Urteil des AG Potsdam vom 02.11.2010

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Gericht:
AG Potsdam
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 C 246/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 02.11.2010 bleibt aufrechterhalten.
Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung wegen der
Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten unter anderem Vollkasko versichert mit einer
Selbstbeteiligung von 500,00 €.
Er meldete bei dieser einen am 21.09.2009 in Italien ohne Fremdbeteiligung erlittenen
Schaden an, dessen Behebung 3.212,25 € verursachte. Der Kläger war mit seiner
Ehefrau auf dem Weg von Faenza nach Verona an einer Engstelle ca. 15 bis 20 km/h vor
Verona mit dem Pkw eine Felswand entlang geschrammt. Nachdem er und seine
Ehefrau am Unfallort den linken Seitenspiegel notdürftig repariert hatten, setzten sie
ihre Fahrt nach Verona fort. Die Polizei wurde nicht informiert.
In dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien wurden die Allgemeinen
Bedingungen für Kraftfahrtversicherungen (AKB) einbezogen. In Buchstabe E 1.1 heißt es
unter „Anzeigepflicht“: „Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadensereignis, das zu einer
Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche anzuzeigen“.
Unter Buchstabe E 1.3. ist unter der Überschrift „Aufklärungspflicht“ vereinbart: „Sie
sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann.
Dies bedeutet insbesondere, dass sie unsere Fragen zu den Umständen des
Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den
Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu
ermöglichen…“.
Buchstabe E 6.1 lautet unter der Überschrift „Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung“
wie folgt: „Verletzten Sie vorsätzlich eine Ihrer in E 1 bis E 5 geregelten Pflichten, haben
sie keinen Versicherungsschutz“. (Bl. 31 d. A.).
Nachdem der Kläger erstmals mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vom
24.11.2009 von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 2.712,25 € verlangt hatte,
forderte die Beklagte ihn mit Schreiben vom 25.11.2009 zur Unterschrift und
Rücksendung eines Belehrungsblattes sowie der Schadensanzeige auf, was am
07.12.2009 durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte. Durch Schreiben
vom 11.12.2009 korrigierte dieser das Unfalldatum, welches er versehentlich zuvor mit
dem 22.09.2009 angegeben hatte, auf den 21.09.2009 und machte weitere Angaben zur
Präzision der Fahrstrecke und des Unfallorts. Unter dem 24.12.2009 teilte die Beklagte
dem Kläger schriftlich mit, dass ihre Eintrittpflicht aufgrund der vom Kläger
überschrittenen Unfallanzeigefrist von sieben Tagen nicht gegeben sei. Auch nach dem
der Kläger durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.01.2010 ein
ärztliches Attest der Dr. med. H... Sch... vom 05.01.2010 eingereicht hatte, wonach
dieser aufgrund der Situation, wegen erheblicher Beschwerden im Sinne einer reaktiven
Depression, nicht in der Lage gewesen sei, eine Schadensmeldung zu formulieren, hielt
die Beklagte an ihrer Ablehnung fest.
Mit Datum vom 18.10.2010 erteilte der Facharzt für Neurologie Dr. med. S... eine
neurologische Bescheinigung, wonach der Kläger aufgrund seiner Gesamtkonstellation
den Unfallschaden verspätet gemeldet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die
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den Unfallschaden verspätet gemeldet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Bescheinigung (Bl. 40 d. A.) verwiesen.
Mit seiner Klage macht der Kläger gegen den Beklagten Schadenersatz in Höhe von
2.712,25 € geltend.
Am 02.11.2010 erging gegen den Kläger Versäumnisurteil, mit welchem die Klage
abgewiesen worden ist. Gegen dieses Urteil legte er mit Schriftsatz vom 08.11.2010,
eingegangen bei Gericht am 09.11.2010, Einspruch ein.
Der Kläger behauptet, er sei aufgrund von Depressionen nicht zu einer rechtzeitigen
Schadensmeldung fähig gewesen. Zudem sei er aufgrund seiner Parkinsonerkrankung
weitestgehend von der Betreuung durch seine Ehefrau abhängig, welche ihn zu einer
schnelleren Reparatur des Pkw gedrängt habe. Wegen einer Vielzahl beruflicher Termine
seiner Ehefrau und Terminen zu Gesundheitschecks habe auch seine Ehefrau eine
rechtzeitige Schadensmeldung versäumt. Der Kläger behauptet weiter, wegen der mit
seinen Depressionen verbundenen Antriebslosigkeit habe er seine Ehefrau auch nicht
mit dem erforderlichen Nachdruck dazu veranlassen können. Die Schadensrechnung
habe ihn auch erst am 26. oder 27.09.2009 erreicht.
