Urteil des AG Neuss vom 22.07.1983

AG Neuss (vermieter, kostenmiete, verfassungskonforme auslegung, auslegung, preisbindung, kläger, wohnung, mietzins, miete, zustimmung)

Amtsgericht Neuss, 36 C 276/83
Datum:
22.07.1983
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 276/83
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, zuzustimmen, dass der von ihm zu zahlende
Kaltmietzins für die von ihm bewohnte Wohnung im Hause O, K, mit
Wirkung ab 01.04.1983 510,61 DM beträgt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,00 DM abzuwenden,
wenn nicht der Kläger vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht
werden.
Tatbestand:
1
Mit Mietvertrag vom 30.04.1976, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl.
5/11 d.A.), hat der Beklagte von dem Kläger eine Wohnung im Hause K in O angemietet.
An der angemieteten Wohnung stand dem Regierungspräsidenten in E bis zum
28.02.1983 ein Besetzungsrecht zu.
2
Mit Schreiben vom 30.11.1982, auf das im einzelnen Bezug genommen wird, (Bl. 12, 13
d.A.), begehrte der Kläger von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der
Nettokaltmiete von bisher 332,71 DM auf nunmehr 510,61 DM. Der Beklagte hat
vorprozessual einer Mieterhöhung um 99,84 DM, d.h. um 30 % zugestimmt. Im übrigen
hat er die Abgabe der Zustimmungserklärung unter Hinweis auf die Kappungsgrenze
des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG verweigert.
3
Der Kläger beantragt,
4
wie tenoriert.
5
Der Beklagte erklärt seine Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses von 332,71 DM auf
432,52 DM, beginnend ab dem 01.05.1983.
6
Im übrigen beantragt er,
7
die Klage abzuweisen.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
9
Entscheidungsgründe:
10
Die zulässige Klage ist begründet.
11
Dem Kläger steht gemäß § 2 I MHG in der seit dem 01.01.1983 geltenden Fassung ein
Anspruch auf Zustimmung zu einer Anhebung des monatlichen Nettokaltmietzinses auf
insgesamt 510,61 DM zu. Der vom Kläger verlangte Mietzins übersteigt die in der Stadt
O für nicht preisgebundenen Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung und M
gezahlten üblichen Entgelte nicht.
12
Nach dem Neusser Mietpreisspiegel (Stand Dezember 81), der dem
Zustimmungsanspruch gemäß § 2 VI MHG zu Grunde zu legen ist, beträgt der Mittelwert
vergleichbarer Wohnungen 6,30 qm. Der von dem Kläger beanspruchte Mietzins von
5,97 DM/qm liegt deutlich unter diesem Mittelwert.
13
Der Beklagte ist nicht berechtigt, seine Zustimmung unter Hinweis auf § 2 I Satz 1 Ziffer
3 MHG zu verweigern, denn diese Regelung ist auf das Mieterhöhungsverlangen des
Klägers nicht anzuwenden. Die Frage, ob die neu eingeführte 30 % Kappungsgrenze
bei der erstmaligen Mieterhöhung nach Ablauf der Preisbindung gilt oder nicht, ob also
der Vermieter nur die Zustimmung zu einer Erhöhung der früheren Kostenmiete (nach
Herausrechnung der Betriebskosten) um maximal 30 % verlangen kann oder ob ihm
gegebenenfalls ein Anspruch auf unmittelbare und stufenlose Anpassung an die
ortsübliche Vergleichsmiete zusteht, wird in Rechtsprechung und Literatur - sofern das
Problem überhaupt gesehen wird - unterschiedlich beantwortet. Für eine
uneingeschränkte Geltung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG haben sich ausgesprochen:
Landfermann "Das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen 1983, Seite
41; Heitgreß WM 83, 44 ff; Merkl WM 83, 99, 101; Hemming WM 83, 183 f; im Ergebnis
Köhler ZMR 83, 217, 218; unklar Sternel ZMR 83, 73, 74; offen gelassen bei
Barthelmess WM 83, 63, 64.
