Urteil des AG Rheinbach vom 11.06.2002

AG Rheinbach: einstellung des verfahrens, gebühr, ermittlungsverfahren, ordnungswidrigkeit, strafverfahren, verwaltungsbehörde, straftat, begriff, abgabe, vergütung

Amtsgericht Rheinbach, 3 C 403/01
Datum:
11.06.2002
Gericht:
Amtsgericht Rheinbach
Spruchkörper:
Abteilung 3
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 403/01
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Gebührenforderung der
Rechtsanwälte M & Kollegen, Tplatz 3, in N vom 24.09.2001 in Höhe
von 438, 17 Euro (870,- DM) freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a ZPO abgesehen)
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Entscheidungsgründe:
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Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des bestehenden Rechtsschutzvertrages
gemäß den §§ 1 I; 2 I a) S.1, II ARB 1975 (bzw. §§ 1; 2 I i) aa); 2 I j) aa) ARB 1994) einen
Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung der Prozeßbevollmächtigten, die
dem Kläger im Rahmen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und des
Bußgeldverfahrens entstanden sind, abzüglich der bereits gezahlten 803, 80 DM in
Höhe von 438, 17 Euro (870,-DM). Der Kläger ist insoweit gegenüber seinen
Prozeßbevollmächtigten zur Zahlung verpflichtet.
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1.) Als gesetzliche Vergütung i.S. § 2 I a) S.1 ARB 1975 (§ 1 ARB 994) steht den
Prozeßbevollmächtigten für ihre Tätigkeit in dem gegenüber dem Kläger eingeleiteten
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eine volle Gebühr nach den §§ 84 II Nr.1,
83 I Nr.3 BRAGO in Höhe von 1000,- DM zu. Die bei 700,- DM liegende Mittelgebühr ist
von den Prozeßvertretern nach Maßgabe des § 12 I S. 1 BRAGO angemessen erhöht
worden.
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a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei der Einstellung des
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und anschließender Abgabe der Sache
an die Verwaltungsbehörde § 84 II Nr.1 BRAGO einschlägig (vgl. insbesondere AG
Lörrach, NStZ 1999 S.95 (96)). Danach erhält der Verteidiger bei nicht nur vorläufiger
Einstellung des Verfahrens statt einer halben Gebühr nach § 84 I BRAGO eine volle
Gebühr nach § 83 BRAGO, wenn er an dieser Einstellung mitgewirkt hat.
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Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Fahrerflucht
wurde gemäß § 170 II S.1 StPO durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Diese
Einstellung aufgrund des Umstandes, daß die Ermittlungen keinen genügenden Anlaß
zur Erhebung der öffentlichen Klage geben, ist grundsätzlich nicht nur eine vorläufige,
sondern eine endgültige Verfahrenseinstellung i.S.v. § 84 II Nr.1 BRAGO
(Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, § 84 Rn 8). Daran ändert sich auch nichts, wenn wie
vorliegend das Verfahren wegen des Verdachts
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eines Verstoßes gegen eine Strafvorschrift eingestellt wurde, die Sache jedoch zwecks
Ahndung einer eventuell begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß § 43 OWiG an die
zuständige Verwaltungsbehörde abgegeben wurde.
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Die Regelung des § 84 BRAGO steht im Sechsten Abschnitt der BRAGO und damit in
dem Abschnitt über die Gebühren in Strafsachen, so daß schon nach systematischen
Gesichtspunkten das in § 84 BRAGO erwähnte "Verfahren" das Strafverfahren bzw. das
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, bezogen auf Straftaten, gemeint ist (vgl.
AG Lörrach, NStZ 1999 S.95 (96); Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 84 Rn 4;
dies. § 105 Rn 18).
