Urteil des AG Neuss vom 13.07.2010

AG Neuss (kläger, grobe fahrlässigkeit, fahrzeug, guter glaube, erwerb, brief, gutgläubiger erwerb, fahrlässigkeit, firma, zpo)

Amtsgericht Neuss, 87 C 667/10
Datum:
13.07.2010
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
87. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
87 C 667/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagte
zu 90%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstre-
ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils
andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger schloss mit Datum vom 23.05.2008 mit der Beklagten einen Leasingvertrag
über einen Pkw der Marke … mit einer Leasingsonderzahlung in Höhe von 14.250 €
und anschließenden monatlichen Bruttoraten in Höhe von 90,28 €. Hinsichtlich der
Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 45 ff. d. A. Bezug genommen. Ursprünglich hatte
der Kläger beabsichtigt, das streitgegenständliche Fahrzeug, bei dem es sich zum
Zeitpunkt des Leasingvertrages um einen Neuwagen handelte, bei der Firma Autohaus
… in … zu kaufen. Aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen entschied sich der Kläger, das
Fahrzeug zunächst zu leasen und es nach Ablauf der Leasingzeit abzulösen.
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Da die Beklagte im Rahmen ihrer Leasinggeschäfte keine eigene Niederlassung
unterhält, bedient sie sich bei Abschluss von Leasingverträgen sogenannter
Vertragshändler. Um einen solchen Vertragshändler handelte es sich auch bei der
Firma Autohaus … in …, von der der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug zu
Beginn der Leasingzeit auch erhielt.
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Mit Schreiben vom 01.04.2009 wurde der Kläger nach Ablauf der Leasingzeit von der
Beklagten aufgefordert, das Fahrzeug am 29.07.2009 bei dem Autohaus … in …
zurückzugeben. Dort vereinbarte der Kläger mit dem Mitarbeiter des Autohauses …,
dass gegen Zahlung einer Restrate von 7.259 € das streitgegenständliche Fahrzeug in
sein Eigentum übergehen solle und er nach Zahlung diese Betrages den Kfz-Brief
erhalte. Der Kläger zahlte den entsprechenden Betrag mit einer
Onlineterminüberweisung zum 20.07.2009 an das Autohaus …. Über das Vermögen
des Autohauses ... wurde bereits am 18.06.2009 das vorläufige Insolvenzverfahren
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eröffnet und eine vorläufige Insolvenzverwalterin bestellt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.08.2009 verlangte der Kläger Herausgabe des Kfz-
Briefes von der Beklagten. Diese forderte zunächst die Übermittlung des Kaufvertrages,
gab den Kfz-Brief – im Hinblick auf die noch nicht erfolgte Weiterleitung des Betrages
von 7.259 € seitens der Insolvenzverwalterin – aber noch nicht heraus.
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Der Kläger ist der Ansicht, durch Zahlung des Kaufpreises – zumindest gutgläubig -
Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs, welches sich noch in seinem Besitz
befand - geworden zu sein. Zudem sei auch die vorläufige Insolvenzverwalterin von
einem rechtsgültigen Geschäft ausgegangen. Aus seiner Eigentümerstellung habe er
auch Anspruch auf Herausgabe des Kfz-Briefes gehabt und ihm stehe auch ein
Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.
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Mit der am 30.09.2009 beim Landgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten
am 12.11.2009 zugestellten Klage hat der Kläger ursprünglich beantragt, die Beklagte
zu verurteilen, an den Kläger den Kraftfahrzeugbrief des … mit dem amtlichen
Kennzeichen …, Fahrgestellnummer: …, herauszugeben.
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Vor Zustellung der Klage hat die Beklagte den streitgegenständlichen Kfz-Brief
herausgegeben.
