Urteil des AG Nürtingen vom 09.06.2009

AG Nürtingen: original, meinung, bevollmächtigung, zwangsvollstreckungsverfahren, mangel, versicherung, form, rechtsberatung, legitimation, vollmachten

AG Nürtingen Beschluß vom 9.6.2009, 1 M 1611/09
Nachweis der Vollmacht eines Inkassounternehmens im Zwangsvollstreckungsverfahren
Leitsätze
Ein Inkassounternehmen hat im Zwangsvollstreckungsverfahren seine Bevollmächtigung durch die Vorlage einer Vollmacht im Original
nachzuweisen. Die Vorlage einer Telefaxkopie genügt nicht. Das Fehlen einer Vollmacht ist von Amts wegen vom Gericht (bzw. Gerichtsvollzieher)
zu berücksichtigen.Inkassounternehmen können in Massenverfahren eine schriftliche Vollmacht bei Gericht allgemein hinterlegen.
Tenor
Die Erinnerung der Gläubigervertreter gegen die Weigerung des OGV P., den Zwangsvollstreckungsauftrag zu erledigen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Zum Sachverhalt:
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Das Vollstreckungsgericht unterstellt, dass die Gläubigerin im Besitz eines Titels ist, der sie berechtigt, zwangsvollstreckungsweise gegen den
Schuldner vorzugehen.
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Einen entsprechenden Vollstreckungsauftrag hat die Fa. F. dem Gerichtsvollzieher erteilt.
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Mit Schreiben vom 13.05.2009, vgl. Bl. 4 der Gerichtsakten, hat sich der Gerichtsvollzieher an die F. gewandt und folgendes ausgeführt:
„Aufgrund neuer gesetzlicher Vorschriften werden Sie gebeten, eine Inkassovollmacht im Original vorzulegen. Das Vollstreckungsgericht beim
Amtsgericht Nürtingen fordert für die Durchführung des Zwangsvollstreckungs(-auftrages) sowie Verfahrens zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung die Vorlage einer Originalvollmacht für jeden neuen Vollstreckungsantrag.“
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Mit Schreiben vom 18.05.2009, vgl. Bl. 3 der Gerichtsakten, hat sich die Fa. F. an den Obergerichtsvollzieher gewandt und folgendes ausgeführt:
„Aufgrund Ihres Schreibens vom 13.05.2009 teilen wir mit, dass der Inkassoauftrag vom Gläubiger unterschrieben und uns am 11.03.2002 (richtig
wohl 2009) per Telefax übersandt wurde. Die Vorlage des Originals ist daher nicht möglich, weil uns dieses nie zugegangen ist. Es ist inzwischen
herrschende Meinung in der Rechtsprechung, dass jegliche Art von Auftrag - somit auch ein Inkassoauftrag - per Telefax erteilt werden kann. Es
kann dann aber nicht verlangt werden, dass das Auftragsschreiben im Original vorgelegt wird. Sofern Sie an Ihrer Rechtsauffassung festhalten,
bitten wir um rechtsmittelfähige Zurückweisung unseres Antrages.“
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Mit Schreiben vom 26.05.2009 hat der Obergerichtsvollzieher reagiert und sich wie folgt erklärt: „In oben genannter Sache erhalten Sie die
Vollstreckungsunterlagen zurück, nachdem die angeforderte Originalvollmacht nicht vorgelegt worden ist. Ihre Auffassung im Schreiben vom
18.05.2009 kann ich leider nicht teilen. Sollten Sie anderer Meinung sein, stelle ich anheim, Erinnerung beim Vollstreckungsgericht des
Amtsgerichts Nürtingen einzulegen. In der Anlage übersende ich die Vollstreckungsunterlagen. Die entstandenen Kosten bitte ich auf mein
Dienstkonto zu überweisen.“
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Mit Schriftsatz vom 05.06.2009, vgl. Bl. 1 der Gerichtsakten haben die im Rubrum aufgeführten Rechtsanwälte mitgeteilt, dass sie sowohl die
Gläubigerin als auch das von dieser mit dem Forderungseinzug beauftragte Inkassounternehmen F. vertreten. Ordnungsgemäße
Bevollmächtigung wurde versichert. Gegen die beigefügte (gemeint ist das Schreiben vom 26.05.2009) Entscheidung des Gerichtsvollziehers
Ulrich P. wird hierdurch Erinnerung eingelegt.
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Zur Sachverhaltsdarstellung wurde folgendes ausgeführt: „Der Gerichtsvollzieher verweigert die Durchführung eines
Zwangsvollstreckungsauftrages mit der Begründung, dass die Vollmacht (in Form eines dem Inkassounternehmen erteilten Auftrages) nicht im
Original, sondern als Telefaxauszug vorgelegt wurde.
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Es ist jedoch inzwischen herrschende Meinung in der Rechtsprechung, dass nahezu jede Art von Vertragsschluss auch per Telefax erfolgen
kann. Dementsprechend begnügt sich das Inkassounternehmen damit, dass ihm Aufträge von Gläubigern lediglich per Telefax übermittelt
werden.
