Urteil des AG Neuss vom 11.03.1998

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Amtsgericht Neuss, 36 C 515/97
Datum:
11.03.1998
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richterin am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 515/97
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 1. Obergeschoss links des
Hauses D-Straße in ####2 O, bestehend aus 3 Y, Küche, Diele, Bad,
Kellerraum, zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird jedoch nachgelassen, die Vollstreckung des
Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 DM
abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die angeordneten Sicherheitsleistungen können von beiden Parteien
auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des Hauses D-Straße in ####2 O.
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Im Jahre 1965 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über die im 1. Obergeschoss
des genannten Hauses gelegene Wohnung. In den Mieträumen wohnten zunächst der
Beklagte, seine Ehefrau und seine inzwischen volljährige Tochter Ina Y. Die Tochter
des Beklagten zog im Jahre 1992 zu ihrem damaligen Freund. Die Ehefrau des
Beklagten zo aus, nachdem sie un der Beklagte sich getrennt hatten.
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Der Beklagte selbst hält sich seit einiger Zeit, zumindest seit 1996, in dem I-Straße in
####3 Karst bei seiner dort lebenden Freundin auf. Er blieb jedoch in der Wohnung D-
Straße gemeldet und meldete die X-Straße als Zweitwohnsitz an. In welchem Umfang er
die streitgegenständliche Wohnung tatsächlich nutzt, ist zwischen den Parteien
umstritten.
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Im Juli 1997 zog die Tochter des Beklagten wieder in die streitgegenständliche
Wohnung ein. Mit Schreiben vom 17.08.1997, auf das wegen der Einzelheiten
verwiesen wird (Anlage 1 zur Klageschrift, Blatt 3 der Akten), sprach der Kläger dem
Beklagten die förmliche Abmahnung mit der Begründung aus, dass er die Wohnung
unerlaubt an die Tochter überlassen habe. Nachdem der Beklagte seine Tochter
weiterhin in den Mieträumen wohnen ließ, kündigte der Kläger dem Beklagten mit
Schreiben vom 05.09.1997, auf das wegen der Einzelheiten ebenfalls verwiesen wird
(Anlage 2 zur Klageschrift, Blatt 4 der Akten), den Mietvertrag fristlos unter Gewährung
einer Räumungsfrist bis zum 25.09.1997, hilfsweise sprach er die ordentliche
Kündigung zum 30.09.1998 aus. Eine Räumung der Wohnung seitens des Beklagten ist
nicht erfolgt.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte sei nicht berechtigt, die Wohnung ohne sein
Einverständnis der Tochter Ina zu überlassen.
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Der Kläger behauptet, der Beklagte nutzte die Wohnung seit Jahren nicht mehr.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung 1. Obergeschoss links, bestehend
aus drei Y, Küche, Diele, Bad, Kellerraum des Hauses D, ####2 O, zu räumen
und an ihn herauszugeben.
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Hilfsweise beantragt er,
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den Beklagten zu verurteilen, die Überlassung der Wohnung an Frau Y
beenden und diese aus der Wohnung zu entfernen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, er sei als Mieter berechtigt, seine Tochter als nächste
Angehörige in die Wohnung aufzunehmen.
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Er behauptet, er habe die Wohnung durchgängig genutzt, er habe sich mindestens
durchschnittlich zweimal wöchentlich in der Wohnung aufgehalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Räumungsklage ist begründet.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe
der im 1. Obergeschoss links gelegenen Wohnung in dem Haus D-Straße in ####2 O
aus § 556 Abs. 1 BGB.
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Das zwischen den Parteien seit 1965 bestehende Mietverhältnis wurde durch fristlose
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Kündigung des Klägers vom 05.09.1997 rechtswirksam beendet.
Der Kläger war dem Beklagten gegenüber gemäß § 553 BGB zur fristlosen Kündigung
berechtigt. Denn der Beklagte hat sich vertragwidrig verhalten, indem er seiner Tochter
Ina die Mieträume ohne Erlaubnis des Klägers überlassen hat,
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§ 549 BGB.