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Nach dem Inhalt des Vernehmungsbogens wurden dem Kläger Verstöße gegen die §§
1, 2, 40 StVO i.V.m. § 24 StVG und § 142 StGB und damit Ordnungswidrigkeiten und
eine Straftat vorgeworfen. Gemäß § 40 OWiG muß die Staatsanwaltschaft im
Strafverfahren eine Tat nicht nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der
Straftatbestände sondern auch unter dem der Ordnungswidrigkeit überprüfen. Stellt die
Staatsanwaltschaft in diesen Fällen das Verfahren im Hinblick auf die Straftat ein, ergibt
sich aus § 43 OWiG, daß die primäre Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und damit
das Strafverfahren endet (vgl. AG Lörrach, NStZ 1999 S.95 (96); Göhler, OWiG § 43 Rn
2). Die Staatsanwaltschaft gibt die Sache gemäß § 43 I OWiG im Hinblick auf die
Ahndung als Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde ab, welche nach § 44
OWiG an die Entschließung der Staatsanwaltschaft, ob eine Tat als Straftat verfolgt wird,
gebunden ist. Zu einer Hauptverhandlung i.S. der §§ 83, 84 BRAGO kommt es bei einer
solchen Einstellung des Straf- bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens
demnach gerade nicht. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des §
84 II BRAGO: Durch Einführung einer verbesserten Vergütung unter den
Voraussetzungen des § 84 II BRAGO soll nämlich die Bereitschaft der Rechtsanwälte
gefördert werden, in geeigneten Fällen durch größeres Engagement im
Ermittlungsverfahren an einer Erledigung ohne Hauptverhandlung mitzuwirken, denn
die Vermeidung einer Hauptverhandlung entspricht nicht nur dem Interesse des
Mandanten, sondern führt zugleich zu einer Entlastung der Justiz (BT-DR. 12/6962
S.57).
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Der Einwand der Beklagten, daß es sich bei einer Verfahrenseinstellung wie der
vorliegenden wegen der Abgabe der Sache an die zuständige Verwaltungsbehörde
gerade nicht um eine solche mit dem Ziel der Endgültigkeit der Einstellung handelt und
dem Rechtsanwalt, auch wenn unter seiner Mitwirkung eine Hauptverhandlung im
Strafverfahren entbehrlich wird, eine entsprechende volle Gebühr nach § 84 II BRAGO
nicht zusteht, trägt nicht. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn sich das
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und das nach dessen Einstellung
eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren als ein einziges Verfahren darstellten und
der Prozeßbevollmächtigte an dessen Ende nur eine Gebühr für seine Tätigkeiten
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geltend machen könnte, es sich also letztlich um "dieselbe Angelegenheit" i.S. von § 13
II S.1 BRAGO handelte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden
Bußgeldverfahren jedoch nicht um "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 13 II S.1 BRAGO;
dabei verkennt das Gericht nicht, daß diese Rechtsfrage in Literatur und
Rechtsprechung höchst umstritten ist (vgl. die umfassende Rechtsprechungs- und
Literaturübersicht in der Anm. von Enders, JurBüro 1998 S.416; ebenso
Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 105 Rn 18).
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Was unter dem Begriff "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 13 I S.1 BRAGO zu verstehen
ist, ist in der BRAGO nicht ausdrücklich geregelt und bedarf demnach der Auslegung. In
Rechtsprechung und Literatur haben sich folgende Voraussetzungen herausgebildet,
bei deren gemeinsamen Vorliegen vom Bestehen einer Angelegenheit im
gebührenrechtlichen Sinne auszugehen ist: es muß ein einheitlicher Auftrag vorliegen,
es muß bei der Verfolgung mehrere Ansprüche oder Vorwürfe der gleiche, einheitliche
Rahmen eingehalten werden und zwischen den einzelnen Gegenständen muß ein
innerer objektiver Zusammenhang bestehen (Enders, JurBüro 1996 S.519;
Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 13 Rn 5; vgl. auch BGH, JurBüro 1972
S.684; ders., JurBüro 1976 S.749).
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Der gleiche, einheitliche Rahmen ist in dem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft das
Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat eingestellt und die Sache zur Verfolgung
einer eventuellen Ordnungswidrigkeit an die zuständige Verwaltungsbehörde
abgegeben hat und der Rechtsanwalt in beiden Verfahren tätig wurde, nicht gegeben.
Den Rahmen für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes geben die Verfahrensordnungen, die
beteiligten Behörden und die verschieden zu qualifizierenden Unrechtsvorwürfe der in
den Verfahren abzuhandelnden Tat vor (AG Iserlohn, JurBüro 1999 S.413; Enders,
JurBüro 1996 S. 519 (520)). Der einheitliche bzw. gleiche Rahmen setzt insoweit auch
voraus, daß sich die Tätigkeit innerhalb derselben Verfahrensordnungen für das
betreffende Gericht oder die Behörde abspielt. Es handelt sich jedoch hier um
unterschiedliche Verfahrensarten vor zwei verschiedenen staatlichen Einrichtungen,
denen auch unterschiedliche Verfahrensordnungen zugrunde liegen (vgl. AG Bühl, ZfS
2001 S.34; AG Düsseldorf, ZfS 2000 S.471; AG Herborn, ZfS 2000 S.408 (409)). Die
BRAGO trägt den getrennten Verfahrensordnungen dadurch Rechnung, daß sie die
Gebühren für verschiedene Verfahren auch in verschiedenen Abschnitten des Gesetzes
regelt (AG Düsseldorf, ZfS 2000 S.471; Buschbell, DAR 1997 S.35 (37)).
