Urteil des AG Potsdam vom 10.07.2008

AG Potsdam: holding, quelle, wahrscheinlichkeit, bestätigung, link, vertragsschluss, ausschluss, bedürfnis, rechtfertigungsgrund, sammlung

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Gericht:
AG Potsdam
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 C 25/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 19
Abs 1 Nr 1 AGG, § 19 Abs 1 Nr 2
AGG, § 21 AGG
Diskriminierung durch Bonitätsprüfung vor Abschluss eines
Neukundenvertrages durch ein Mobilfunkunternehmen und
Beweislastverteilung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120
% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages, sofern nicht die Beklagte
vorher Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin reichte am Samstag den 07.07.2007 online einen Kundenauftrag gerichtet
auf den Abschluss eines Mobilfunkvertrages mit der Beklagten bei dieser ein. In dem
Kundenauftrag befinden sich Angaben zum Geschlecht, dem Alter und zur
Staatsangehörigkeit der Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kundenauftrags
wird auf diesen verwiesen (vgl. Anlage B 1, Bl. 25 d. A.).
Mit Schreiben vom 16.07.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Beklagte vor
Bestätigung eines Mobilfunkvertrages eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchführe. Wegen
des Inhalts dieses Schreibens wird auf dieses verwiesen (vgl. Bl. 5 d. A.).
Mit Schreiben vom 18.07.2007 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem mit:
„Jede Entscheidung über die Bestätigung der Ablehnung basiert auf freien sachlichen
Gründen und erfolgt ausschließlich auf Grund der von Ihnen auf dem Kundenauftrag
angegebenen personenbezogenen Daten. Die Ablehnung Ihres Vertrages beruht
ausschließlich auf firmeninternen Kriterien.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
das Schreiben verwiesen.
Mit Schreiben vom 20.08.2007 teilte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten
mit, dass sowohl bei der infoscore Consumer Data GmbH und bei der Schufa keine
Negativeintragungen vorlägen.
Mit Schreiben vom 28.08.2007 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem Folgendes
mit:
„Die Entscheidung über die Annahme eines Neukundenantrages wird auf Grund der
Informationen, die wir von der Schufa oder anderen Wirtschaftsauskunftsteilen erhalten,
getroffen. Des Weiteren fließen in den Entscheidungsprozess interne Bonitätskriterien
ein, über die wir keine Auskünfte erteilen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
Schreiben vom 28.08.2007 verwiesen (vgl. Bl. 12 d. A.).
Die Klägerin trägt vor, dass eine Benachteiligung gem. § 19 Abs. 1 AGG vorliege. Dazu
führt sie aus, dass sie zwei Mobilfunkanschlüsse benötige, einen für die private und einen
für die berufliche Nutzung. Genau diese Anzahl habe die Klägerin im Sommer 2007
unterhalten. Die Klägerin habe überdies einen dieser Verträge gekündigt und sich um
einen kostengünstigeren Ersatz, nämlich um das Sondergebot Flaterate der Beklagten
gekümmert. Dabei habe es sich um einen Mobilcom Vertrag (D1-Vertrag), gehandelt,
der zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt gewesen sei. Überdies habe die Klägerin
wegen der Ablehnung des Vertragsangebotes durch die Beklagte einen weiteren Antrag
bei der Fa. O² gestellt, der aber wegen des abgelehnten Antrages bei der Beklagten
ebenfalls abgelehnt worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichtes
gestelltes Schmerzensgeld zu bezahlen, mindestens jedoch 750,00 EUR;
2. der Klägerin Schadenersatz in Höhe von 559,30 EUR für die außergerichtliche
Inanspruchnahme des Unterzeichners zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass ihre Entscheidung über die Annahme von Kundenaufträgen
nach rein sachlichen Kriterien erfolge und dass dies maßgeblich von der Beurteilung des
Kreditrisikos abhänge, da bei Laufzeitverträgen der Kunde die von der Beklagten
erbrachten Leistungen erst nach Erbringung dieser Leistungen bezahle. Das Risiko von
Forderungsausfällen sei bei den von der Beklagten angebotenen Flaterateverträgen
hoch, so viele Telefonate in andere Mobilfunknetze oder die Anwahl kostenpflichtiger
Servicenummern innerhalb kurzer Zeit sehr hohe Gebühren verursachen könnten. Die
Bonitätsprüfung am 09.07.2007 habe ergeben, dass zur Klägerin bei der SCHUFA-
Holding AG ein Negativmerkmal sowie ein ungünstiger Scorewert vorgelegen habe.
Unter anderem habe die Beklagte von der SCHUFA-Holding am 09.07.2007 die Auskunft
zu zwei bestehenden Mobilfunkverträgen vom 11.03.2007 und 14.06.2007 erhalten,
wobei davon auszugehen sei, dass diese Verträge wie üblich zwei Jahre liefen und dass
die Klägerin frühestens zum 11.03.2008 und zum 14.06.2009 diese Verträge hätte
kündigen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf alle zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie die
sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht auch kein Schmerzensgeldanspruch gemäß §§ 1, 19, 21 AGG, 253
BGB zu.
Die Klägerin ist nicht aus Gründen wegen ihrer ethnischen Herkunft, wegen des
Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei
der Begründung eines zivilrechtlichen Massengeschäfts gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG oder
eines gleichgestellten Geschäfts nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG benachteiligt worden.
