Urteil des AG Neuss vom 22.05.1992

AG Neuss (wohnung, ratio legis, natürliche person, wirtschaftlicher zweck, wohnfläche, wohnraum, mietzins, mieter, vermietung, nebenkosten)

Amtsgericht Neuss, 36 C 48/92
Datum:
22.05.1992
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 48/92
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400,00 DM
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorab in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
Tatbestand:
1
Mit Mietvertrag vom 12./15.09.1983 hat die Beklagte eine Wohnung im Erdgeschoss
links des Hauses G-Straße in N gemietet. Die Klägerin wurde am 19.11.1991 als
Eigentümerin des Hauses in das Grundbuch eingetragen.
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Seit 01.11.1985 beträgt der von der Beklagten zu zahlende Mietzins monatlich 547,50
DM (zuzüglich Nebenkosten). Die Rechtsvorgängerin der Klägerin forderte die Beklagte
mit Schreiben vom 20.09.1991 auf, einer Anhebung der Miete ab 01.12.1991 auf 711,50
DM (zuzüglich Nebenkosten) zuzustimmen. Das Mieterhöhungsverlangen vom
20.09.1991, auf das im einzelnen verwiesen wird (Bl. 19, 20 d.A.), begründet den
Erhöhungsanspruch durch die Benennung von drei Vergleichsmieten wie folgt:
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Wohnung Nr. A 330
4
Adresse: N, Moerser T-Str. b
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Mieter:
6
Kaltmiete: 1.317,00 DM für 82,28 qm Wohnfläche, das entspricht
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16,01 DM je qm Wohnfläche monatlich
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Wohnung Nr. A 220
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Adresse: N Moerser T-Str. b
10
Mieter:
11
Kaltmiete: 1.170,00 DM für 78 qm Wohnfläche, das entspricht
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15,00 DM je qm Wohnfläche monatlich
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Wohnung Nr. A 340
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Adresse: N, Moerser T-Str. b
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Mieter:
16
Kaltmiete: 1.170,00 DM für 78 qm Wohnfläche, das entspricht
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15,00 DM je qm Wohnfläche monatlich.
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Die Klägerin behauptet, die aufgeführten drei Wohnungen sei nach Art, Größe,
Ausstattung, Beschaffenheit und M der Wohnung der Beklagten gleichwertig. Der
verlangte Mietzins sei ortsüblich.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, zuzustimmen, dass sie der Klägerin für die Zeit ab
01.12.1991 für die Vermietung der 65 qm großen Wohnung im Hause G-
Straße, 4005 N 1, einen Mietzins von monatlich 10,95 DM x 65 qm - 711,50
DM zuzüglich Nebenkosten zu zahlen habe,
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet, dass der verlangte Mietzins ortsüblich und angemessen sei. Die
herangezogenen Vergleichswohnungen seien mit dem von der Beklagten bewohnten
Objekt nicht vergleichbar, da es sich um Neuvermietungen aus der letzten Zeit an
Japaner handele und zum anderen diese Wohnungen über einen mit ihrer Wohnung
nicht vergleichbaren Ausstattungsstandard verfügten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung des Mietzinses für
die von der Beklagten angemieteten Wohnung nicht gem. § 2 Abs. 1, Abs. 4 MHG zu.
Das Mieterhöhungsverlangen der Rechtsvorgängerin der Klägerin, das zu Gunsten der
Klägerin fortwirkt, ist unwirksam, denn es ist entgegen § 2 Abs. 2 Satz 4 MHG nicht mit
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drei vergleichbaren Wohnungen begründet.
Das in dem Mieterhöhungsschreiben vom 20.09.1991 an zweiter T3 aufgeführte
Vergleichsobjekt - bezeichnet als "Wohnung Nr. A 220" - ist mit der Wohnung der
Beklagten nicht vergleichbar, denn es handelt sich um eine gewerbliche Vermietung.
