Urteil des AG Oranienburg vom 16.12.2009

AG Oranienburg: leistungsklage, pfändung, verschulden, drittschuldner, klageänderung, prozess, zwangsvollstreckung, geschäftsführer, abgabe, auskunftspflicht

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Gericht:
AG Oranienburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 C 63/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 263 ZPO, § 840 Abs 1 ZPO, §
840 Abs 2 S 2 ZPO, § 249 BGB
Haftung des Drittschuldners bei verspäteter Abgabe der
Drittschuldnererklärung; Umstellung der Leistungsklage auf
Feststellungsklage
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 16.12.2009 – Az.: 29 C
155/09 – wird aufrechterhalten.
2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen einer unterlassenen
Auskunftserteilung, nachdem der Beklagten ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
zugestellt worden war.
Der Klägerin steht gegen Herrn F. eine Forderung von 7.135,40 € zu, die in dem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Leipzig vom 25.4.1994 tituliert ist. Der
Hauptschuldner und eine Frau P. schlossen am 2.6.2008 mit der Beklagten einen
Mietvertrag über eine Wohnung in der … Straße in …. . Es wurde eine Mietkaution von
1.140,00 € vereinbart. Der Landkreis …. bewilligte ein Darlehen für die Mietkaution und
zahlte den Betrag an die Beklagte aus.
Auf der Grundlage des ihr zustehenden Titels erwirkte die Klägerin den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 24.2.2009, welcher der
Beklagten als Drittschuldnerin am 9.3.2009 zugestellt wurde. Mit dem Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss wurde eine angebliche Forderung des Hauptschuldners gegen
die Beklagte auf Rückzahlung einer Mietkaution von ca. 613,15 € für die Wohnung in der
…. Straße in … gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen.
Die Klägerin behauptet, dass ihr durch die Einreichung und Zustellung der
Zahlungsklage vom 5.5.2009 ein Schaden entstanden sei.
Nach Erhebung einer Zahlungsklage über einen Betrag von 613,55 € nebst Zinsen hat
die Beklagte die Auskunft nach § 840 ZPO erteilt. Die Klägerin hat sodann beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen,
der ihr durch die verspätete Drittschuldnererklärung auf den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss entstanden ist. Gegen die Beklagte ist am 16.12.2009
antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen worden. Gegen das ihr am 30.12.2009
zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit dem bei Gericht am 13.1.2010
eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 16.12.2009 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 16.12.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht bestehe,
weil die Pfändung ohnehin ins Leere gelaufen wäre. Dem Geschäftsführer der Beklagten
könne deshalb auch kein Verschulden zur Last gelegt werden. Außerdem sei die Klägerin
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könne deshalb auch kein Verschulden zur Last gelegt werden. Außerdem sei die Klägerin
verpflichtet gewesen, vor Erhebung einer Zahlungsklage die Beklagte außergerichtlich
zur Erteilung der Auskunft aufzufordern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Aufgrund des Einspruchs ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor dem Erlass des
Versäumnisurteils versetzt worden. Der Einspruch ist zulässig. Er ist statthaft sowie
form- und fristgerecht im Sinne der §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.
Die Klage ist zulässig. Die Klageänderung der Klägerin ist als sachdienlich anzusehen, §
263 ZPO (vgl. BGHZ 79, 275). Sachdienlich ist eine Klageänderung immer dann, wenn
der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die
Zulassung der Klageänderung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen
neuen Prozess vermeidet. Es ist für die Klägerin unzumutbar und auch
prozessunökonomisch, sie auf einen neuen Prozess, in dem sie einen bezifferten
Schaden geltend müsste, zu verweisen, wenn die Beklagte erst nach Klageerhebung
ihrer Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft nachkommt. Dabei muss auch
berücksichtigt werden, dass der Anspruch auf Erteilung der Auskunft nicht einklagbar ist.
Der Klägerin blieb danach nur die Möglichkeit, die angeblich auf sie übergegangene
Forderung im Wege der Leistungsklage gegen die Beklagte geltend zu machen.
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Es besteht ein Schadensersatzanspruch der
Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO auf Ersatz des durch die
verspätete Drittschuldnererklärung entstandenen Schadens.
Der Beklagten oblag die Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 840 Abs. 1 ZPO. Ihr wurde
wirksam ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt. Auch enthielt dieser
Beschluss die Aufforderung der Klägerin an die Drittschuldnerin zur Abgabe der
Drittschuldnererklärung.
Die Beklagte kann gegen den Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht einwenden,
dass eine Pfändung der Klägerin ohnehin ins Leere gegangen wäre (vgl. OLG Schleswig
NJW-RR 1990, 448). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob dem Hauptschuldner die
angebliche Forderung tatsächlich gegen die Beklagte zustand oder nicht. Der
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergeht in einem streng formalisierten
Verfahren. Der Rechtspfleger prüft nicht, ob der vom Gläubiger behauptete Anspruch
des Schuldners tatsächlich besteht. Vielmehr genügt es, dass dem Schuldner die
Forderung aus irgendeinem Rechtsgrund zustehen kann. Es wird daher immer nur eine
"angebliche" Forderung gepfändet. Die Pflicht zur Auskunft nach § 840 Abs. 1 ZPO trifft
danach nicht nur den tatsächlichen Drittschuldner, sondern jeden, der in einem
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als Drittschuldner bezeichnet wird. Außerdem
konnte die Klägerin ohne Weiteres davon ausgehen, dass der gepfändete Anspruch
beitreibbar ist und diesen ohne Kostenrisiko einklagen, wenn der Drittschuldner die nach
§ 840 Abs. 1 ZPO erforderliche Erklärung unterlässt. Ergibt nämlich die Einlassung des
Drittschuldners im Rahmen der Leistungsklage, dass die geltend gemachte Forderung
nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist, so kann der Gläubiger auf eine
Schadensersatzklage übergehen. Dem Gläubiger steht nämlich dann gemäß § 840 Abs.
