Urteil des AG Neuss vom 29.10.2009

AG Neuss (zpo, zwangsvollstreckung, gläubiger, herausgabe, kostenvorschuss, räumung, vermieter, geschäftsraum, unterliegen, unpfändbarkeit)

Amtsgericht Neuss, 65 M 2810/09
Datum:
29.10.2009
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
65. Abteilung
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
65 M 2810/09
Tenor:
wird die Gerichtsvollzieherin angewiesen, die Räumungsvollstreckung
nach dem „Berliner Modell“ unter Beachtung des vom Gläubiger geltend
gemachten Vermieterpfandrechtes durchzuführen.
Gründe
1
I.
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Der Schuldner ist aufgrund rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom
21.11.2008 verpflichtet, die Gewerberäume … in … zu räumen.
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Mit Schreiben vom 26.08.2009 erteilte der Gläubiger der Gerichtsvollzieherin einen
Räumungsauftrag, wobei er zugleich an sämtlichen in den Geschäftsräumen
befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend machte. Die Ausführung
dieses Auftrags machte die Gerichtsvollzieherin zunächst von der Zahlung eines
Vorschusses in Höhe von 800 € für die Vollstreckungskosten abhängig. Nach
Besichtigung der Räumlichkeiten teilte sie dem Gläubiger mit, in den Räumen befänden
sich zahlreiche eingelagerte Gegenstände von Dritten, an denen ein
Vermieterpfandrecht nicht geltend gemacht werden könne. Daher sei ein
Kostenvorschuss von 15.000,00 € für die Räumung erforderlich.
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Dagegen richtet sich die Erinnerung des Gläubigers, mit dem Antrag die
Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Räumungsvollstreckung auftragsgemäß
durchzuführen und dabei alle Gegenstände, an denen die Gläubigerin ein
Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat, in den Räumen zu belassen.
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II.
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Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
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Der von der Gerichtsvollzieherin verlangte, 800 € übersteigende Kostenvorschuss für
den Abtransport von Gegenständen Dritter ist nicht gerechtfertigt. Der Gläubiger begehrt
zulässigerweise die Herausgabe der Geschäftsräume ohne Wegschaffung der dort
befindlichen beweglichen Sachen.
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Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der
Räume beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen
Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht (BGH WuM 2006, 50). Das
Vermieterpfandrecht hat Vorrang gegenüber der in § 885 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ZPO
bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der
Zwangsvollstreckung sind. Eine Prüfung, ob die bei Durchführung der
Herausgabevollstreckung in den Räumen befindlichen Gegenstände vom
Vermieterpfandrecht erfasst werden, ist vom Gerichtsvollzieher nicht vorzunehmen.
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Der Gerichtsvollzieher ist als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht dafür zuständig,
materiell-rechtliche Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu
klären. Dies gilt auch für die Frage, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen
Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieterpfandrecht nicht
unterliegen. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die
Vollstreckungsorgane zu entscheiden. Schutzwürdige Belange des
Vollstreckungsschuldners werden nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf
die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen ist, wenn ein
Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird ( (BGH a.a.O).
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Der Vermieter kann sein gesetzliches Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) auch ohne
Anrufen des Gerichts geltend machen, § 562b Abs. 1 Satz 1 BGB. Er benötigt daher,
wenn er sein Vermieterpfandrecht durch Beschränkung des Vollstreckungsauftrags aus
dem Räumungstitel ausübt, keinen Vollstreckungstitel hinsichtlich der Gegenstände in
dem zu räumenden Objekt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 885 Rdn. 20). Die Frage,
ob sich das geltend gemachte Vermieterpfandrecht auf alle in den Räumen befindlichen
Gegenstände erstreckt, ist materiell-rechtlicher Natur und daher nicht vom
Gerichtsvollzieher zu entscheiden. Dies gilt auch für unpfändbare Sachen (§ 811 ZPO),
die nicht dem Vermieterpfandrecht unterfallen, § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die
Bestimmung des § 811 ZPO betrifft die Zwangsvollstreckung in das bewegliche
Vermögen (Pfändung). Sie ist daher bei der Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO
nicht anwendbar (vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 885 Rdn. 29). Dabei macht es
grundsätzlich keinen Unterschied, ob die Räumung von Wohnraum oder von
Geschäftsraum in Frage steht.
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Neuss, den 29.10.2009
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Direktorin des Amtsgerichts
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