Urteil des AG Rheinbach vom 23.01.2007

AG Rheinbach: treu und glauben, eigentümer, verwalter, vollmacht, eltern, zukunft, verwaltung, versammlung, geschwister, stimmenmehrheit

Amtsgericht Rheinbach, 5 II 27/06 WEG
Datum:
23.01.2007
Gericht:
Amtsgericht Rheinbach
Spruchkörper:
5. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 II 27/06 WEG
Schlagworte:
Änderung des Umlageschlüssels, Vertretungsregelung i. d.
Eigentümerversammlung
Normen:
§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEGaF.
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
I. Der unter TOP 4 der Wohnungseigentümerver-sammlung vom
25.10.2006 gefasste Beschluss über die Umlage der Kosten für
Gartenbewässe-rung wird für ungültig erklärt.
II. Der Antrag, den Beschluss der Wohnungseigen-tümerversammlung
vom 25.10.2006 zu TOP 6 (Vertretungsregelung) für ungültig zu erklä-
ren, hilfsweise festzustellen, dass die An-tragstellerin berechtigt ist, sich
bei Eigen-tümerversammlungen durch ihre Geschwister o-der Eltern
vertreten zu lassen, wird zurück-gewiesen.
III.Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Antragstellerin ist Mitglied der Eigentümergemeinschaft "Am Hspeicher 30 – 34" in
S. Sie ist Eigentümerin der Wohnung Nr.14. Grundlage der Eigentümergemeinschaft ist
die Teilungserklärung (TE) vom 23.09.1998 mit der Gemeinschaftsordnung als Anlage I
zur TE (Bl.44 ff d.A.). Die Gemeinschaftsordnung (GO) lautet u.a. wie folgt:
3
"
4
§ 12 GO
5
Nutzungen und Lasten
6
2. Die Verpflichtung jedes Raumeigentümers gegenüber den anderen
Raumeigentümern, alle Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem
Verhältnis seines Miteigentumsanteils zu tragen, richtet sich nach § 16 Abs.2
WEG.
7
Diese Regelung findet keine Anwendung, soweit auf Grund der nachstehenden
Absätze andere Umlageschlüssel festgesetzt werden ..
8
10. Die Eigentümerversammlung kann mit der gemäß § 15 Abs.2 erforderlichen
Stimmenmehrheit ein angemessenes und in der Wohnungswirtschaft übliches
Umlegungsverfahren für einzelne Kostenarten mit Wirkung für das folgende
Wirtschaftsjahr beschließen.
9
...
10
§ 15
11
Eigentümerversammlung
12
4. ...
13
Ein Raumeigentümer kann sich durch einen Bevollmächtigten mit besonderer
schriftlicher Vollmacht vertreten lassen. Ein Raumeigentümer kann sich nur
durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Raumeigentümer
der Gemeinschaft aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen.
14
..."
15
Auf der Eigentümerversammlung vom 25.10.2006 wurden unter anderem die Umlage
der Kosten der Gartenbewässerung nach WE (TOP 4) beschlossen und ein Antrag der
Antragstellerin bezüglich der Vertretung in Eigentümerversammlungen (TOP 6)
mehrheitlich abgelehnt (vgl. Protokoll vom 26.10.2006 - Bl. 6 ff d.A. -).
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der Beschluss zu TOP 4 mangels
Beschränkung auf das folgende Wirtschaftsjahr gegen § 12 Nr.10 GO verstoße und
wegen fehlender Beschlusskompetenz der Versammlung unwirksam sei. Die Umlage
der Kosten nach WE benachteilige zudem die Eigentümer kleiner Wohnungen, zu
denen sie gehöre, unverhältnismäßig gegenüber den Eigentümern größerer
Wohnungen. Die Ablehnung der Teilnahmemöglichkeit auch von bevollmächtigten
Eltern und Geschwistern von Eigentümern an Eigentümerversammlungen (TOP 6)
verwehre ihr quasi die Ausübung des Stimmrechts, da sie sich dauerhaft in England
aufhalte. Insoweit sei die Beschränkungsregelung in § 15 Nr.4 Satz 2 und 3 GO auch in
sich missverständlich und widersprüchlich.
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Die Antragstellerin beantragt,
18
die in der Versammlung vom 25.10.2006 zu TOP 4 (Gartenbewässerung)
und zu TOP 6 (Vertretungsregelung) gefassten Beschlüsse für ungültig zu
erklären, hilfsweise zu TOP 6 festzustellen, dass sie, die Antragstellerin,
berechtigt ist, sich bei Eigentümerversammlungen durch ihre Geschwister
oder Eltern vertreten zu lassen.