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Für das Strafverfahren bestimmt § 87 BRAGO, daß durch die Gebühren nach den §§ 83
ff. BRAGO die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidigers abgegolten wird,
damit konkretisiert aber § 87 BRAGO den Begriff "dieselbe Angelegenheit" des § 13 II
S.1 BRAGO dahingehend, daß als solche Angelegenheit allein die Tätigkeit des
Rechtsanwalts als Verteidiger im Strafverfahren zu sehen ist (AG Lörrach, NStZ 1.999
S.95 (96); Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 105 Rn 18). Die Tätigkeit des
Rechtsanwalts als Verteidiger im Bußgeldverfahren ist demgegenüber innerhalb der
BRAGO in einem anderen, dem siebten Abschnitt geregelt und insoweit von § 87
BRAGO nicht umfaßt, so daß diese Tätigkeit auch nicht mit der Abgeltung der Gebühr
im Strafverfahren abgegolten sein sollen. Schließlich beansprucht § 87 BRAGO über §
105 I BRAGO entsprechende Gültigkeit auch für das Bußgeldverfahren.
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Diese Regelung wird auch nicht durch eine entsprechende Anrechnungsregelung wie
sie z.B. für Erörterungs- und Verhandlungsgebühr in § 31 II BRAGO oder für die Gebühr
im Mahnverfahren und die Prozeßgebühr in § 43 II BRAGO vorgesehen ist,
ausgeschlossen (vgl. auch AG Iserlohn, JurBüro 1999 S.413; AG Westerstede, ZfS 1997
S.112).
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Der fehlende einheitliche Rahmen kann entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl.
auch AG Bochum, r+s 1994 S.464 (465); AG Köln, JurBüro 1998 S.414 (415); LG
Aachen, JurBüro 1992 S.28 (29); LG Kempten, JurBüro 1991 S.967 (68); Mümmler,
JurBüro 1991 S.68) auch nicht dadurch überwunden, daß der Tätigkeit der
Prozeßbevollmächtigten möglicherweise ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt. Das
Kriterium des einheitlichen Auftrages ist nach Auffassung des Gerichts als solches nicht
ausnahmslos und gerade nicht in Fällen wie dem vorliegenden geeignet, "dieselbe
Angelegenheit" i.S.v. § 13 II S.2 zu begründen.Insbesondere ist dieses Kriterium nicht
geeignet, die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, Ordnungswidrigkeiten- bzw.
Bußgeldverfahren und Strafverfahren in der bereits dargelegten Form zu trennen, zu
übergehen. Liegt bereits eine konkrete Wertung des Gesetzgebers im Rahmen eines
Regelwerks vor, so ist diese auch und gerade bei der Auslegung einzelner Begriffe
zugrunde zu legen.
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Zwar wird der Mandant den Rechtsanwalt in der Regel, wie auch im vorliegenden Fall
den Rechtsanwalt ganz allgemein mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen
beauftragen, so daß letztlich sowohl eine Verteidigung gegen den Vorwurf der Straftat
als auch gegen den der Ordnungswidrigkeit erfolgen soll. Gerade bei der Einstellung
des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und Abgabe der Sache an die
Verwaltungsbehörde ist aber nicht absehbar, ob und inwieweit der ursprünglich
beauftragte Rechtsanwalt in einem nur eventuell nachfolgenden Bußgeldverfahren tätig
werden soll. Sofern ein Bußgeldbescheid überhaupt ergeht, obliegt die Entscheidung,
ob dieser hingenommen oder dagegen Einspruch eingelegt werden soll, dem
Mandanten. Der Rechtsanwalt darf insoweit nur tätig werden, wenn der Mandant den
Bußgeldbescheid nicht hinnehmen möchte, d.h. es ist auf jeden Fall eine erneute
Absprache und auch eine erneute Anweisung erforderlich. Nicht anders stellt es sich im
übrigen in dem Fall dar, in dem sich aus der Verkehrsstrafsache bzw. der
Ordnungswidrigkeit zivilrechtliche Angelegenheiten ergeben. Die Beauftragung mit der
Wahrnehmung der rechtlichen Interessen wird in dieser Allgemeinheit auch die
