Urteil des AG Potsdam vom 14.03.2017

AG Potsdam: öffentlich, pfändung, zahlungsunfähigkeit, rückzahlung, verfügung, rechtsschutzinteresse, zivilprozessordnung, sammlung, quelle, vollstreckungsverfahren

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Gericht:
AG Potsdam
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
35 C 106/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 89 OWiG, § 96 Abs 1 Nr 2
OWiG, § 319a OWiG, § 309 AO,
§§ 309ff AO
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1.) Nachdem das Verwaltungsgericht Potsdam die dort angebrachte Klage - AZ 11 K
1197/08 - an das Amtsgericht Potsdam bindend verwiesen hatte, ist das Amtsgericht zur
Entscheidung berufen.
Die beiden inhaltsgleichen Verfahren vor dem Amtsgericht Potsdam AZ 35 C 106/08 und
dem Verwaltungsgericht Potsdam AZ 11 K 1197/08 wurden verbunden.
2.) Die Klage hat keinen Erfolg. Dies folgt aus folgenden Gründen:
Die Beklagte hatte gegen die Klägerin unter den Aktenzeichen 91192723 am 17.01.2006
und 9119331.9 am 30.05.2006 zwei Bußgeldbescheide über EUR 49,11 sowie EUR 58,55
erlassen. Die beiden Bußgeldbescheide waren bei Einleitung der Vollstreckung durch die
Beklagte rechtskräftig und somit vollstreckbar. Davon geht auch die Klägerin aus.
Mit vorliegender Klage wendet sie sich nicht gegen die Bestandskraft der
Bußgeldbescheide, sondern gegen die Pfändung und Einziehung eines Betrages in Höhe
von EUR 65,21, dessen Zurückzahlung sie begehrt.
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Beklagten vom 29.04.2008 wurde gemäß
deren Forderungsaufstellung der Betrag von EUR 65,21 bei der MBS gepfändet und an
die Beklagte ausgekehrt.
Die Klägerin meint, dass ihr ein Rückzahlungsanspruch zustehe, weil
Vollstreckungsvorschriften nicht eingehalten worden seien. Zudem habe sie, was im
Übrigen unstreitig ist, EUR 60,00 auf die Bußgeldbescheide gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
1. dem Widerspruch vom 10.05.2008 stattzugeben und die Pfändungs- und
Einziehungsverfügung vom 29.04.2008 aufzuheben.
2. Die Pfändung der Beklagten vom 02.05.2008 in Höhe von 65,21 € vom Konto
der Klägerin bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, Konto-Nr., BLZ 160
50000, aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 29.04.2008
aufzuheben.
3. Die Beklagte zu verurteilen, den gepfändeten Betrag in Höhe von 65,21 € an
die Klägerin nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 02.05.2008 zurückzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, dass der von ihr im Wege der Vollstreckung eingezogene Betrag von EUR
65,21 der offene Restbetrag aus obigen Bußgeldbescheiden sei. Ferner vertritt sie die
Ansicht, dass sie geringfügige Geldbußen vollstrecken könne, ohne
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Ansicht, dass sie geringfügige Geldbußen vollstrecken könne, ohne
Schuldnerschutzvorschriften zu verletzen, da vermögenslosen Parteien ansonsten ein
Freibrief für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten zustehen würde.
Der Verwaltungsvorgang der Landeshauptstadt Potsdam der an das Verwaltungsgericht
übersandt worden war, lag bei Abfassung der Entscheidung vor.
3.) Ein öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung der 65,21 € nebst
Zinsen steht der Klägerin nicht zu. Zwar ist das Institut des öffentlich rechtlichen
Erstattungsanspruches dann anerkannt, wenn Geldbußen ohne Rechtsgrund
zwangsweise beigetrieben worden sind, mit der Folge, dass die öffentliche Hand diese
zurückzuzahlen hat (Karlsruher Kommentar, OWI, § 89 RZ 16). Im vorliegenden Falle
liegen die Voraussetzungen für ein öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die
Beklagte allerdings nicht vor.
Unstreitig hat die Klägerin an die Beklagte auf die oben genannten Bußgeldbescheide in
der Vergangenheit ratenweise EUR 60,00 gezahlt. Es verblieben allerdings aus den
Bescheiden noch offene Forderungen von EUR 47,66 die sich um Mahn- und
Vollstreckungskosten erhöht haben. Die Forderungsaufstellung der Beklagten vom
29.04.2008, die mit einer offenen öffentlich rechtlichen Forderung in Höhe von EUR 65,21
abschließt, begegnet somit keinen Bedenken. Die Klägerin hat im Übrigen gegen die
Rechnungsposten im Einzelnen auch keine Einwendungen erhoben. Sie ist mit Verfügung
des Gerichts vom 05.10.2009 darauf hingewiesen worden, dass die
Forderungsaufstellung der Beklagten vom 29.04.2008 gerechtfertigt sein dürfte. Auch
dies war für die Klägerin keine Veranlassung, Einwendungen gegen die Forderung der
Beklagten zu substantiieren.