Bei dem von der Klägerin angestrebten Geschäft handelt es sich um ein Massengeschäft
i. S. v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Ein solches liegt vor, soweit diese typischerweise ohne
Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen einer Vielzahl von Fällen angeboten
werden. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der von der Klägerin beantragten
Flaterate die Beklagte ihrerseits mit den von ihr zu erbringenden Leistungen in
Vorleistung tritt, da es sich insoweit um standardisierte Kreditgeschäfte handelt, die
Massengeschäften gleichzustellen sind.
Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte sie wegen einer der ein
§§ 1, 19 AGG genannten Gründe benachteiligt habe.
Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor. Eine solche liegt
nur dann vor, wenn eine Person gerade auf Grund eines verpönten Merkmals eine
weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren
Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (Vgl. BeckOK AGG § 3 Rn. 2).
Auch eine mittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 2 AGG liegt nicht vor. § 3 Abs.
2 AGG verbietet auch mittelbare Benachteiligungen. Eine solche liegt immer dann vor,
wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen
wegen eines geschützten Merkmals gegenüber anderen Personen in besonderer Weise
benachteiligen, es sei denn diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein
rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels
angemessen und erforderlich.Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine
Benachteiligung gegeben ist, wenn sie durch ein rechtmäßiges Zielsachlich
gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich
sind. Trotz vorliegender Benachteiligung soll es sich nicht um eine zulässige mittelbare
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sind. Trotz vorliegender Benachteiligung soll es sich nicht um eine zulässige mittelbare
Diskriminierung handeln, wenn eine Regelung oder Maßnahme auf Faktoren beruht, die
objektiv gerechtfertigt sind. Um dies beantworten zu können, muss danach gefragt
werden, ob a) ein objektiver Rechtfertigungsgrund vorliegt, was der Fall ist, wenn die
Regelung einem legitimen Bedürfnis oder Ziel der Beklagten entspricht, b) das gewählte
Mittel zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist und c) das gewählte Mittel erforderlich ist
(vgl dazu BeckOk AGG § 3 Rn 8). Im Rahmen des AGG ist der Ausschluss von
Bonitätsrisiken jedoch ein legitimes Ziel, sodass eine mittelbare Benachteiligung
gerechtfertigt wäre. Die Beklagte hat insoweit nachvollziehbar dargetan, dass anlässlich
einer Abfrage bei der SCHUFA-Holding vom 09.07.2008 den Vertragsschluss aufgrund
eines Negativeintrags sowie ungünstiger Score-Werte und zweier
Telekommunikationskonten abgelehnt habe. Dies stellt bereits eine objektiv
gerechtfertigte Maßnahme dar.
Daraus lässt sich auch kein Indiz im Sinne des § 22 AGG herleiten, die eine
Benachteiligung vermuten lassen. Die Klägerin trifft insoweit die volle Darlegungslast. Sie
hat also alle Tatsachen vorzutragen, die zur substantiierten Darlegung des
Lebenssachverhalts gehören, der den vom Diskriminierungsverbot umfassten
Tatbestand erfüllt. Zunächst hat sie schlüssig darzulegen, dass sie gegenüber einer
anderen Person benachteiligt (ungünstig behandelt) worden ist. Nach § 22 AGG reicht es
zwar aus, wenn im Streitfall die eine Partei, hier die Klägerin, Indizien beweist, die eine
Benachteiligung vermuten lassen. Dann trägt die andere Partei, im Streitfall also die
Beklagte, die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz
vor Benachteiligung vorgelegen hat. Daher ist die erste Frage, ob die von der Klägerin
behaupteten Tatsachen überhaupt eine Ungleichbehandlung vermuten lassen.
Hinsichtlich des weiter erforderlichen Umstands, dass diese Ungleichbehandlung auch
auf einem der in §§ 1, 19 AGG genannten Gründe beruht, genügt allerdings der Vortrag
von sogenannten Vermutungstatsachen, aus denen auf eine unzulässige
Benachteiligung geschlossen werden kann. Bloße Mutmaßungen „ins Blaue hinein„
genügen hierfür freilich nicht. Danach sind einerseits Erklärungen ins Blaue hinein
unzulässig, andererseits ist zu beachten, welche Informationen eine Prozesspartei
überhaupt zugänglich sind. Auch muss das Vorliegen der Tatsachen nicht voll bewiesen
werden, sondern auch hier reicht ebenso wie im einstweiligen Rechtsschutz wiederum die
überwiegende Wahrscheinlichkeit. Die Tatsache muss nicht zu einem zwingenden
Schluss der geschlechts- religions- oder altersbedingten Benachteiligung führen,
sondern es reicht, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung bedeutet. Erforderlich ist vielmehr der
Vortrag konkreter Anhaltspunkte, die – gegebenenfalls auch nur in ihrer Gesamtheit –
den Rückschluss auf eine Diskriminierung nahe legen (Vgl. BeckOK AGG § 22 Rn. 2).
Die Klägerin hat jedoch keinen substantiierten Vortrag hinsichtlich der von ihr
behaupteten Diskriminierungstatbestände vorgebracht, so dass ihr auch kein
Schmerzensgeldanspruch zusteht.
Nach alledem kann die Klägerin auch nicht Ansprüche auf Ersatz der außergerichtlich
entstandenen Anwaltskosten geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 750,00 EUR.
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