Verweist der Vermieter - wie hier - zur Begründung seines Erhöhungsanspruchs auf drei
Vergleichsobjekte, so kommt eine Vergleichbarkeit i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 4 MHG nur
in Betracht, wenn alle Vergleichsobjekte dem Wohnungsmarkt angehören. Das ist nach
der ratio legis des § 2 MHG nur dann der Fall, wenn sie als Wohnraum vermietet sind,
die tatsächliche Nutzung als Wohnung spielt demgegenüber keine Rolle. Das System
der ortsüblichen Vergleichsmiete ist ein marktorientiertes Prinzip, das dem Vermieter
von Wohnraum einen Anspruch auf einen Mietpreis sichern soll, der sich im örtlichen
Bereich für vergleichbaren Wohnraum entwickelt hat. Entsprechend dieser
Zielvorstellung können in die Vergleichsanalyse auch nur solche Mieträume
einbezogen werden, die den wirtschaftlichen Bedingungen und dem Preisgefüge des
Wohnungsmarktes unterliegen, nicht aber gewerblich vermietete Räume, deren
Mietpreisgestaltung nicht durch die Schutz- und Preisschranken des
Wohnraummietrechts (§§ 564 b BGB, 1 ff. MHG, 5 WiStG, 302 a StGB) reglementiert
wird (AG L, Urt. v. 28. Februar 1983, WM 1985, S. 124; F2-Sonnenschein, Miete-
Handkommentar, 6. Aufl., § 2 MHRG, Rd-Nr. 41, T2-Futterer/Blank,
Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., RdNr. C 103 c).
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Dass es sich bei der im Erhöhungsverlangen an zweiter T3 aufgeführten Wohnung um
eine gewerbliche Vermietung handelt, ergibt sich bereits aus der Bezeichnung der
Mieterin mit "FA...". Wie der Klageschrift weiter zu entnehmen ist, handelt es sich hierbei
nicht um eine natürliche Person, sondern um die Firma .... F GmbH.
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Der Annahme eines gewerblichen Mietverhältnisses steht nicht entgegen, dass die
Mieträume von einem japanischen Mitarbeiter dieser GmbH zu Wohnzwecken genutzt
werden. Nach der Rechtsprechung des BGH, der für das materielle und das
Verfahrensrecht einen einheitlichen Wohnraumbegriff zugrundegelegt, ist bei der
Entscheidung, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, nicht auf die objektive
Eignung der betreffenden Räume zum Wohnen, sondern auf den Zweck abzustellen,
den der Mieter mit der Anmietung vertragsgemäß verfolgt. Liegt dieser Zweck - wie hier -
ersichtlich nicht im eigenen Wohnen des Mieters, sondern in der Weitervermietung bzw.
Überlassung der Wohnung an dritte (z.B. an den Arbeitnehmer des Mieters), dann ist
Vertragszweck ein wirtschaftlicher Zweck und nicht mehr die Überlassung von
Wohnraum, mag auch die Anmietung im übrigen auf gemeinnützigen Motiven beruhen
und weder mittelbar noch unmittelbar der Gewinnerzielung des Mieters dienen (BGH,
Urt. v. 15.11.1978, WPM 1979, S. 148; RE v. 21.04.1982, WPM 1982, S. 770; Urt. v.
20.10.1982, WPM 1982, 1390; urt. v. 13.02.1985, WPM 1985, 612; OLG L2, RE v. 24.
10.1983, WM 1984, S. 10; OLG C, RE v. 27.06.1984, DWW 1984, S. 287; OLG T, RE v.
25.10.1984, WM 1985, S. 80; OLG G, RE v. 25.10.1984, WM 1985, S. 80; OLG G, RE v.
14.07.1986, DWW 1986, S. 241; OLG E, 19 SA 32/86, Beschl. v. 04.12.1986).
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Ist das Erhöhungsverlangen danach aber nicht ordnungsgemäß begründet, so ist die
Klage abzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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