vom 04.01.2006
unter Fristsetzung zum 31.01.2006 vergeblich zur Zahlung aufgefordert.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie EUR 1.452,33
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 22.12.2005 (Schreibfehler berichtigt) zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten bestreiten eine Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1) und tragen
hierzu vor: Der Beklagte habe am Kreis angehalten. Dabei habe er mit der Wagenfront
geringfügig im Straßenraum des Kreisverkehrs gestanden. Die Klägerin sei infolge
überhöhter Geschwindigkeit an den rechten Rand des Kreisverkehrs getragen worden.
Sie habe zwar noch gebremst, sei aber nicht ausgewichen und habe mit ihrem
Fahrzeug den stehenden PKW W vorne links touchiert.
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Der Widerkläger als Halter des von dem Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeuges hat,
gestützt auf den Vortrag der Beklagten, mit einem unstreitigen Schaden
(Reparaturkosten, Auslagenpauschale) in Höhe von EUR 543,65 zuzüglich –
bestrittener - Kosten für Fotos in Höhe von EUR 1,96 Klage gegen die Widerbeklagten
als Halterin/Fahrerin bzw. Haftpflichtversicherer des klägerischen Fahrzeuges erhoben
(10 C 72/06 = 5 C 186/06 AG Rheinbach), die gemäß dem Beschluss vom 12.07.2006
mit dem vorliegenden Verfahren verbunden und seitdem als Widerklage geführt wird.
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Der Widerkläger beantragt,
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die Widerbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn EUR 545,61
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit (04.05.2006 = Zustellung an die Klägerin) zu zahlen.
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Die Widerbeklagten beantragen,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Widerbeklagten tragen entsprechend dem Klagevortrag vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten Bezug
genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines mündlichen Gutachtens des
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Sachverständigen Dipl. Ing. U. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 22.03.2006 (Bl.27 d. A.) und das
Protokoll vom 08.08.2006 (Bl.79 ff. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage und die Widerklage haben teilweise Erfolg.
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1)
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Die Klägerin kann von den Beklagten Ersatz in Höhe von 75% des ihr aufgrund des
Unfallgeschehens vom 21.12.2005 entstandenen Sachschadens verlangen (§§ 7, 17,
18 StVG). Dies ergibt hinsichtlich des eingeklagten Schadens eine berechtigte
Forderung der Klägerin in Höhe von EUR 1.012,05.
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Der Beklagte zu 1) hat den Unfall dadurch (mit-) verursacht, dass er bei dem Einfahren
in den Kreisverkehr die Vorfahrt der Klägerin verletzt hat. Eine Vorfahrtsverletzung liegt
schon dann vor, wenn der Vorfahrtsberechtigte an der zügigen Weiterfahrt gehindert
wird (BGH VersR 67, 779) oder durch den Wartepflichtigen so irritiert wird, dass er eine
Verletzung seiner Vorfahrt befürchten muss. So liegen die Dinge hier. Schon nach dem
eigenen Vortrag der Beklagten hatte der Beklagte zu 1) nicht vor dem Kreis angehalten,
sondern war mit der Vorderfront des Fahrzeuges circa 50 cm in den Kreis eingefahren
und hatte dann erst angehalten. Damit hatte er, wie der Sachverständige überzeugend
dargelegt hat, für die Klägerin einen Anforderungscharakter geboten, auf den die
Klägerin reagieren musste und dem Sachverständigen zufolge auch durch eine
Linksausweichlenkung und durch Bremsen reagiert hat. Für den Beklagten war der
Unfall aus zeitlichen und räumlichen Gründen ohne weiteres vermeidbar, wenn er vor
dem Verkehrskreisel angehalten und das Passieren des Klägerfahrzeuges abgewartet
hätte.
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Demgegenüber haftet die Klägerin selbst lediglich mit der von ihrem Fahrzeug
ausgehenden einfachen Betriebsgefahr. Ein die Betriebsgefahr erhöhendes
Verschulden der Klägerin ist nicht bewiesen. Mit dem Sachverständigen kann mangels
ausreichender Anknüpfungstatsachen nicht festgestellt werden, dass die Klägerin etwa
für die örtlichen Verhältnisse zu schnell und/oder dass sie unaufmerksam gefahren sei.