19
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Die Antragsgegner beantragen,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Die Antragsgegner halten die Anträge für unbegründet. Hierzu tragen sie vor: Aufgrund
der Ermächtigung nach § 12 Nr.10 GO sei der Umlageschlüssel für die Kosten der
Gartenbewässerung wirksam durch Mehrheitsbeschluss auf WE umgestellt worden.
Eine Erweiterung der Vertretungsmöglichkeit sei nicht geboten, da die Antragstellerin
andere Eigentümer bzw. den Verwalter mit entsprechenden Weisungen für die
Abstimmung beauftragen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten Bezug
genommen.
24
II.
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Die fristgerecht (§ 23 Abs.4 WEG) gestellten Anträge haben nur teilweise Erfolg.
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1)
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Der in der Eigentümerversammlung vom 25.10.2006 zu TOP 4 gefasste Beschluss über
die Umlage der Gartenbewässerungskosten ist gemäß § 43 Abs.1 Nr.4 WEG für
ungültig zu erklären. Der Beschluss ist nicht wie erforderlich einstimmig gefasst worden
und entspricht im übrigen auch nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung.
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Der Beschluss, der die Umlage der Kosten für die Gartenbewässerung entgegen den §§
12 Nr.2 GO, 16 Abs.2 WEG nach WE generell für die Zukunft festlegt, hat keine
Rechtsgrundlage in § 12 Nr.10 GO. Denn danach kann die Eigentümerversammlung mit
Stimmenmehrheit ein anderes Umlegungsverfahren nicht generell, sondern (nur) mit
Wirkung für "das folgende Wirtschaftsjahr" beschließen. Damit bleibt es bei dem
Grundsatz, dass eine generelle Änderung des Verteilerschlüssels für die Zukunft nur
kraft Vereinbarung, also nur einstimmig möglich ist. Ein solcher einstimmiger Beschluss
liegt unstreitig nicht vor. Darüberhinaus widerspricht die Regelung aber auch inhaltlich
den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, da sie die Antragstellerin als
Eigentümerin einer kleinen WE (20822,0000 MEA) gegenüber den übrigen Eigentümern
mit z.T. erheblich größeren WE offenkundig unverhältnismäßig benachteiligt.
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2)
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Der Antrag, den Beschluss zu TOP 6 (Vertretungsregelung) für unzulässig zu erklären,
ist zurückzuweisen. Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt an dem erforderlichen
Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin, da es sich um einen sog. "Negativbeschluss"
handelt, mit dem der Antrag der Antragstellerin auf Erweiterung der
Vertretungsmöglichkeit abgelehnt worden ist und die Antragstellerin insoweit auch
keinen klagbaren Anspruch auf eine Beschlussfassung in ihrem Sinne hat.
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Der insoweit von der Antragstellerin hilfsweise gestellte Feststellungsantrag hat
ebenfalls keinen Erfolg.
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Einer klarstellenden Regelung zu § 15 GO bedarf es nicht, da die Regelung in § 15 Nr.4
Satz 2 und 3 GO nicht unklar oder widersprüchlich ist. Satz 3, wonach sich ein
Raumeigentümer nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen
Raumeigentümer der Gemeinschaft vertreten lassen kann, schränkt lediglich den in Satz
2 enthaltenen allgemeinen Grundsatz ein, nach dem sich ein Eigentümer durch einen
Bevollmächtigten mit besonderer schriftlicher Vollmacht vertreten lassen kann.
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Eine solche Einschränkung des Vertretungsrechts durch Vereinbarung aller Eigentümer,
wie hier in § 15 Nr.4 Satz 3 GO geschehen, ist grundsätzlich zulässig (OLG Köln,
RPfl.89, 405; BGH RPfl. 87, 106) und verstößt entgegen der Ansicht der Antragstellerin
in ihrem Fall auch nicht gegen Treu und Glauben, da sie ihr Stimmrecht dadurch
hinreichend ausüben kann, dass sie einen anderen Wohnungseigentümer bzw. den
Verwalter mit entsprechender Abstimmungsanweisung bevollmächtigten kann. Die von
der Antragstellerin zitierte Entscheidung des AG Hamburg-Wandsbek vom 01.12.2005
(ZMR 2006, 237) steht nicht entgegen, da ihr ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt.
Weder ist vorgetragen, dass die Antragstellerin mit sämtlichen übrigen Eigentümern
zerstritten sei, noch handelt es sich mit vorliegend insgesamt 23 Eigentümern um eine
kleine Wohnungseigentümergemeinschaft.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 47 WEG, 92 Abs. 1 ZPO analog. Danach sind
die Kosten (Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten) angesichts des jeweiligen
Teilunterliegens der Parteien billigerweise gegeneinander aufzuheben.
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Gegenstandswert: EUR 1.000,00
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(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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