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Mit Schriftsatz vom 13.10.2009, beim Landgericht Düsseldorf am 16.10.2009
eingegangen, hat der Kläger die Klage hinsichtlich des Herausgabeanspruchs
zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 603,93 € nebst 5 Prozentpunkten
Zinsen über dem Basiszins seit dem 12.11.2009 zu zahlen
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, ein gutgläubiger Erwerb des streitgegenständlichen
Fahrzeuges komme schon deshalb nicht in Frage, da sich der Kläger nicht den Kfz-Brief
vorlegen ließ. Dies sei aber – da es sich bei dem Fahrzeug zum Zeitpunkt des Erwerbs
um einen gebrauchten Pkw handelte – für einen gutgläubigen Erwerb erforderlich
gewesen. Zudem habe der Kläger aus dem Leasingvertrag, in dem vermerkt war:
"Erwerb ausgeschlossen", sowie aus den Leasingbedingungen, in denen darauf
hingewiesen wurde, dass die Beklagte Eigentümerin des Pkw war, positiv gewusst,
dass das Fahrzeug nicht im Eigentum des Vertragshändlers stand.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien
eingereichten Schriftsätze sowie die mit diesen überreichten Anlagen Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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1.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Unabhängig von der Frage, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf
Herausgabe des streitgegenständlichen Kfz-Briefs zustand (dazu s.u.), kann der Kläger
auch im Bejahensfall von der Beklagten nicht Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten
verlangen.
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Insbesondere scheidet ein Anspruch aus Verzug i.S.d. §§ 280, 286 BGB aus, da die
verzugsbegründenden Handlungen und Mahnungen nicht ersatzfähig sind (Palandt-
Grüneberg, § 286 Rn. 44 m.w.N.). Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger die
Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 03.08.2009 zur Übersendung des Kfz-Briefes
aufgefordert. Mithin ist die Beklagte erst durch den anwaltlichen Schriftsatz in Verzug
gesetzt worden. Dass bereits vorher Mahnungen erfolgten ist weder dargelegt noch
unter Beweis gestellt.
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2.
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Mangels einer Hauptforderung, kann der Kläger auch keinen Zinsanspruch gegenüber
der Beklagten geltend machen.
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3.
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Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.
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Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 13.10.2009 beantragt festzustellen, dass die
Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits zur
ersetzen, so legt das Gericht diesen Antrag als allgemeinen Kostenantrag insbesondere
im Hinblick auf die zurückgenommene Forderung i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO und nicht
als zusätzlichen Feststellungsantrag aus. Dies hat der Klägervertreter im Übrigen in der
mündlichen Verhandlung entsprechend klargestellt.
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Die Kosten des Verfahrens waren zu 10 % dem Kläger und zu 90 % der Beklagten
aufzuerlegen.
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Soweit der Kläger die Klage hinsichtlich des Herausgabeanspruchs zurückgenommen
hat, bestimmt sich die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen.
Insoweit wäre die Beklagte unterlegen.
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Denn dem Kläger hat gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch im Hinblick auf den
Kfz-Brief des streitgegenständlichen Fahrzeugs zugestanden, da der Kläger gemäß §§
929 S. 2, 932, 952 BGB, § 366 HGB gutgläubig das Eigentum an dem
streitgegenständlichen Pkw und damit gemäß § 952 BGB analog auch an dem
Fahrzeugbrief erlangt hat. Eine Kenntnis des Klägers, dass das streitgegenständliche
Fahrzeug im Eigentum der Beklagten stand, vermag das Gericht nicht zu sehen. Hierfür
ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. (Palandt-Bassenge, § 932 Rn. 15).
Dass der Kläger positiv wusste, dass das Autohaus … nicht befugt war, über das
Fahrzeug zu verfügen, ist nicht zu erkennen. Soweit die Beklagte auf den
Leasingvertrag und die Leasingbedingungen verweist, in denen vermerkt ist, dass
Eigentümerin des Fahrzeugs die Beklagte ist bzw. der Erwerb ausgeschlossen ist, so
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kann hieraus allein noch keine positive Kenntnis des Klägers abgeleitet werden. In
Betracht käme in diesem Zusammenhang lediglich die Prüfung einer grob fahrlässigen
Unkenntnis.
Allerdings vermag das Gericht auch keine grobe Fahrlässigkeit des Klägers
festzustellen. Zwar ist grundsätzlich von grober Fahrlässigkeit auszugehen, wenn bei
einem Gebrauchtwagenkauf der Käufer sich den Kfz-Brief nicht vorlegen lässt (BGH
NJW 1996, 2226). Etwas anderes wird im Allgemeinen nur angenommen, wenn es um
den Kauf eines Neuwagens geht (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 381). Auch beim
Kauf von Leasingfahrzeugen unter Kraftfahrzeughändlern wird grobe Fahrlässigkeit
angenommen, wenn der Fahrzeugbrief nicht vorgelegt wurde (BGH NJW 1996, 2226).
