Urteil des AG Obernburg vom 09.07.2009

AG Obernburg: abtretung, auflösung der gesellschaft, widerklage, auszahlung, anfechtung, abgabe, kaufvertrag, gesellschafter, zahlungsunfähigkeit, zwangsvollstreckung

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 41/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 01.02.2008 verkündete Urteil der 27.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01.02.2008 verkündete Urteil der 27.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main abgeändert. Der Kläger wird
verurteilt, an die Beklagte Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2008 aus 27.500,-- Euro zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten des
zweiten Rechtszugs haben der Kläger 95 % und die Beklagte 5 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der sich aus diesem Urteil ergebenden
Geldforderung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der sich aus diesem Urteil ergebenden
Geldforderungen in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien verlangen mit Klage und Widerklage in erster Linie jeweils die Freigabe
eines auch zu ihren Gunsten hinterlegten Geldbetrages.
Der Hinterleger A, der sich seinerzeit in Untersuchungshaft befand und der auch
heute noch Strafhaft verbüßt, beauftragte die Beklagte, seine damalige
Strafverteidigerin, gemäß Vereinbarung vom 26.05.2004 mit der Veräußerung von
drei Grundstücken, die im Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts,
bestehend aus Herrn A und Herrn B, standen. Außerdem trat er seinen
„Kaufpreisanteil aus dem Verkauf“ an die Beklagte ab (Bl. 30 d.A.). Mit notariellem
Kaufvertrag vom 24.11.2006 verkauften A und B als Gesellschafter einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Grundstück …-Straße … in O1. Nach dem
notariellen Kaufvertrag belief sich der Herrn A zustehende Kaufpreisanteil auf
27.500,-- EUR. Die Verkäufer A und B vereinbarten in dem notariellen Kaufvertrag
ferner, dass Herr B den auf Herrn A entfallenden Kaufpreisanteil beim Amtsgericht
Obernburg hinterlegt zu Gunsten der Beklagten, des Klägers, der Anwaltskanzlei C
sowie der D (Bl. 89 – 103 d.A.). Gemäß Hinterlegungsantrag vom 20.01.2007
hinterlegte Herr B für Herrn A im Februar 2007 den Betrag von 27.500,-- EUR u. a.
zu Gunsten der Parteien (Bl. 11 d.A.).
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zu Gunsten der Parteien (Bl. 11 d.A.).
Der Kläger war seinerzeit Prozessbevollmächtigter des Herrn E. Herr E war Inhaber
einer gemäß Vollstreckungsbescheid des Landgerichts Darmstadt vom 13.03.2006
rechtskräftig titulierten Forderung von 20.248,01 EUR nebst Zinsen und Kosten
gegen Herrn A. Herr E, vertreten durch den Kläger, erwirkte einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 24.07.2006, wonach
aufgrund der im Vollstreckungsbescheid titulierten Forderungen die angeblichen
Ansprüche des Schuldners A gegen Herrn B, den Mitgesellschafter der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts, am Gesellschaftsvermögen der BGB-
Gesellschaft, sowie die Ansprüche auf Kündigung der Gesellschaft, auf Auszahlung
des Auseinandersetzungsguthabens sowie auf Auskunft und Rechnungslegung
gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurden (Bl. 23 d.A.). Dieser Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss wurde an Herrn B am 15.08.2006 zugestellt.
Am 12.02.2007 gab Herr A, vertreten durch die Beklagte, ein notarielles
Schuldanerkenntnis wegen einer Forderung von 100.000,-- EUR zu Gunsten des
Herrn E ab und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein
Vermögen (Bl. 13 d.A.).
Schon vor diesem Rechtsstreit erklärte die D die Freigabe des auch zu ihren
Gunsten hinterlegten Betrages. Mit Schreiben vom 14.02.2008 erklärten ferner die
Anwälte C und Kollegen sowohl für sich als auch für die von ihnen vertretenen
Mandanten ebenfalls die Freigabe des hinterlegten Betrages.
