Urteil des AG Neuss vom 14.03.2017

AG Neuss (elterliche gewalt, zerrüttung der ehe, verhältnis zu, zpo, bundesverfassungsgericht, grund, partei, lebensgemeinschaft, verhältnis, gewalt)

Amtsgericht Neuss, 47 F 37/77
Datum:
15.06.1978
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
47 F 37/77
Tenor:
I.
Die am 12.03.1971 vor dem Standesbeamten in Norf unter
Heiratseintrag Nr. 8/1971 geschlossene Ehe der Parteien wird geschie-
den.
II.
Die elterliche Gewalt über die am 26.09.1971 geborenen Tochter N wird
der Antragstellerin übertragen.
III.
Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird bis zur
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängigen
Normenkon-trollverfahren ausgesetzt.
IV.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufge-hoben.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 12.03.1971 geheiratet.
2
Der Ehe entstammte, die am 26.09.1971 geb. Tochter N, die bei der Mutter lebt. Nach
gleichlautendem Vortrag leben die Parteien seit April 1977 getrennt, nachdem die
Antragstellerin die Ehewohnung verlassen hat. Die Antragstellerin begehrt die
Scheidung, der der Antragsgegner zunächst widersprochen hat, der er aber nunmehr
nach Ablauf des während des Scheidungsverfahrens eingetretenen Trennungsjahres
zustimmt. Die Antragstellerin hat den Scheidungsantrag zunächst damit begründet, dass
der Antragsgegner eine ehewidrige Beziehung zu einer deren Frau unterhalte. Im Laufe
des Verfahrens hat sich die Antragstellerin zu ihrem andauernden Verhältnis zu dem
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des Verfahrens hat sich die Antragstellerin zu ihrem andauernden Verhältnis zu dem
Zeugen L2 bekannt und auch hierauf den Scheidungsantrag gestützt.
Die Antragstellerin beantragt,
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die am 12.03.1971 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Norf unter
der Heiratseintrag Nr. 8/1971 geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.
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Der Antragsgegner stimmt dem Scheidungsantrag zu.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat über die behauptete ehebrecherische Beziehung des Antragsgegner
Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Vernehmungsniederschrift vom 17.04.1978 (Blatt 78 der Akten) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
9
I.
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der Scheidungsantrag ist begründet, §§ 1564, 1565 Abs. 1 BGB. Die
Lebensgemeinschaft der Eheleute besteht seit April 1977 und damit länger als 1 Jahr
nicht mehr und es kann auch nicht erwartet werden, dass die Eheleute sie wieder
herstellen. Dies haben beide Parteien bei ihrer Anhörung deutlich zum Ausdruck
gebracht. Das die Antragstellerin zur Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft mit
dem Antragsgegner nicht bereit ist, hat allerdings nicht seinen Grund darin, dass dieser -
wie die Antragstellerin zunächst behauptet hat - zu der Zeugin N ein ehebrecherisches
Verhältnis unterhält. Das dies nicht der Fall ist, hat die Vernehmung der Zeugin mit
Deutlichkeit ergeben. Der Grund für die mangelnde eheliche Gesinnung der
Antragstellerin liegt vielmehr in ihrer eigenen Person, nämlich darin, dass sie sich einem
anderen Mann zugewandt hat und sich zu diesem Verhältnis, das offenbar ernsthaft und
von Dauer ist, bekannt. Vor diesem Hintergrund erschienen die durch die
Beweisaufnahme widerlegten Behauptungen der Antragstellerin, der Antragsgegner
habe ehebrecherische Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten und einen "starken
Vertrauensbruch" begangen, lediglich als prozeßtaktisches Verhalten, um das Ende des
Trennungsjahres zu erreichen. Nachdem dies der Antragstellerin aber geglückt ist, kann
sie in der Tat die Zerrüttung der Ehe auch damit begründen, dass bei ihr selbst - und nur
bei ihr - die Bereitschaft und Fähigkeit fehlen, die Lebensgemeinschaft fortzuführen (vgl.
Schwab: Handbuch des Scheidungsrechts, 1. Auflage 1977, Randnr. 99, 106). Hiervon
abgesehen ergibt sich das Scheitern der Ehe aber auch daraus, dass der
Antragsgegner die Konsequenzen aus dem Verhalten seiner Frau gezogen hat und
nunmehr der Scheidung zustimmt.
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II.
12
Die elterliche Gewalt über N ist antragsgemäß der Antragstellerin übertragen worden,
da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich geworden sind, dass diese vom Jugendamt O
befürwortete Regelung dem Wohle des Kindes abträglich ist, § 1671 Abs. 1, Abs. 2
BGB.