Andererseits hat die Klägerin aufgrund der Unaufklärbarkeit des Unfallhergangs im
einzelnen aber auch nicht den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 17 Abs.2
StVG geführt.
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Steht somit die grundsätzliche Haftung der Parteien für das Unfallgeschehen fest, so
hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der
Umfang des zu leistenden Ersatzes nach § 17 Abs.1 StVG von den Umständen,
insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder
anderen Teil verursacht worden ist. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hält das
Gericht eine Haftungsverteilung von 25% zu Lasten der Klägerin und 75% zu Lasten der
Beklagten für angemessen. Der Verursachungsbeitrag der Beklagten aufgrund der
durch die Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1) erheblich erhöhten Betriebsgefahr
des PKW W überwiegt den Haftungsanteil der Klägerin aufgrund der einfachen
Betriebsgefahr des PKW Q bei weitem. Andererseits stellt sich die Vorfahrtverletzung
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des Beklagten zu 1) aber auch nicht als so grob dar, dass demgegenüber die (Mit-)
Haftung der Klägerin vollständig zurücktreten müsste.
Die Klägerin hat damit Anspruch auf Ersatz von 75% ihres Sachschadens, der sich wie
folgt errechnet:
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Reparaturkosten gemäß der Rechnung der Firma Q vom 29.12.2005
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EUR 1.066,40
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Die quittierte Rechnung liegt vor. Die Beklagten haben insoweit auch keine
Einwendungen zur Schadenshöhe erhoben.
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Nutzungsausfall 6 Tage à EUR 43,-- = EUR 258,--
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Das Fahrzeug ist ausweislich der Rechnung im Zeitraum vom 23.12. bis 29.12.2005
repariert worden. Damit konnte die Klägerin es jedenfalls 6 Tage unfallbedingt nicht
nutzen. Der Tagessatz ist mit EUR 43,-- nicht im Streit.
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Unkostenpauschale (§ 287 ZPO) EUR 25,--
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42
Summe EUR 1.349,40
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Hiervon 75% =
EUR 1.012,05
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Die zugesprochenen gesetzlichen Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten (§ 4 ZPO)
stehen der Klägerin nach den §§ 280, 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB zu. Aufgrund der
Fristsetzung im Schreiben vom 04.01.2006 sind die Beklagten seit dem 01.02.2006 in
Zahlungsverzug. Eine Verzinsung schon ab Schadenseintritt (22.12.2006) nach § 849
BGB entfällt, da die Klägerin Nutzungsentschädigung beansprucht (BGHZ 87, 38). Die
erstattungsfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten errechnen sich wie folgt:
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Wert: EUR 1.012,05
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0,65 Gebühr (§§ 2 II, 13 RVG, Nr. 2400 VV) EUR 55,25
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Auslagenpauschale (Nr.7002 VV) EUR 11,05
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Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) EUR 10,61
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50
Summe EUR 76,91
51
2)
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Der Widerkläger kann damit seinerseits als Eigentümer des beschädigten PKW W von
den Widerbeklagten Ersatz in Höhe von 25% des ihm aufgrund des Unfallgeschehens
vom 21.12.2005 entstandenen Sachschadens verlangen (§§ 7, 17 StVG, 3 Nr.1, 2
53
PflVG). Hinsichtlich des Haftungsgrundes und der Haftungsverteilung wird auf die
Ausführungen zur Klage verwiesen.
Der Höhe nach ergeben sich folgende Ansprüche:
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Reparaturkosten - unstreitig - netto EUR 518,65
55
Unkostenpauschale - unstreitig - EUR 25,--
56
Kosten für Fotos EUR 1,96
57
Die Kosten sind nicht mit der den allgemeinen Aufwand des Widerklägers abdeckenden
Unkostenpauschale abgegolten, da die Fotos von der Widerbeklagten zu 2) angefordert
worden waren.
58
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59
Summe EUR 545,61
60
Hiervon 25% =
EUR 136,40
61
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.
62
II.
63
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs.1, 92 Abs.1, 708
Nr.11, 711 ZPO.
64
III.
65
Streitwert:
66
Klage: EUR 1.349,96
67
Widerklage EUR 545,61
68
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69
insgesamt EUR 1.895,57
70