Vertretung in solchen zivilrechtliche Angelegenheiten umfassen. Daß diese nach einer
anderen Verfahrensordnung, vor einer anderen staatlichen Einrichtung beurteilt und
auch gesondert, unabhängig von der im Straf- oder Bußgeldverfahren erhobenen
Gebühr abgerechnet werden, ist jedoch anerkannt.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht auch das mögliche Vorliegen eines
einheitlichen Lebenssachverhaltes allein für die Annahme des Vorliegens "derselben
Angelegenheit" i.S.v. § 13 II S.1 BRAGO nicht aus. Insbesondere ist nach Auffassung
des Gerichts bei Vorliegen einer einheitlichen strafprozessualen Tat i.S.v. § 264 I StPO
dergestalt, daß in dem Lebenssachverhalt zum Strafvorwurf als Minus der Vorwurf einer
Ordnungswidrigkeit bereits enthalten ist, dieser einheitliche Tatbegriff nicht mit dem
Begriff "dieselbe Angelegenheit,, i.S.v. § 13 II S.1 BRAGO gleichzusetzen (so aber AG
Bremen-Blumenthal, ZfS 1998 S.309; AG Bochum, r+s 1994 S.464 (465); AG München,
JurBüro 1999 S.413 AG St. Ingbert, JurBüro 1998 S.415 (416); LG Aachen, JurBüro
1992 S.28 (29); LG Kempten, JurBüro 1991 S.67f.)). Da die BRAGO wie gesehen
hinsichtlich der entstandenen Gebührentatbestände erkennbar nach Verfahrensarten
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unterscheidet (AG Westerstede, ZfS 1997 S.112), ist ein Begriff aus einer dieser
Verfahrensarten schon von daher gerade nicht geeignet, einen einheitlichen,
unterschiedliche Verfahrensarten umfassenden Gebührentatbestand im Rahmen der
BRAGO zu begründen. Es verbleibt vielmehr bei der vom Gesetzgeber getroffenen,
insbesondere auch in § 87 BRAGO ausgedrückten Wertung als getrennt zu verfolgende
und auch abzurechnende Angelegenheiten.
Schließlich ist auch hier auf die anerkannte Handhabe der Abrechnung zivilrechtlicher
Angelegenheiten, die sich aus einer Verkehrsstrafsache oder Ordnungswidrigkeit
ergeben, zu verweisen. Auch diese zivilrechtlichen Angelegenheiten beruhen letztlich
auf dem gleichen Lebenssachverhalt, die Gebühren für die Tätigkeit in solchen
Angelegenheiten sind aber unstreitig von den in §§ 83 ff. BRAGO festgesetzten
Gebühren nicht umfaßt und sind unabhängig von diesen gesondert geltend zu machen.
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b) Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben auch i.S. des § 84 II BRAGO an der
Einstellung des Verfahrens mitgewirkt. Mitwirkung ist jede Tätigkeit des Rechtsanwalts,
die mitursächlich ist, daß das Verfahren vor Beginn der Hauptverhandlung eingestellt
werden kann, sei es durch die Staatsanwaltschaft, sei es durch das Gericht
(Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO § 84 Rn 32), wobei die Nichtursächlichkeit der
Bemühungen des Rechtsanwaltes im Streitfalle von dem Auftraggeber oder dem Dritten,
der die Gebühr zu ersetzen hat, zu beweisen ist (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert,
BRAGO § 84 Rn 11). Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben schriftsätzlich
ausführlich zu den Vorwürfen gegen den Kläger Stellung genommen und erläutert, aus
welchen Gründen sie eine Einstellung des Verfahrens für gerechtfertigt halten sowie
Zusendung der Ermittlungsakten beantragt. Danach hat die Staatsanwaltschaft Berlin
das Verfahren wegen des Vorwurfs einer Straftat eingestellt. Im übrigen hat die insoweit
beweispflichtige Beklagte den Beweis, daß diese Tätigkeiten nicht mitursächlich für die
Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen waren, nicht angetreten.
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c) Nach dem Vorgetragenen erscheint dem Gericht eine Erhöhung der Mittelgebühr
angemessen i.S. des § 12 I S.1 BRAGO. Für die Bestimmung der Gebührenhöhe bei
Rahmengebühren sind grundsätzlich die Kriterien des § 12 I S.1 BRAGO maßgebend.
Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung
aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber,
des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens-
und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. In den Fällen,
in denen sämtliche, insbesondere die genannten Umstände durchschnittlicher Art sind,
also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und
durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie wirtschaftliche
Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen,
soll die sog. Mittelgebühr (Addition von Mindest- und Höchstgebühr und anschließend
Division durch 2) gelten (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 12 Rn 8 m.w.N.,
ders. insbes. für die Tätigkeit in Strafsachen BRAGO § 12 Rn 16). Da der Kläger
Berufskraftfahrer ist und ihm im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen § 142 StGB nicht nur die Eintragung von
"fünf bis sieben Punkten" ins Verkehrszentralregister, auch eine Entziehung der
Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB
Fahrverbotes drohte und damit seine berufliche Existenz bedroht war, hatte die
Angelegenheit weit überdurchschnittliche Bedeutung für den Auftraggeber
(Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 12 Rn 11 m.w.N). Auch der Umfang der
anwaltlichen Tätigkeit (ausführliche Stellungnahme und 50 Seiten Ermittlungsakten)
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und insbesondere der Umstand, daß die Prozeßvertreter an der Einstellung des
Verfahrens gemäß § 84 Il BRAGO mitgewirkt haben, ist nach Auffassung des Gerichts
gebührenerhöhend zu berücksichtigen (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO §
12 Rn 16).
2.) Da es sich nach Auffassung des Gerichts bei dem eingestellten
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden
Bußgeldverfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, steht den
Prozeßbevollmächtigten für deren Tätigkeit in dem nachfolgenden gegen den Kläger
gerichteten Bußgeldverfahren eine Gebühr nach den §§ 105 I, II S.1; 84 II Nr.3 BRAGO
zu. Diese liegt mit den angesetzten 350,- DM um die Hälfte unter der Mittelgebühr und
ist angemessen i.S.v. § 12 I S.1 BRAGO in Ansatz gebracht worden.
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a) Nach §§ 105 I, II; 84 II Nr.3 BRAGO kann der Prozeßbevollmächtigte im
Bußgeldverfahren bei Rücknahme des Einspruchs die volle Gebühr i.S. des § 83 I Nr.3
BRAGO berechnen. § 84 II BRAGO gilt nach richtiger Ansicht schon ausweislich des
Wortlautes von § 105 BRAGO auch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde (vgl.
schon BT-DR 12/6962 S.106; BT-DR 13/7489; Klemm, DAR 1995 S.423; mit
umfassender Rechtsprechungsübersicht Buschbell in DAR 1997 S.35 (36)).
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b) Die von den Prozeßbevollmächtigten für ihre Tätigkeit im Rahmen des
Bußgeldverfahrens in Ansatz gebrachte Gebühr in Höhe von 350,- DM erscheint dem
Gericht angemessen i.S. von § 121 I S.1 BRAGO.
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Zwar ist in der Rechtsprechung umstritten, in welcher Höhe dem in einem
Bußgeldverfahren, insbesondere in einem durchschnittlich gelagerten
Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, tätigen Rechtsanwalt die nach §§ 105 I, II S.1,
83 ff. BRAGO zu berechnenden Gebühren entstehen, nach einer Ansicht ist dabei von
einer Gebühr unterhalb der Mittelgebühr auszugehen, nach anderer Ansicht
grundsätzlich von der Mittelgebühr (vgl. umfangreiche Rechtsprechungshinweise in
Böhme, ARB 1975 § 2 (1) a Rn 2). Soweit hier jedoch mit 350,-DM eine noch um die
Hälfte niedrigere Gebühr als die gemäß §§ 105 I, II S.1, 84 II Nr.3, 83 I Nr.3 BRAGO
festgesetzte Mittelgebühr in Ansatz gebracht wurde, erscheint diese auch nach der
einschränkenden Ansicht unter Berücksichtigung dessen, daß die
Prozeßbevollmächtigten im Rahmen des Bußgeldverfahrens nach Erörterung der
Sachlage mit dem Kläger den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid
zurückgenommen haben, eine Überprüfung des Sachverhaltes auch in
ordnungsrechtlicher Hinsicht
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in der Regel schon im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens
stattfindet, sowie der Bedeutung, welche die gesamte Sache für den Kläger hat, i.S. von
§ 12 I S. 1 BRAGO angemessen. Inbesondere hat die Beklagte die Höhe für das
Ordnungswidrigkeitenverfahrfen nicht konkret angegriffen.
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3.) Es ergibt sich zuzüglich der Gebühren nach §§ 26,27 BRAGO und der
Mehrwertsteuer in Höhe von 16 % sowie der Aktenversendepauschale eine
Gebührenforderung von insgesamt 1673,80 DM.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I S. 1 1. Halbs., 708 Nr. 11,
713 ZPO.
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