Urteil des AG Nürtingen vom 30.12.2002

AG Nürtingen: elterliche sorge, gesetzliche vertretung, einspruch, eltern, vertragsschluss, bezahlung, abrede, vollstreckung, anscheinsvollmacht, vollstreckbarkeit

AG Nürtingen Urteil vom 30.12.2002, 12 C 2070/02
Elterliche Sorge: Zustimmung beider Elternteile für Fitnessstudio-Vertrag eines Minderjährigen
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 21.11.2002 – 12 C 2070/02 – wird aufrecht erhalten.
2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 1.340,60 Euro.
Tatbestand
1
Mit der Klage macht die Klägerin abgetretene Ansprüche auf Mitgliedsbeiträge für ein Fitness-Studio gegen den Beklagten geltend.
2
Der am ... geborene Beklagte schloss am 20.1.2002 mit Wirkung zum 1.4.2002 beim Fitness-Studio ... einen Mitgliedsvertrag über 24 Monate,
beginnend mit dem 1.4.2002 und endend zum 31.3.2002, für monatlich 49,90 Euro. Außerdem wurde bei Vertragsschluss vereinbart, dass der
Beklagte im Februar 2002 unentgeltlich trainieren durfte und für März 2002 25,00 Euro bezahlen sollte, bei Vertragsabschluss ferner eine
einmalige Servicegebühr von 102,00 Euro. Für den Beklagten unterschrieb den Vertrag sein Vater ..., nicht jedoch seine Mutter ....
3
In der Folge bezahlte der Beklagte die Mitgliedsbeiträge nicht, sondern ließ über seinen Prozessbevollmächtigten das Vertragsverhältnis mit
Schreiben vom 25.4.2002 kündigen. In der Folge trat die ... ihre Ansprüche auf Mitgliedsbeiträge an die Klägerin ab, die nun für die Zeit vom
1.4.2002 bis 31.3.2004 24 Mitgliedsbeiträge zu jeweils 49,90 Euro, also 1.197,60 Euro, als Beitrag für März 2002 25,00 Euro, die Servicegebühr
von 102,00 Euro und daneben Bankkosten für Rücklastschriften i.H.v. 16,00 Euro, insgesamt also 1.340,60 Euro nebst Zinsen und Inkassokosten
gegen den Beklagten geltend macht.
4
Die Klägerin bestreitet, dass auch die Mutter des Beklagten seine gesetzliche Vertreterin sei. Selbst dann sei der Mahnbescheid richtig beantragt
und es fehle nicht an einer wirksamen Vertretungsberechtigung. Es genüge, dass der Mahnbescheid nur einem Elternteil zugestellt worden sei,
denn das entspreche dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs und der Regelung des § 171 Abs. 3 ZPO.
5
Ausdrücklich bestritten werde, dass die Mutter des Beklagten nicht gewusst habe, dass der Vertrag mit der ... abgeschlossen worden sei. Selbst
wenn die Mutter des Beklagten bis zum Vertragsschluss keine Kenntnis von diesem gehabt haben sollte, sei bei lebensnaher Betrachtung
anzunehmen, dass der Vater des Beklagten jedenfalls mit Anscheinsvollmacht gehandelt habe. Die ... habe annehmen müssen, dass der Vater
des Beklagten in Vertretung der Mutter gehandelt habe.
6
Der Beklagte ließ zunächst am 10.9.2002 Vollstreckungsbescheid i.H.v. 1.340,60 Euro nebst 7,57 % Zinsen ab 1.7.2002, 43,31 Euro
Inkassokosten und 238,40 Euro Verfahrenskosten gegen sich ergehen. Gegen den am 13.9. zugestellten Vollstreckungsbescheid legte der
Beklagtenvertreter mit am 16.9.2002 beim Mahngericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein.
7
Im Einspruchstermin vom 21.11.2002 erschien zwar der Beklagte mit seinem Vater und seinem Prozessbevollmächtigten, für die Klägerin jedoch
niemand. Daraufhin erging Versäumnisurteil gegen die Klägerin, mit dem der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 10.9.2002
aufgehoben und die Klage abgewiesen wurde. Auch die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt mit Ausnahme der
Säumniskosten, die beim Beklagten verblieben.
8
Gegen dieses Versäumnisurteil, das der Klägervertreterin am 25.11.2002 zugestellt wurde, legte wiederum diese mit Schriftsatz vom 5.12.2002
Einspruch ein.