14
Die Anwendbarkeit der Kappungsgrenze wird demgegenüber verneint von:
15
AG O - 36 C 566/82 -, Teilurteil vom 04.03.1983 in WM 83, 114; AG O - 50 C 228/83 -,
Urteil vom 06.07.83; Vogel-Welter NJW 83, 432, 433; Blümmel GrundE 83, 144, 145;
Gelhaar DWW 83, 58, 60 f; Deggau BlGBW 83, 81, 82 f.
16
Das erkennende Gericht hält an seiner mit Teil-Urteil vom 04.03.1983 (WM 83, 114)
begründeten Rechtsprechung fest. Danach ist § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG restruktiv
dahingehend auszulegen, dass die 30%-Klausel auf die erstmalige Mieterhöhung nach
Wegfall der Preisbindung keine Anwendung findet. Maßgebend für die Auslegung einer
Gesetzesvorschrift ist dabei der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille
17
des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem
Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (grundlegend BGHZ 46, 74,
76). Die Beachtung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass § 2 I Satz 1 Ziffer 3
MHG lediglich Mieterhöhungen innerhalb des Systems der ortsüblichen Vergleichsmiete
erfasst.
Dieses Resultat lässt sich allerdings nicht bereits aufgrund einer Wortauslegung der
Gesetzesbestimmung erzielen. Insoweit ist den Befürwortern einer umfassenden
Geltung der 30%-Schranke zuzugeben, dass der Wortlaut des Gesetzes eine
Einschränkung des Geltungsbereichs bei Übergang von der Kostenmiete zur
ortsüblichen Vergleichsmiete nicht enthält (Heitgreß, a.a.O., Seite 45 a.E.; Köhler a.a.O.,
Seite 218 a.E.; Hemming a.a.O.).
18
Entgegen Köhler zwingt der Gesetzeswortlaut aber auch nicht dazu, die
Kappungsgrenze unbeschränkt auf jedes Mieterhöhungsbegehren anzuwenden. Dies
zeigt sich bereits darin, dass Erhöhungen gemäß §§ 3 bis 5 MHG aus dem
Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen sind.
19
Der Sinnzusammenhang der gesetzlichen Regelung verbietet es jedoch, die
Kappungsgrenze unterschiedslos auch auf solche Mieterhöhungsverlangen
anzuwenden, die erstmals nach Beendigung der Preisbindung gestellt werden. Wie §
10 III Ziffer 1 MHG ausdrücklich anordnet, ist der Anwendungsbereich der §§ 1 bis 9
MHG auf Mietverhältnisse über preisfreien Wohnraum beschränkt. Grundgedanke dieser
Regelung ist es, Mietsteigerungen bei freifinanziertem Wohnraum zu begrenzen (vgl.
Gelhaar a.a.O.). Dieses gesetzgeberische Ziel wird dadurch verwirklicht, dass die
Vergleichsmietenregelung die frei vereinbarte, marktorientierte Miete voraussetzt, mithin
Erstmieten schon begrifflich dem Regelungsbereich des Gesetzes nicht unterliegen. Mit
Ablauf der Preisbindungen fällt die Sperrwirkung des § 10 III Ziffer 1 MHG und der
Vermieter ist, wenn er den Mietzins für die unmittelbar an das Ende der Preisbindung
anschließende Zeit erhöhen will, an die Einhaltung des Zustimmungsverfahrens gemäß
§ 2 MHG gebunden (vgl. KG WM 82, 102, 103; OLG I WM 80, 262). Andererseits ist nicht
zu verkennen, dass die bisherige Kostenmiete zwar eine vereinbarte Miete ist (AG O
WM 83, 114), wegen ihrer Bindung an preisrechtliche Vorschriften und ihrer fehlenden
Marktorientiertheit gleichwohl nicht als frei zustande gekommene Miete im Sinne des § 2
MHG angesehen werden kann (vgl. auch Schade-Schubert-Wienecke, Wohn- und
Mietrecht 1983, § 2 MHG, Anm. 4). Für die Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG
bedeutet das, dass die bisherige Kostenmiete wie eine Erstmiete zu behandeln ist.