10 Selbst Gerichtsvollzieher führen in der Regel bestimmte Aufträge durch, wenn diese per Telefax erteilt wurden. So werden oftmals
Zahlungsverbote gem. § 845 ZPO wegen der Eilbedürftigkeit lediglich per Telefax an den zuständigen Gerichtsvollzieher übermittelt, welcher
dann die Zustellung an den Drittschuldner vornimmt. Auch werden Antragsrücknahmen oder Erweiterungen laufender Vollstreckungsaufträge
stets akzeptiert, wenn die Übersendung per Telefax erfolgt “.
11 Es wird daher beantragt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, den ihm erteilten Auftrag auszuführen und hierbei die bereits in Ansatz gebrachten
Kosten anzurechnen.
II.
12 Aus dem dargestellten Sachverhalt geht hervor, dass die anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin nicht etwa beschieden haben
wollen, dass der Gerichtsvollzieher tätig werden muss, wenn sich Rechtsanwälte für den titelmäßig ausgewiesenen Gläubiger durch anwaltliche
Versicherung legitimieren, ohne eine schriftliche Vollmacht vorzulegen, vielmehr soll die Frage beschieden werden, ob ein nichtanwaltlicher
Bevollmächtigter durch Vorlage der Kopie eines Telefax-Auftragsschreibens oder des Originals eines Telefax-Auftragsschreibens ausreichend
legitimiert ist.
13 Die Erinnerung war zurückzuweisen, da der Gerichtsvollzieher zu Recht die Durchführung des Vollstreckungsauftrages ablehnte, nachdem der
nichtanwaltliche behauptete Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin die angeforderte Originalvollmacht nicht vorgelegt hat und auch nicht
angekündigt hat, diese vorzulegen.
14 Es entspricht ganz allgemeiner Meinung, dass die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Bevollmächtigte und Beistände, vgl. §§ 78 ff ZPO
auch auf das Zwangsvollstreckungsverfahren Anwendung finden. Außerhalb eines Anwaltsprozesses kann gem. § 83 Abs. 2 ZPO eine Vollmacht
für einzelne Prozesshandlungen erteilt werden. So etwa für die Vornahme von Zwangsvollstreckungsanträgen, vgl. hierzu Zöller ZPO, 26. Aufl., §
83 Randnr. 4.
15 Wenn das eingeschaltete Inkassounternehmen eine registrierte Person nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes ist, vgl.
hierzu auch § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, in der ab 01.07.2008 geltenden Fassung, ist das Inkassounternehmen prinzipiell als Bevollmächtigter
vertretungsbefugt.
16 § 80 ZPO verlangt ebenso prinzipiell, dass die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist. Sie kann nachgereicht werden, hierfür
kann das Gericht eine Frist bestimmen.
17 Gem. § 88 Abs. 2 ZPO hat das Gericht (im Vollstreckungsverfahren der Gerichtsvollzieher) den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu
berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.
18 So liegt es hier, das Inkassounternehmen ist kein Rechtsanwalt.
19 Wie sich aus § 89 Abs. 2 ZPO ergibt, kann die Vollmacht, ohne an eine besondere Form gebunden zu sein, erteilt werden.
20 Damit ist jedoch der Vorschrift des § 80 ZPO noch nicht genüge getan. Der Nachweis der Vollmacht kann lediglich durch Einreichung der
schriftlichen Vollmacht geführt werden. Dies entspricht der unangefochten gebliebenen Auffassung des Bundesgerichtshofs, vgl. Urteil vom
07.03.2002, Aktenzeichen VII ZR 193/01.
21 Nachdem das für die Gläubigerin tätig gewesene Inkassobüro eine derartige Vollmacht nicht vorzulegen sich im Stande sah, hat der
21 Nachdem das für die Gläubigerin tätig gewesene Inkassobüro eine derartige Vollmacht nicht vorzulegen sich im Stande sah, hat der
Gerichtsvollzieher seine Tätigkeit zu Recht abgelehnt.
22 Die Ausführungen in der Erinnerungsschrift vom 05.06.2009, soweit auf die Praxis abgestellt wurde, wie der Vollstreckungsauftrag erteilt werden
kann, sind zutreffend, wie sich ohne weiteres aus der Lektüre des § 754 ZPO ergibt.
23 Davon jedoch ist strikt zu unterscheiden der Nachweis der Vollmacht eines nicht anwaltlichen Vertreters, der für den im Titel ausgewiesenen
Gläubiger handelt.
24 Im Ergebnis stellt sich die gesetzliche Regelung als eine erkennbare Privilegierung des anwaltlichen Verfahrensvertreters dar, der im Hinblick
auf § 88 ZPO eben nicht von vorn herein eine schriftliche Vollmacht zu seiner Legitimation vorzulegen hat. Vielmehr wird die Frage der
Bevollmächtigung eines auftretenden Anwalts nur aufgeworfen, wenn der Gegner den Mangel der Vollmacht rügt.
25 Bei nichtanwaltlichen Bevollmächtigten ist jedoch in jedem Falle die Vollmacht im Original zu den Gerichtsakten einzureichen. Telefax-
Vollmachten reichen hierzu nicht aus.
26 Das erkennende Gericht ist allerdings der Auffassung, dass zur Erleichterung von Massenverfahren Gläubiger bei einem Gericht für einen
bestimmten nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten allgemein eine schriftliche Vollmacht hinterlegen kann. Dies ist im hier strittigen
Verfahren jedoch nicht geschehen.
27 Nach allem war daher die Erinnerung zurückzuweisen.