Seiner Ansicht nach könne sich die Überschreitung der Anzeigepflicht wegen der
gesundheitlichen Gründe nicht zu seinen Nachteilen auswirken. Zudem habe die
Beklagte den Versicherungsschutz gleich nach Erhalt des ersten Schreibens ablehnen
müssen, ohne noch Fragen zum Unfall und Schaden zu stellen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 02.11.2010 die Beklagte zu
verurteilen, an den Kläger 2.712,25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
dem 30.01.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Die Beklage ist der Ansicht, der Kläger habe seine Aufklärungspflichten verletzt, indem
er den Unfall zunächst verlassen habe ohne die Polizei zu informieren, und die Reparatur
veranlasst habe, ohne den Schaden zuvor zu melden. Daher sei sie von ihrer
Leistungspflicht frei geworden.
Entscheidungsgründe
Der form- und fristgerechte Einspruch des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die
Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von
2.712,25 € aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag.
Wegen Verletzung seiner Anzeige- und Aufklärungspflichten nach Buchstabe E 1.1 und E
1.3 der unstreitig in den Versicherungsvertrag wirksam einbezogenen AKB ist die
Beklagte gem. Buchstabe E 6.1 der AKB von ihrer Leistungspflicht frei geworden, mithin
steht dem Kläger kein Versicherungsschutz zu.
Der Kläger muss sich die Überschreitung der Anzeigepflicht voll zurechnen lassen. Eine
Entschuldigung aufgrund gesundheitlicher Probleme kommt nicht in Betracht, da nicht
nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen er zu einer früheren Schadensmeldung nicht in
der Lage gewesen sein soll. Sein Vortrag hierzu ist völlig unzureichend, worauf er auch
hingewiesen worden ist. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, inwieweit er überhaupt mit
dem Auto nach Italien fahren konnte und dort nach dem Unfall noch in der Lage war den
Seitenspiegel notdürftig zu reparieren, den Schaden zu fotografieren und danach seinen
Urlaub einschließlich der Heimreise mit dem Auto fortsetzen konnte, nicht aber fähig
gewesen sein soll, einen einfachen Anruf bei der Beklagten zu tätigen um den Schaden
anzuzeigen. Zudem ist nicht plausibel, aus welchen Gründen der Kläger den Schaden
nicht polizeilich aufnehmen ließ, um seiner Verpflichtung alles zu tun, was der Aufklärung
des Schadensereignisses dienen kann, nachzukommen.
Auch in Anbetracht der Tatsache, dass er oder seine Ehefrau immerhin das Auto
reparieren ließ und schließlich seinen Prozessbevollmächtigten davon informierte, ist die
Überschreitung der Anzeigepflicht nicht nachzuvollziehen. Überdies sind die vorgelegten
ärztlichen Atteste ungeeignet zum Beweis, dass ihm eine rechtzeitige
Schadensmeldung tatsächlich unmöglich war bzw. dass er dazu seine Ehefrau nicht
veranlassen konnte. Aus diesen ergibt sich insbesondere nicht, dass der Kläger die
ganze Zeit über dermaßen erkrankt war, dass er eine Schadensmeldung nicht hätte
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ganze Zeit über dermaßen erkrankt war, dass er eine Schadensmeldung nicht hätte
vornehmen oder veranlassen können. Sein völlig unsubstantiierter Vortrag zu den
beruflichen und anderweitigen Verpflichtungen seiner Ehefrau und die sich daraus
ergebende Versäumung der rechtzeitigen Schadensmeldung sind ebenfalls nicht
geeignet die Verletzung seiner Pflichten zu rechtfertigen.
Aus diesen Gründen war die Beklagte zur Ablehnung des Schadenersatzes berechtigt.
Dem steht auch nicht entgegen, dass sie zunächst Nachforschungen zum
Schadenshergang angestellt hat, um sich über eine mögliche Ausgleichspflicht zu
informieren. Hierzu war sie nach den vertraglichen Bedingungen verpflichtet, zumal es
ihr erst nach den weiteren Ausführungen des Klägers zum Schadenshergang und dem
Zeitpunkt desselben möglich war, eine Entscheidung zu treffen.
Mangels Hauptanspruch stehen dem Kläger auch die geltend gemachten Zinsen nicht
zu.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 91 I S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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