Erstmieten werden aber von der Kappungsgrenze nicht erfasst (Barthelmess WM 83, 63,
64; im Ergebnis ebenso Gelhaar a.a.O.; Deggau a.a.O.). Auch der Schutzgedanke der
neu eingeführten 30 %-Klausel, zu verhindern, dass die mit der Neufassung des
Gesetzes bezweckte allgemeine Mietsteigerung in Einzelfällen ein zu starkes Ausmaß
annimmt, vermag die Einbeziehung der ersten Mietanhebung nach der Preisfreigabe
nicht zu rechtfertigen (so aber Hemming a.a.O.; Merkl a.a.O.; Heitgreß a.a.O.). Denn die
über § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG nur stufenweise mögliche Angleichung des Mietzinses an
die ortsübliche Vergleichsmiete ist letztlich auf den Umstand zurückzuführen, dass der
Vermieter - aus welchen Gründen auch immer - sich in der Vergangenheit aufgrund
eigener Entscheidung mit einem weit unter der erzielbaren Marktmiete liegenden
Mietzins begnügt und hierdurch seinem Mieter Veranlassung gegeben hat, sich in
seinen Dispositionen auf eine billige Miete einzurichten (so Klas WM 83, 98). Diese
Ausgangslage ist mit derjenigen eines Vermieters, der aufgrund der Preisbindung
lediglich die Kostenmiete verlangen konnte, nicht zu vergleichen. Gerade weil er auf die
20
Festsetzung der Kostenmiete keinen Einfluss hat, wäre er durch die Regelung des § 2 I
Satz 1 Ziffer 3 MHG besonders hart betroffen. Dass dies vom Gesetzgeber mit der
Einführung der Kappungsgrenze nicht beabsichtigt war, liegt auf der I2 (AG O - 50 C
#####/####-, Urteil vom 06.07.83).
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber bewusst keine
Unterscheidung zwischen einer niedrigen Miete bei von Anfang an preisfreiem
Wohnraum und einer niedrigen Miete aufgrund früherer Preisbindung gemacht habe (so
aber Hemming a.a.O., Seite 183). Weder die amtliche Begründung, noch die
Gesetzesmaterialien lassen diesen Rückschluss zu. Aus dem Schweigen des
Gesetzgebers muss vielmehr entnommen werden, dass er dieses Problem nicht erkannt
hat. So ist auch die Stellungnahme des Bundesbauministeriums zu verstehen, dass die
Mieterhöhungsgrenze dann nicht anwendbar ist, wenn bei einer Sozialwohnung die
Bindungsfristen abgelaufen sind und erstmals die Marktmiete verlangt wird (zitiert nach
"Die X2" vom 04.07.83). Im gleichen Sinne hat sich der an den Gesetzesberatungen
beteiligte wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Dr. H geäußert. Er
meint sich nach einer Information der FAZ (vom 25.06.1983) zu erinnern: "Wir haben
nicht daran gedacht."
21
Bei der Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG ist darüber hinaus zu beachten, dass
grundsätzlich diejenige Auslegung den Vorzug verdient, die einer Wertentscheidung der
Verfassung besser entspricht (Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung). Auch
eine verfassungskonforme Auslegung führt vorliegend zur Nichtbeachtung der
Kappungsgrenze, denn die unterschiedslose Anwendung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG
auf das erste Mieterhöhungsverlangen nach Wegfall der Preisbindung schränkt den
Vermieter in seiner verfassungsrechtlich durch Artikel 14 I GG geschützten
Eigentümerposition in unzumutbarer und die Grenzen der Sozialbindung übersteigender
Weise ein (AG O WM 83, 114; Blümmel a.a.O.; Vogel-Welter a.a.O.; Gelhaar a.a.O.;
Deggau a.a.O.). Das Gericht verkennt nicht, dass das Eigentum gemäß Artikel 14 GG in
einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht. Dabei zeichnet sich das
Privateigentum in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützlichkeit und grundsätzliche
freie Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand aus, sein Gebrauch soll aber
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen (vgl. BVferG NJW 74, 1499).