Der Klägerin steht auch kein öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch zu, weil
Pfändungsvorschriften verletzt worden wären. Gemäß § 89 OWIG sind
Bußgeldentscheidungen vollstreckbar, wenn sie rechtskräftig geworden sind. Diese
Voraussetzung lag bei Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 29.04.2008
vor. Gemäß den §§ 12 VWVG des Landes Brandenburg i. V. m. § 309 ff. AO
(Abgabenordnung) ist die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zurecht ergangen, da
eine öffentlich rechtliche Forderung in Höhe von EUR 65,21 bestanden hat.
Entgegen der Ansicht der Klägerin braucht die Vollstreckungsanordnung dem
Betreffenden nicht mitgeteilt zu werden; ferner braucht der Vollstreckung eine Mahnung
nicht vorauszugehen (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, § 90 RZ 9 u 11).
Gemäß § 319 a OWIG gelten bei der Pfändung von Forderungen die
Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 bis 852 ZPO sinngemäß.
Allerdings sind dabei folgende Besonderheiten zu beachten, die sich daraus ergeben,
dass eine Geldbuße keine übliche Geldschuld ist. Der Staat braucht sie daher nicht wie
ein gewöhnlicher Gläubiger beizutreiben (Göhler, a.a.O. § 96 RZ 2). Vielmehr wird von
dem Schuldner bei der Begleichung von Geldbußen eine besondere Mitwirkung verlangt.
Wenn eine Geldbuße nicht gezahlt wird, kann sogar unter den Voraussetzungen des § 96
OWIG die Anordnung der Erzwingungshaft erfolgen. Dabei geht das Gesetz davon aus,
dass nur im Falle der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 96 I Nr. 2 OWIG dies zu
unterbleiben hat. Zahlungsunfähigkeit liegt erst dann vor, wenn der Zahlungspflichtige
auch bei Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten, z.B. dem Verkauf von
Gegenständen, der Einschränkung der Lebenshaltung sowie der Aufnahme einer
zumutbaren Arbeitstätigkeit schlechterdings nicht in Lage ist, die Geldbuße zu bezahlen.
Auch wenn Sozialleistungen bezogen werden und nach den Vorschriften der
Zivilprozessordnung kein pfändbares Einkommen zur Verfügung steht, bewirkt dies
daher keinen generellen Schutz gegenüber der Vollstreckung einer Geldbuße. Wenn
Einkommen und Vermögen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen, so ist eine
Vollstreckung nicht generell unzulässig, da ansonsten diesem Personenkreis die
sanktionslose Begehung von Ordnungswidrigkeiten möglich wäre (so Landgericht
Lüneburg, Beschluss vom 05.06.2009, DAR 2009 Seite 471, m.w.N. LG Potsdam,
Beschluss 14.9.06 2 S 108/06). Unter Berücksichtigung obiger Umstände konnte die
Beklagte den geringen Betrag von EUR 65,21 pfänden, zumal sie der Klägerin
Ratenzahlungen angeboten hatte.
Ein öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung des Betrages von EUR
65,21 steht der Klägerin daher nicht zu. Auch ihre weiteren Ausführungen zur
Unrechtmäßigkeit der Pfändung sind unzutreffend und führen zu keinem anderen
Ergebnis.
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4.) Der Antrag der Klägerin, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 29.04.2008
aufzuheben, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung war zurecht ergangen, da der Beklagten als
Vollzugsbehörde die Vollstreckung der Bußgeldbescheide oblegen hat, soweit in der
Vergangenheit keine Zahlung erfolgt war; ergänzend wird auf obige Ausführungen
verwiesen.
5.) Der Antrag auf Aufhebung der Pfändung ist nicht begründet. Nach Abschluss der
Vollstreckungsmaßnahme, die zurecht erfolgt ist, insoweit wird auf obige Ausführungen
verwiesen, besteht für den Antrag auf Aufhebung einer Pfändung kein
Rechtsschutzinteresse, da das Vollstreckungsverfahren mit Auszahlung des Betrages
von EUR 65,21 an die Beklagte erledigt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 ZPO.
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