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Zwar ist der Mieter grundsätzlich berechtigt, ohne Erlaubnis des Vermieters, nahe
Angehörige in die Wohnung aufzunehmen (vgl. Palandt-Putzo, 57. Auflage, N 1998, §
535 Rdnr. 12). Zu diesem Personenkreis gehört auch die Tochter des Mieters. Eine
solche erlaubnisfreie Aufnahme liegt aber dann nicht mehr vor, wenn der Mieter einem
anderen den C2 an der Mietsache ganz oder teilweise zum selbständigen (Mit-
)Gebrauch einräumt. In diesem Fall liegt eine erlaubnispflichtige Überlassung vor (vgl.
Palandt-Putzo, § 549, Rdnr. 3). Bei der Abgrenzung kommt es entscheidend darauf an,
ob der Familienangehörige lediglich in den Haushalt des Mieters eingegliedert wird -
dann liegt eine Aufnahme vor - oder, ob der Familienangehörige einen eigenen
Haushalt führt - dann handelt es sich um eine erlaubsnispflichtige Überlassung (vgl.
Palandt-Putzo, § 549, Rdnr. 4).
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Im vorliegenden Fall hat der Beklagte seine Tochter nicht lediglich in die Mieträume
aufgenommen, sondern ihr diese zum selbständigen Eigengebrauch überlassen. Dies
geht aus seinem eigenen Sachvortrag hervor. Selbt wenn er - was der Kläger bestreitet -
die in Rede stehende Wohnung durchschnittlich zweimal in der Woche aufgesucht hat,
kann nicht davon ausgegangen werden, dass er und seine Tochter einen gemeinsamen
Haushalt führen. Die Tochter des Beklagten ist volljährig. Unstreitig war diese 1992 aus
der Wohnung ausgezogen und hatte zwischenzeitlich einen eigenen Hausstand mit
ihrem Freund begründet. Der Beklagte selbst hat seinen Lebensmittelpunkt in die X-
Straße verlegt, wo seine Freundin wohnt. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf
an, dass der Beklagte nach wie vor in der D-Straße gemeldet ist und sich dort - seinen
Sachvortrag als richtig unterstellt - noch Möbel von ihm befinden. Denn dies ändert
nichts daran, dass die Wohnung von der Tochter des Beklagten tatsächlich zu einem
überwiegenden Teil eigenständig genutzt wird.
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Der Kläger hat unstreitig für die Überlassung der Wohnung an die Tochter des
Beklagten kein Einverständnis erteilt. Insoweit kann der Beklagte der Kündigung auch
nicht etwa einen Anspruch auf Erlaubniserteilung aus § 549 Abs. 2 Satz 1 BGB
entgegenhalten. Einen solchen Anspruch hat der Beklagte nämlich nicht.
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Zum einen besteht ein Anspruch auf Erlaubniserteilung nur dann, wenn es um die
Überlassung nur eines Teils der Wohnung geht (vgl. Palandt-Putzo, § 549, Rdnr. 13;
Bub/Treier/Kraemer, Kapitel III., Rdnr. 1020), während der Beklagte seiner Tochter
vorliegend den gesamten Wohnraum zum Gebrauch überlassen hat. Zum anderen hat
der Beklagte keine tatsächlichen Gründe dargelegt, die auf ein berechtigtes Interesse
seinerseits an der Gebrauchsüberlassung an seine Tochter schließen lassen.
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Der Beklagte hat die vertragswidrige Gebrauchsüberlassung an seine Tochter trotz
Abmahnung des Klägers mit Schreiben vom 17.08.1997 nicht beendet. Hierin liegt eine
erhebliche Verletzung der Rechte des Klägers, wie sich aus § 553 BGB ergibt. Der
Kläger hat deshalb zu recht die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses mit
Schreiben vom 05.09.1997 ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben ist dem
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Beklagten unstreitig am 06.09.1997 zugegangen und enthielt die nach § 564 a Abs. 1
Satz 2 BGB erforderliche Begründung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr.
7, 711 Satz 1 ZPO.
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Streitwert: 8.112,00 DM (= 12 x 676,00 DM), § 16 Abs. 2 GKG.
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