Ebensowenig wie aber die Eigentumsgarantie eine die soziale Funktion eines
Eigentumsobjekts mißachtende Nutzung schützt, kann Artikel 14 II GG eine übermäßige
durch die soziale Funktion nicht mehr gebotene Begrenzung privatrechtlicher
Befugnisse rechtfertigen. Letztere ist hier darin zu sehen, dass die uneingeschränkte
Handhabung der 30 %-Mieterhöhungsgrenze für den Vermieter einer ehemals
preisgebundenen Wohnung praktisch zu einem Mietpreisstop auf lange Sicht und einer
Beseitigung des rechtlichen Anspruchs auf die ortsübliche Vergleichsmiete führt. Köhler
(a.a.O.) weist zu Recht darauf hin, dass das Maß der Sozialpflichtigkeit des Eigentums
schon durch die §§ 15 ff WoBindG gesetzlich geregelt ist und insbesondere die 8-
jährige Wartefrist für die Mietfreigabe bei vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel
bereits einen Maßstab gesetzt hat, der durch die schrankenlose Geltung der
Kappungsgrenze den Vermieter in verfassungswidriger Weise benachteiligen würde.
Die Gegenmeinung berücksichtigt zudem nicht in ausreichender Weise, dass der
Kostenmiete für Verwaltungs- (§ 26 II BV) und Instandhaltungskosten (§ 28 II. BV)
Pauschalbeträge zu Grunde liegen, die in der Regel nicht ausreichen, um die
anfallenden Aufwendungen zu decken. Insbesondere die Instandhaltungspauschale ist
so niedrig angesetzt, dass gerade die bei älteren Sozialwohnungen auftretenden
Instandhaltungsarbeiten nicht finanziert werden können (so ausdrücklich Gelhaar
22
a.a.O.). Soweit demgegenüber Hemming (a.a.O., Seite 184) argumentiert, der
Reparaturbedarf eines Gebäudes sei in den ersten 15 bis 20 Jahren ziemlich gering, hat
die hiesige gerichtliche Erfahrung gezeigt, dass gerade auch bei 15 bis 20 Jahre alten
Sozialbauten größere Instandhaltungsarbeiten häufig anfallen. Darüber hinaus kann bei
der Abwägung der von Artikel 14 GG geschützten Interessen nicht außer Acht gelassen
werden, dass der Vermieter insbesondere von älteren Sozialbauten einen zumeist nicht
unerheblichen Teil der darlehensweise erhaltenen öffentlichen Mittel zurückgezahlt und
insoweit Eigenkapital gebildet hat, das - wenn überhaupt - ebenso wie das von ihm als
Bauherr zur Verfügung gestellte Anfangskapital nur ganz geringfügig verzinst wird und
dass der Grund- und Bodenwert zum Nachteil des Vermieters stets äußerst gering
angesetzt worden ist (Gelhaar a.a.O.). Dem kann nicht entgegengehalten werden, der
Vermieter preisgebundenen Wohnraums erhalte über die Kostenmiete von Anfang an
eine Verzinsung seines eingesetzten Kapitals in Höhe von 4 %, soweit der
Eigenkapitalanteil 15 % der Kosten nicht übersteige und für den 15 % übersteigenen
Eigenanteil könne er sogar eine Verzinsung in Höhe des marktüblichen Zinssatzes für
erste Hypotheken ansetzen, sofern die öffentlichen Mittel vor dem 01.01.74 bewilligt
worden seien (so aber Hemming a.a.O., Seite 183). Denn allein hierdurch wird dem
Vermieter eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung seines Eigentums noch nicht
ermöglicht. Dies soll anhand eines Beispiels für den Raum E verdeutlicht werden. Die
Kostenmiete für Sozialwohnungen, die in den 50er und 60er Jahren errichtet worden
sind, beträgt derzeit 2,80 DM bis knapp 4,00 DM/qm und ist zuletzt 1979 erhöht worden.