Am 24.07.2007 trat Herr E seine Ansprüche aus dem Vollstreckungsbescheid des
Landgerichts Darmstadt vom 13.03.2006 an den Kläger ab. Mit Schreiben vom
31.08.2007 forderte die Beklagte den Kläger zur Abgabe der Freigabeerklärung bis
spätestens zum 07.09.2007 auf (Bl. 116 d.A.).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses vom 24.07.2006 an dem hinterlegten Betrag materiell
berechtigt zu sein. Die Abtretung an die Beklagte vom 26.05.2004 sei unwirksam,
weil Herrn A keine Anteile an einem eventuellen Verkaufserlös zugestanden
hätten, sondern allenfalls ein Anteil am Gesamthandsvermögen der BGB-
Gesellschaft, welche aber von dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
erfasst sei. Jedenfalls habe die Beklagte die Abtretung anfechtbar erlangt. Hierzu
hat der Kläger behauptet, dass Herr A zahlungsunfähig gewesen sei. Wegen seiner
offensichtlichen Vermögenslosigkeit seien Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
bisher nicht erfolgreich gewesen. Da die Beklagte Herrn A seit Jahren vertreten
habe, habe sie auch seine finanzielle Situation gekannt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den zu ihren Gunsten beim Amtsgericht Obernburg
zu … hinterlegten Betrag von 27.500,-- EUR in Höhe von 24.837,39 EUR zuzüglich
anteiliger Hinterlegungszinsen freizugeben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
widerklagend,
1. den Kläger zu verurteilen, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts
Obernburg in die Auszahlung des unter dem Aktenzeichen … hinterlegten
Betrages von 27.500,-- EUR nebst angefallenen Zinsen auf dem
Hinterlegungskonto an die Widerklägerin einzuwilligen,
2. den Kläger zu verurteilen, an die Widerklägerin Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2007 aus 27.500,-- EUR
zu zahlen.
Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Abtretung vom 26.05.2004 an dem
hinterlegten Betrag materiell berechtigt zu sein. Die Pfändung und Überweisung
von gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen des Herrn A gehe ins Leere. Da sich der
Kläger mit der Freigabeerklärung in Verzug befinde, habe er Verzugszinsen auf
den hinterlegten Betrag zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
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Das Landgericht Frankfurt hat die Klage durch am 01.02.2008 verkündetes Urteil
abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, gegenüber der
Hinterlegungsstelle die begehrte Freigabeerklärung abzugeben; im Übrigen hat
das Landgericht die Widerklage abgewiesen (Bl. 160 – 170 d.A.).
Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.02.2008 zugestellte Urteil des Landgerichts
am 22.02.2008 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel gleichzeitig begründet.
Auch der Kläger hat gegen das ihm am 06.02.2008 zugestellte Urteil am
25.02.2008 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 07.04.2008 (einem
Montag) begründet.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die abgewiesene Zinsforderung weiter. Sie
macht geltend, dass ihr jedenfalls seit der Freigabeerklärung der Anwaltskanzlei C
gemäß Schreiben vom 14.02.2008 ein Zinsschaden wegen des Verzuges des
Klägers mit der Freigabeerklärung entstanden sei.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 01.02.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt den Widerbeklagten zu verurteilen, an die Widerklägerin Zinsen in Höhe
von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2007 aus einem
Betrag von 27.500,-- EUR zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
2. unter Abänderung des am 01.02.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt/Main die Beklagte zu verurteilen, den zu ihren Gunsten beim Amtsgericht
Obernburg zu … hinterlegten Betrag von 27.500,-- EUR in Höhe von 26.357,82 EUR
zuzüglich anteiliger Hinterlegungszinsen freizugeben und die Widerklage
abzuweisen.
Der Kläger macht mit der Berufung geltend, dass das Landgericht verkannt habe,
dass die Abtretung an die Beklagte vom 26.05.2004 ins Leere gehe. Denn die
Abtretung habe den Anteil des Herrn A am Gesamtvermögen der GbR betroffen.