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III.
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Das an sich entscheidungsreife Verfahren über den Versorgungsausgleich hat das
Gericht ausgesetzt. Es schließt sich insoweit der Meinung an, die die analoge
Anwendung des § 140 ZPO wegen schwebender Normenkontrolle befürwortet und das
Gericht nicht für verpflichtet hält, und er allen Umständen die Normgültigkeitsfrage selbst
zu entscheiden bzw. selbst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
einzuholen (vgl. Skouris: Die schwebende Rechtssatzprüfung als Aussetzungsgrund
gerichtlicher Verfahren, NJW 75, 713). Gegen die Verfassungsmäßigkeit des
Versorgungsausgleichs sind stets Bedenken erhoben worden (vgl. Müller:
Verfassungswidrigkeit des Versorgungsausgleichs bei Altehen, NJW 77, 1745);
mittlerweile ist bekannt, dass auch die Oberlandesgerichte D und I (NJW 78, 761) die
Erstreckung des Versorgungsausgleichs auf vor dem 01.07.1977 geschlossene Ehen
("Altehen") für verfassungswidrig halten und die Sachen gem. Art. 100 Abs. 1 GG dem
Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt haben.
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Die Tatsache, dass das Verfassungsgericht oft erst nach Jahren entscheidet, dann aber
mit allgemein verbindlicher Wirkung ( § 31 BVerfGG) und ohne die Möglichkeit,
zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen ( § 79
Abs. 2 BVerfGG), muss die rechtssuchenden Parteien verunsichern; selbst wenn sie mit
dem Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleiches für Altehen
bejahen, müssen sie doch gewärtig sein, dass das Bundesverfassungsgericht später im
entgegengesetzten T entscheidet. Berücksichtigt man nun, was häufig bei langjährigen
Altehen für den ausgleichsverpflichteten Ehepartner auf dem Spiele stehe, dann muss
verständlicherweise angenommen werden, dass allein schon die oben erwähnte
Möglichkeit des anders lautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Grund
genug ist, den Rechtskrafteintritt durch Rechtsmitteleinlegung möglichst bis zur
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinauszuschieben.
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Schließlich ist auch dem Gericht nicht wohl bei dem Gedanken, auf dem ihm nicht
heimischen Gebiet des Verfassungsrechts eine die Partei möglicherweise lebenslang
belastende Entscheidung treffen zu müssen, während das zur allgemein verbindlichen
Entscheidung der Verfassungsfrage berufene Gericht schon mit der Sache befasst ist
und möglicherweise den gleichen Sachverhalt anders beurteilen wird. Die nicht
anwaltlich vertretene Partei wird überdies mangels eigener Sachkunde häufiger die
Entscheidung des Amtsgerichts hinnehmen, nicht in der Berufung gehen und die
Entscheidung über den Versorgungsausgleich vor dem Spruch des Verfassungsgerichts
rechtskräftig werden lassen. Es erscheint dem Gericht jedoch gerechtfertigt, alle
Parteien in den Genuss der anstehenden höchstrichterlichen Entscheidung über die
Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs kommen zu lassen, um einander
widersprechende Beurteilungen des gleichen Sachverhalts zu vermeiden. Bei dieser
Sachlage ist es also nach alledem aus Gründe der Prozessökonomie, zur Förderung der
Entscheidungskonformität und damit der Rechtssicherheit geboten, das Verfahren
betreffend den Versorgungsausgleich bis zur Entscheidung der schwebenden
Normenkontrollverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht auszusetzen. Dem
Scheidungsantrag ist alsdann vorab stattzugeben, sei es dass man die schwebenden
Normenkontrollverfahren einem Rechtsstreit über den Bestand einer auszugleichenden
Versorgung gleichsetzt (analoge Anwendung des § 628 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO), sei es ,
dass für die Partei auch eine unzumutbare Härte bedeutet, wenn sie mit der Auflösung
der gescheiterten Ehe bis zum Spruch des Verfassungsgericht warten müssten (analoge
Anwendung des §628 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO).
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IV.
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Kosten
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§ 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO
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Streitwert:
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Scheidung : 4.800.-DM (§ 12 Abs. 2 Satz 2 GKG)
22
elterliche Gewalt : 1.500.-DM (§12 Abs. 2 Satz 3 GKG)
23
einstweilige Anordnung betreffend Ehegattenunterhalt: 2.400.-DM (§ 20Abs. 2 GKG).
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