Demgegenüber liegt der ortsübliche Mietzins für vergleichbaren, preisfreien Wohnraum
zwischen 7,00 und 7,50 DM/qm. Liefe die Nachwirkungsfrist infolge vorzeitiger
Rückzahlung der öffentlichen Mittel beispielsweise Ende 1985 aus, dann könnte der
Vermieter bei Anwendung der Kappungsgrenze und einer angenommenen bisherigen
Kostenmiete von 3,00 DM/qm, den Mietzins von 1986 auf maximal 3,90 DM/qm
anheben, 1989 auf 5,07 DM/qm und von 1992 an auf 6,59 DM/qm. Bei einer
durchschnittlichen Wohnungsgröße von ca. 70 qm und gleichbleibender ortsüblicher
Vergleichsmiete entspräche dies bereits einem Einkommensverlust (ohne Verzinsung)
von mindestens 3.360,00 DM pro Jahr und Wohnung (70 qm x 4,00 DM x 12). Der
Vermieter wäre demnach auf Jahre hinaus an einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung
seines Eigentums gehindert und im Kernbereich seiner verfassungsrechtlich
geschützten Eigentumsposition betroffen. Die Bindung des Vermieters ehemals
preisgebundenen Wohnraums an § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG steht zudem in
Wertungswiderspruch zu dem in § 16 WoBindG zum Ausdruck gekommenen
objektivierten Willen des Gesetzgebers. T und Zweck der vorzeitigen Rückzahlung der
öffentlichen Mittel ist es nämlich, den Bestand der Sozialwohnungen allmählich in
marktwirtschaftliche Verhältnisse zu überführen (vgl. Fischer-E2/Pergande/Schwender,
§ 16 WoBindG (1982 f.), Anm. 2.1). Dieser Anreiz für die vorzeitige Ablösung öffentlicher
Mittel entfiele aber, wenn der Vermieter nach Ablauf der Nachwirkungsfrist gleichwohl
an die Kappungsgrenze gebunden bliebe. Dafür, dass der Gesetzgeber mit der
Einführung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG eine derart einschränkende
wohnungspolitische Zielvorstellung durchsetzen wollte, sind keinerlei Anhaltspunkte
erkennbar. Vielmehr ist es das erklärte Ziel des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots
an Mietwohnungen, die Investitionsbereitschaft der Vermieter zu fördern und den
Mietwohnungsbau anzukurbeln (vgl. BTDrucks 9/2079/Seite 7 ff).
Den Interessen des Mieters wird bei dieser Auslegung in ausreichender Weise dadurch
Rechnung getragen, dass ihm die Möglichkeit offen steht, bei finanziell übermäßigen
Belastungen Wohngeld zu beantragen. Dass das Wohngeld vom Gesetzgeber in nur
unzureichender Weise erhöht und der Kreis der Wohngeldberechtigten beschränkt
23
worden ist, kann nicht zu Lasten des Vermieters gehen, denn Artikel 14 GG verbietet es,
gesetzgeberische Fehlentscheidungen auf dem Rücken des Vermieters einer früher
preisgebundenen Wohnung auszutragen. Als weitere Möglichkeit, sich für ihn nicht
tragbaren Mietbelastungen zu schützen, verbleibt dem Mieter immer noch die
Möglichkeit der Kündigung gemäß § 9 II MHG.
Die danach vorzunehmende einschränkende Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG
gilt auch für solche Wohnungen, für die ein Wohnbesetzungsrecht der öffentlichen I2 zu
Gunsten öffentlich Bediensteter bestand. Zwar unterfallen diese Wohnungen
grundsätzlich nicht den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes (vgl. § 6 II c
WoBauG i.V.m. § 1 III b WobindG), denn der Gesetzgeber wollte der öffentlichen I2 zur
vertraglichen Gestaltung bei der Förderung dieser Bauvorhaben einen größeren
Spielraum lassen (so Deggau a.a.O., Seite 83). Es besteht jedoch Einigkeit, dass auch
diese Wohnungen als preisgebunden zu betrachten sind. Der Vermieter einer Wohnung,
bei der - wie es hier der Fall ist - ein Belegungsrecht des Regierungspräsidenten
besteht, bzw. bestand, befindet sich in derselben rechtlichen und wirtschaftlichen
Situation wie der Eigentümer preisgebundenen Wohnraums, denn auch für ihn gilt die
Kostenmiete als preisrechtlich zulässige Obergrenze (vgl. Deggau a.a.O.; Sternel,
Mietrecht, 2. Aufl., III. 59; AG O a.a.O.).
24
Nach alledem war der Klage in vollem Umfange stattzugeben.
25
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26
Für die Anwendung des § 93 ZPO bestand kein Raum, da der Beklagte das im Prozess
erklärte Anerkenntnis bereits vorprozessual abgegeben hatte und die Parteien allein
noch über die Berechtigung des weitergehenden Mietzinsanspruches streiten.
27
Streitwert: 937,08 DM (12 x 78,09 DM).
28