2 S. 2 ZPO ein Anspruch auf Erstattung der ihm bis dahin entstandenen Kosten für das
Erkenntnisverfahren zu (vgl. BGH, Urteil vom 4.5.2006, Az.: IX ZR 189/04). Aufgrund
dieser Erwägungen ist jedenfalls ein Schaden, der durch die Einleitung des
Erkenntnisverfahrens der Klägerin entstanden ist, auch dann kausal auf die unterlassene
Auskunft der Beklagten zurückzuführen, wenn die Pfändung ohnehin ins Leere gegangen
wäre. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch der Fall wäre, wenn die Klägerin weitere
Schäden (z. B. die gepfändete Forderung) geltend macht. Ausweislich des eigenen
Vortrages der Klägerin (Schriftsatz vom 19.6.2009, S. 4, 1. Absatz) ist dies nämlich nicht
der Fall.
Die Beklagte hat die bestehende Auskunftspflicht auch in schuldhafter Weise verletzt.
Die Beklagte hat die verlangte Erklärung nicht in der vorgesehenen Zweiwochenfrist
sondern erst im Verlauf des Verfahrens abgegeben. Dass die Drittschuldnerin kein
Verschulden trifft, hat diese darzulegen und zu beweisen (vgl. BGHZ 79, 275). Bereits
nach dem Vortrag der Beklagten ist dies nicht der Fall. Allein die Tatsache, dass in dem
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ein Betrag von 613,55 € als Mietkaution
genannt wurde, kann nicht zu der Annahme führen, dass die Drittschuldnerin nicht zur
Auskunft verpflichtet war, weil der Vorgang einem Mietverhältnis nicht zugeordnet
werden kann. Aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergibt sich eindeutig,
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werden kann. Aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergibt sich eindeutig,
wer der Hauptschuldner ist, wo dieser wohnt und dass eine Mietkaution gepfändet wird.
Es war der Beklagten damit ohne Weiteres möglich, den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss dem Mietvertrag zuzuordnen. Dies zeigt auch die Tatsache,
dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag den Vorgang zur „Mieterakte“
genommen hat. Außerdem ist die Beklagte unmissverständlich und eindeutig in der
Zustellungsurkunde zur Auskunft aufgefordert worden. Dass dem Geschäftsführer der
Beklagten offenbar bekannt war, dass die Pfändung ins Leere gehen dürfte, führt
ebenfalls nicht zu der Annahme, dass die Beklagte kein Verschulden an der verspäteten
Auskunft trifft. Zweck der Auskunftspflicht ist es, der Klägerin Informationen darüber zu
verschaffen, welchen Risiken sie bei der Rechtsverfolgung ausgesetzt ist. Insbesondere
soll sie erfahren, ob die Beklagte die gepfändete Forderung als begründet anerkennt und
erfüllen wird oder ob sie bestritten und die Klägerin deshalb nur im Erkenntnis- und
Vollstreckungsverfahren die Forderung durchsetzen kann. Aus diesem Grund steht die
Erteilung der Auskunft nicht zur Disposition der Drittschuldnerin. Würde der Einwand der
Beklagten, dass ein Verschulden bereits dann zu verneinen sei, wenn der
Drittschuldnerin bekannt sei, dass die Pfändung ins Leere gehe, berechtigt sein, wäre
jedoch genau dies der Fall.
Letztendlich ist auch das Vorgehen der Klägerin, indem sie sofort ohne eine weitere
außergerichtliche Aufforderung die Leistungsklage eingereicht hat, nicht treuwidrig. Die
Klägerin ist berechtigt, ohne eine weitere außergerichtliche Aufforderung, die
Leistungsklage einzureichen, wenn die Auskunft nach § 840 Abs. 1 ZPO bei ihr nicht
fristgemäß eingeht (vgl. BGH, Urteil vom 4.5.2006, Az.: IX ZR 189/04).
Gemäß § 249 BGB ist die Klägerin so zustellen, als wäre ihr die Auskunft rechtzeitig
erteilt worden. Danach haftet die Beklagte auf den Schaden, der durch den Entschluss
der Klägerin entstanden ist, die Forderung klageweise geltend zu machen. Soweit die
Beklagte einen Schaden bestreitet, ergibt sich dieser bereits aus der vorliegenden
Verfahrensakte. Die Klägerin hat einen Prozessbevollmächtigten beauftragt und eine
Leistungsklage bei Gericht eingereicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Soweit die Beklagte rügt, dass das
Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist, kann dies für die
Kostenentscheidung dahinstehen. Die Beklagte ist im Rechtsstreit unterlegen. § 344
ZPO kommt nur dann zur Anwendung, wenn infolge des Einspruchs eine abändernde
Entscheidung erlassen wird. Eine Rechtsgrundlage, aufgrund derer das Versäumnisurteil
für gegenstandslos erklärt werden könnte, besteht nicht. Gemäß § 343 ZPO ist das
Versäumnisurteil auch dann aufrechtzuerhalten, wenn das Versäumnisurteil prozessual
nicht ordnungsgemäß ergangen ist, das zu erlassende Endurteil jedoch inhaltlich mit
dem Versäumnisurteil übereinstimmt (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO, 3 Auflage, §
343, Rdn 11).
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
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