Es habe sich nicht um Abtretung eines Gewinnanteiles gehandelt. Da sich Herr A
zur Zeit der Abtretung bereits in Untersuchungshaft befunden habe, liege nahe,
dass die BGB-Gesellschaft habe auseinandergesetzt werden sollen. Jedenfalls
gehe die Pfändung vom 24.07.2006 der Abtretung vom 26.05.2004 vor. Da Herr A
künftige Kaufpreisansprüche abgetreten habe, habe deren Wirksamkeit erst mit
Begründung der Kaufpreisansprüche gemäß der notariellen Urkunde vom
26.11.2006 eintreten können. Zu dieser Zeit sei jedoch der Gesellschaftsanteil des
Herrn A bereits gepfändet gewesen. Falls die Abtretung an die Beklagte wirksam
sei, sei die Klage jedenfalls wegen der Anfechtung der Abtretung gemäß §§ 3, 4
AnfG begründet. Bei der Abtretung an die Beklagte handele es sich um eine
inkongruente Deckung, so dass der Benachteiligungsvorsatz des Herrn A indiziert
werde. Die Wirkung der Rechtshandlung sei zu einem Zeitpunkt eingetreten, als
aus Sicht der Beklagten Anlass bestanden habe, an der Liquidität des Herrn A zu
zweifeln. Das ergebe sich daraus, dass die Beklagte Herrn A schon vor der
Abtretung anwaltlich vertreten habe, wie der geltend gemachte Honoraranspruch
von etwa 70.000,-- EUR zeige. Die Beklagte habe auch gewusst, dass Herrn A in
dem Strafverfahren die Verursachung von Schäden in der Größenordnung von 14
Mio. EUR durch Betrug zur Last gelegt worden sei. Deshalb habe für die Beklagte
auf der Hand gelegen, dass A zahlungsunfähig war. Da Herr A auf die von der
Beklagten vorgelegte Forderungsabrechnung zumindest bis zum 15.06.2007
monatlich mindestens 2.000,-- EUR gezahlt habe, dürfte deren Forderung gegen
Herrn A erloschen sein, so dass sie keine Rechte mehr aus der Abtretung geltend
machen könne.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
In Bezug auf die Anfechtung der Abtretung behauptet die Beklagte, sie gehe auch
heute noch davon aus, dass Herrn A nicht die Zahlungsunfähigkeit drohe. Bei ihm
bestehe nur ein Liquiditätsengpass, da sein Vermögen in Immobilien investiert sei,
die erst verkauft werden müssten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf deren Schriftsätze
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf deren Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Die im Verhandlungstermin am 18.06.2008 an ihn gerichtete Frage, ob mit
Rücksicht auf die Erörterung der Sache und Hinweise ein Schriftsatznachlass
gewünscht werde, hat der Kläger verneint.
II.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die
Klage auf Abgabe der Freigabeerklärung abgewiesen und den Kläger auf die
Widerklage zur Abgabe dieser Erklärung zu Gunsten der Beklagten verurteilt. Der
Kläger ist nicht aufgrund des zu Gunsten des Herrn E ergangenen Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Darmstadt vom 24.07.2006 in
Verbindung mit der Abtretung dieser Ansprüche an ihn vom 24.07.2007 an dem
hinterlegten Betrag materiell berechtigt. Das gilt schon deshalb, weil ein
Pfändungspfandrecht zwar auch bei Einzelrechtsnachfolge auf den neuen
Gläubiger übergeht (§ 401 BGB), die zur Geltendmachung des
Pfändungspfandrechts erforderliche Titelumschreibung (Zöller/Stöber, 26. Aufl.,
ZPO § 804 Rn. 12) auf den Kläger aber bisher nicht vorliegt. Die fehlende
Umschreibung des Titels führt jedenfalls dazu, dass der Kläger das nur mit dem
Pfändungspfandrecht begründbare bessere Recht an der Forderung, die Herr A an
die Beklagte abgetreten hat, nicht geltend machen kann.
Die Forderung des Herrn A auf den anteiligen Kaufpreis aus der Veräußerung des
Grundstücks in O1 ist wirksam an die Beklagte abgetreten worden.