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Der hier zu entscheidende Fall liegt allerdings anders. Denn vorliegend handelt es sich
nicht um den Erwerb eines fremden Gebrauchtwagens von einer dritten unbekannten
Person, bei der die Vorgeschichte des Fahrzeuges unbekannt ist. Vielmehr hat der
Kläger selbst das streitgegenständliche Fahrzeug als Neuwagen geleast und war bis
zum Zeitpunkt des Ablaufs der Leasingzeit sowie des anvisierten Kaufs im Besitz des
Pkw, den ihm die Firma Autohaus … mit offensichtlichem Einverständnis der Beklagten
eingeräumt hat (vgl. auch LG Darmstadt, NJW-RR 2002, 417). Damit kamen für den
Kläger als Eigentümer nur die Firma Autohaus … und die Beklagte in Betracht. Für den
letzteren Fall konnte der Kläger aufgrund der gegebenen Umstände durchaus davon
ausgehen, dass das Autohaus … zur Veräußerung des Fahrzeuges autorisiert war.
Denn schließlich handelte es sich bei diesem um einen …-Vertragshändler, während es
sich bei der Beklagten um eine … Leasing Gesellschaft handelt (ähnlich LG Darmstadt,
NJW-RR 2002, 417). Zudem forderte die Beklagte den Kläger noch mit Schreiben vom
01.04.2009 nach Ablauf der Leasingszeit auf, das Fahrzeug bei dem Autohaus …
zurückzugeben. Der Zusammenhang zwischen dem Autohaus … und der Beklagten
war für den Kläger aus der Sicht eines juristischen Laien damit offensichtlich.
Schließlich ist es im Kfz-Handel nicht unüblich, wenn der Vertragshändler das zunächst
geleaste Fahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrages an den Kunden weiterveräußert
(LG Darmstadt, NJW-RR 2002, 417). Die Tatsache, dass der Kläger mit der fehlenden
Eigentümerstellung des Autohauses … rechnen musste, steht dem Gutglaubenserwerb
nicht entgegen, da § 366 HGB den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis schützt.
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Die Umstände des hiesigen Falles sind auch nicht mit der Fallkonstellation zu
vergleichen, in der bei der Veräußerung von Leasingfahrzeugen unter Kfz-Händlern
grobe Fahrlässigkeit angenommen wird, wenn sich der Erwerber den Kfz-Brief nicht
vorlegen lässt. Denn im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Kläger nicht um
einen Kfz-Händler sondern einen privaten Vertragspartner. Diesem sind die juristischen
und wirtschaftlichen Umstände bzw. Geschäftspraktiken zwischen den Vertragshändlern
und der finanzierenden Bank bzw. Gesellschaft nicht in der Weise vertraut, wie es der
Fall bei einem Kfz-Händler ist (LG Darmstadt, NJW-RR 2002, 417).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in dem Leasingformular
als Zusatz zum Leasinggegenstand vermerkt war, dass der Erwerb ausgeschlossen ist.
Denn insoweit sollte das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Leasingvertrages auch gar nicht verkauft werden. Dass der Erwerb
auch für die Zeit nach Ablauf der Leasingzeit ausgeschlossen sein sollte, ist dem
Vermerk nicht zu entnehmen. Auch aus dem Hinweis in den
Leasingvertragsbedingungen, dass Eigentümerin des Fahrzeugs die Beklagte ist, ergibt
sich keine abweichende Würdigung. Denn die fehlende Eigentümerstellung des
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Autohauses … steht dem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen, da § 366 HGB den guten
Glauben an die Verfügungsbefugnis schützt.
Eine fehlende Verfügungsbefugnis musste sich dem Kläger – auch im Hinblick auf das
Schreiben der Beklagten vom 01.04.2009 zum Ablauf des Leasingvertrages nicht
aufdrängen, so dass – wenn überhaupt – lediglich eine mittlere Fahrlässigkeit des
Klägers angenommen werden kann. Guter Glaube nach § 366 HGB ist aber nur bei
grober Fahrlässigkeit, nämlich wenn die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten
Umständen in ungewöhnlich grobem Maß verletzt wurde, ausgeschlossen. Allein der
Umstand, dass sich der Kläger vom Mitarbeiter des Autohauses … nicht den Kfz-Brief
vorlegen ließ, stellt keine Tatsache dar, woraus sich dem Kläger aufgedrängt hätte, dass
dieser nicht zu Veräußerung autorisiert war.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Streitwert:
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bis zum 16.10.2009 : 7.000 €
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danach: bis 900 €
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Richterin am Amtsgericht
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