9
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 10.9.2002 – ... – aufrecht zu
erhalten und der Klage stattzugeben.
10 Der Beklagte beantragt, das klagabweisende Versäumnisurteil unter Verwerfung des Einspruchs aufrecht zu erhalten.
11 Der Beklagte behauptet, der Mitgliedsvertrag sei nicht wirksam zwischen den Parteien zustande gekommen, weil er lediglich von einem
Elternteil, nämlich dem Vater des Beklagten, ..., unterzeichnet worden sei und nicht auch von der Mutter des Beklagten. Mit der Mutter sei es auch
nicht besprochen worden, dass der Vertrag mit dem Fitness-Studio abgeschlossen worden sei. Schon aus diesem Grund sei das
klagabweisende Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
12 Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Vorbringen der Parteien in den
mündlichen Verhandlungsterminen vom 21.11. und 20.12.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13 Der Einspruch der Klägerin ist zwar zulässig, aber unbegründet.
14 Die Zulässigkeit des Einspruchs gem. § 341 Abs. 1 S. 1 ZPO folgt insbesondere daraus, dass die Klägerin bereits am 5.12.2002 und somit
innerhalb der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO den nach § 338 ZPO statthaften Rechtsbehelf des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil
des Amtsgerichts ... vom 21.11.2002 eingelegt hat.
15 Der Einspruch ist jedoch unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Bezahlung der zunächst mit dem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 10.9.2002 titulierten und anschließend in diesem Rechtsstreit verfolgten Mitgliedsbeiträge
hat.
16 Denn die Klägerin hat trotz Bestreitens des Beklagten nicht einmal versucht zu beweisen, dass der Vertrag des Beklagten vom 20.1.2002 mit der
Zedentin, der ..., wirksam zustande gekommen ist.
17 Denn dieser Vertrag wurde nicht von beiden Elternteilen des minderjährigen Beklagten, sondern nur von dessen Vater ... unterzeichnet.
18 Gem. § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB vertreten jedoch grundsätzlich die Eltern das Kind gemeinschaftlich. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass
es sich beim Beklagten und seinen Eltern um ... Staatsangehörige handelt. Denn gem. Art. 21 EGBGB unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen
einem Kind und seinen Eltern dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, also im vorliegenden Fall dem
deutschen Recht.
19 Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2002 auch angegeben, dass es mit der Mutter nicht besprochen wurde, dass der
Vertrag mit dem Fitness-Studio abgeschlossen wurde.
20 Damit kam aber der Vertrag der Zedentin, der ..., mit dem Beklagten nur mit Zustimmung des Vaters des Beklagten und damit nicht wirksam
zustande, weil beide Eltern gem. § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB ihre Zustimmung hätten geben müssen.
21 Die Klägerin hat zwar in Abrede gestellt, dass die Mutter des Beklagten ebenfalls gesetzliche Vertreterin des Beklagten ist. Das bloße Bestreiten
des Vorliegens der gesetzlichen Regel ist jedoch entschieden zu wenig, um zur Wirksamkeit eines Vertrages mit der Begründung zu gelangen,
es liege eine Abweichung von der gesetzlichen Regel vor. Hierfür hätte die Klägerin zumindest Beweis anbieten müssen, den sie schuldig
geblieben ist. Hierauf hat das Gericht im übrigen auch an der Terminsverfügung vom 5.12.2002 noch einmal eigens hingewiesen.
22 Die Klägerin hat des weiteren in Abrede gestellt, dass die Mutter des Beklagten nicht gewusst habe, dass der Vertrag mit der Zedentin
abgeschlossen worden sei. Beweis hierfür hat sie ebenfalls nicht angeboten. Es wäre jedoch Sache der Klägerin gewesen, Beweis für die
Tatsache anzubieten, dass die Mutter des Beklagten vom Vertragsschluss tatsächlich wusste.
23 Soweit die Klägerin schließlich annimmt, der Vater des Beklagten habe jedenfalls mit Anscheinsvollmacht gehandelt, liegt dieses Argument
ohnehin neben der Sache, da es sich nicht um eine gewillkürte, sondern um eine gesetzliche Vertretung handelt.
24 Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bezahlung der von der ... abgetretenen Mitgliedsbeiträge, weil sie nicht nachgewiesen hat, dass der
Vertrag mit dem Beklagten wirksam zustande kam.
25 Aus diesem Grund musste das klagabweisende Versäumnisurteil vom 21.11.2002 aufrecht erhalten werden.
26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11 und 711 S. 1 und S. 2
ZPO.