Aufgrund der Abtretung vom 26.05.2004 ist die Beklagte an dem hinterlegten
Betrag materiell berechtigt, so dass der Kläger seine formelle Beteiligung am
Hinterlegungsverfahren im Verhältnis zur Beklagten ohne Rechtsgrund erlangt hat
und entsprechend der Widerklage im Rahmen des Herausgabeanspruchs aus §
812 Abs. 1 BGB zur Freigabeerklärung verpflichtet ist. Zu Recht und mit
zutreffenden Gründen hat das Landgericht die Abtretungsvereinbarung dahin
ausgelegt, dass es sich bei dem abgetretenen Anspruch nicht um den Anspruch
des Zedenten auf Zahlung seines Auseinandersetzungsguthabens nach
Beendigung der Gesellschaft handelt, obgleich mit Verkauf des letzten der drei
Grundstücke und Verteilung des sich hieraus ergebenden Erlöses kein
Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden sein würde. Denn für eine – eventuell
auch nur konkludente – Aufhebungsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern zur
Zeit der Abtretung ist nichts ersichtlich. Auch handelte es sich bei der
abgetretenen Forderung nicht um einen Anspruch auf Gewinnverteilung gem. §
721 Abs. 2 ZPO. Vielmehr bezog sich die Abtretung ersichtlich auf den
Einzelanspruch des Zedenten auf Auszahlung des anteiligen Erlöses nach Verkauf
des in Rede stehenden Grundstücks der Gesellschaft als Einzelgegenstand mit
Zustimmung des weiteren Gesellschafters B.
Die Abtretung dieses Anspruchs an die Beklagte geht auch nicht deshalb ins
Leere, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter
B am 15.11.2006 die Auflösung der Gesellschaft gemäß § 728 Abs. 2 BGB eintrat.
Zwar fand von diesem Zeitpunkt an die Auseinandersetzung der Gesellschaft
statt. In diesem Stadium werden Einzelansprüche der Gesellschafter regelmäßig
zu unselbständigen Rechnungsposten und können deshalb nicht mehr isoliert
geltend gemacht – auch nicht abgetreten – werden. Der Kläger und sein
Mitgesellschafter B waren sich jedoch einig, wie der notarielle Kaufvertrag vom
24.11.2006 zeigt, dass der Erlös nicht als unselbständiger Rechnungsposten für
die Auseinandersetzungsbilanz behandelt werden sollte, sondern dass die
Einzelansprüche aus der vereinbarten Erlösverteilung bestehen bleiben sollten.
Der Eintritt des Liquidationsstadiums hinderte deshalb die Entstehung eines
rechtlich selbständigen Einzelanspruchs aus dem Grundstücksverkauf vom
24.11.2006 und dessen Übergang auf die Beklagte nicht.
Die Klage hat auch nicht wegen des hilfsweise geltend gemachten
Rückgewähranspruchs wegen der Anfechtung der Abtretung nach dem hier allein
in Betracht kommenden § 3 AnfG Erfolg. Der Rückgewähranspruch nach § 7 AnfG
kann zwar darauf gehen, dass der Anfechtungsgegner in die Auszahlung eines
hinterlegten Betrages einwilligen muss (BGH NJW 1990, 716, 718). Hier indes fehlt
es an den Voraussetzungen der Anfechtung nach § 2 AnfG. Der Kläger hat nicht
dargelegt, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des
Landgerichts Darmstadt vom 13.03.2006 nicht zu einer vollständigen Befriedigung
geführt hat oder dass anzunehmen ist, dass sie zu einer vollständigen
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geführt hat oder dass anzunehmen ist, dass sie zu einer vollständigen
Befriedigung nicht führen werde. Der erfolglos gebliebene Vollstreckungsversuch
aus der vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 12.02.2007 am 11.01.2008 in der
Justizvollzugsanstalt ist deshalb nicht aussagekräftig, weil der Schuldner A
unstreitig über Immobilienvermögen verfügt. Dessen Zahlungsunfähigkeit und die
Aussichtslosigkeit weiterer Vollstreckungsversuche ist nicht dargetan. Aus der von
dem Kläger vorgelegten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Darmstadt vom
02.08.2005 (Bl. 149 ff. d.A.) ergibt sich, dass Herr A Inhaber von 25 Firmen ist oder
an ihnen jedenfalls beteiligt ist. Über den Wert dieser Geschäftsbeteiligungen und
über sonstiges Vermögen des Herrn A ist nichts bekannt. Ebenfalls ist nichts
bekannt bzw. vorgetragen zu den eingeforderten fälligen Verbindlichkeiten des
Herrn A. Die Anklageschrift, die von einem verursachten Schaden in der
Größenordnung von 14 Mio. EUR ausgeht in Verbindung mit der Verurteilung zu
einer langjährigen Freiheitsstrafe spricht zwar dafür, dass wegen Betruges
zahlreiche Verbindlichkeiten in Millionenhöhe bestehen. Es ist jedoch nicht
ersichtlich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang durch Herrn A geschädigte
Gläubiger Forderungen gegenüber diesem verfolgen. Mit Rücksicht darauf und
ebenfalls mit Rücksicht auf die von Herrn A an die Beklagte auch während seiner
Haft geleisteten Zahlungen ist nicht ersichtlich, dass anzunehmen ist, dass die
Zwangsvollstreckung nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Klägers führen
werde. Aus den gleichen Gründen ist auch die Zahlungsunfähigkeit des Herrn A
nicht dargelegt.
Es ist für die Entscheidung ohne Belang, ob und in welcher Höhe der Klägerin noch
Vergütungsansprüche gegen Herrn A zustehen. Denn die Wirksamkeit der
Abtretung ist vom Bestand derartiger Ansprüche nicht abhängig.
Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Der Beklagten steht wegen
verzögerter Freigabe des hinterlegten Geldes in entsprechender Anwendung von §
288 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen zu. Die
entsprechende Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB in derartigen Fällen ist deshalb
gerechtfertigt, weil der Schuldner zwar nicht das hinterlegte Geld schuldet, aber
die Auszahlung des Geldes an den Gläubiger allein von der Freigabeerklärung des
Schuldners abhängt und die Freigabeforderung einen Geldbetrag zum Gegenstand
hat (BGH NJW 2006, 2398). Der aufgrund des Schreibens der Beklagten vom
31.08.2007 eingetretene Verzug des Klägers mit der Abgabe der
Freigabeerklärung ab dem 08.09.2007 konnte jedoch erst nach Zugang der
Freigabeerklärung der Rechtsanwälte C und Kollegen einen Verzugsschaden bei
der Beklagten bewirken. Die Forderung auf Zahlung von Verzugszinsen ist deshalb
erst seit dem 16.02.2008 – dem Zeitpunkt des angenommenen Zugangs des
Schreibens der Rechtsanwälte C und Kollegen vom 14.02.2008 – begründet. Sie ist
auch nur in Höhe des sich aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB ergebenden gesetzlichen
Zinssatzes gerechtfertigt. Verzugszinsen in Höhe des in § 288 Abs. 2 BGB
genannten Zinssatzes kann die Beklagte deshalb nicht beanspruchen, weil der
Hauptforderung nicht ein Rechtsgeschäft, sondern ein bereicherungsrechtlicher
Anspruch zugrunde liegt.
Die Kosten des ersten Rechtszuges fallen gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO allein dem
Kläger zur Last. Denn die Zuvielforderung der Beklagten war verhältnismäßig
geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst. Die Pflicht zur Tragung der
Kosten des zweiten Rechtszugs ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Zwar
ist auch hier das Unterliegen der Beklagten verhältnismäßig geringfügig (etwa 5 %
vom Gesamtstreitwert). Jedoch hat die Zuvielforderung der Beklagten wegen der
durch die weitere Zinsforderung ausgelösten Erhöhung des Streitwertes zu einem
Gebührensprung und damit zu höheren Kosten geführt, so dass § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO nicht anwendbar ist.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht
vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.