Urteil des AG Neuss vom 20.06.1986

AG Neuss (operation, pferd, arglistige täuschung, fistel, erklärung, zpo, verkäufer, gesundheitszustand, rückzahlung, rücknahme)

Amtsgericht Neuss, 36 C 585/85
Datum:
20.06.1986
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
36 C 585/85
Tenor:
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 25.000,00 DM nebst 4
% Zinsen seit dem 31.05.1985 zu zahlen, Y um Y gegen Rücknahme
des 1976 geborenen Reitpferdes "K" Geschlecht: Wallach, Farbe:
dunkelbraun, Zuchtland: Belgien, eingetragen in die Liste für
Turnierpferde der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in X2 unter der
Nr. #####/####.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte bezüglich der Rücknahme
des Pferdes in Annahmeverzug befindet.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,00 DM
vorläufig vollstreckbar.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
1
Am 31.05.1985 kaufte die Klägerin von der Beklagten zu 2) das im Tenor genannte
Pferd zum Preis von 25.000,00 DM.
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Für die Klägerin verhandelte deren Ehemann, auf seiten der Beklagten verhandelte
überwiegend der Beklagte zu 1) im Beisein der Beklagten zu 2). Die Klägerin nahm das
Pferd mit Einwilligung der Beklagten bereits am 21.05.1985 probeweise zu sich. Mit der
vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises.
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Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten ihr bei den Kaufverhandlungen die von
dem Zeugen Dr. D im November 1984 bei dem Pferd durchgeführte Kehlkopfoperation
verschwiegen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom
19.08.1985 (Blatt 1 ff d.A.) verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner wie tenoriert zu verurteilen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, es sei bei dem Pferd nur eine Fistel entfernt worden. Es habe
sich um die Beseitigung eines Schönheitsfehlers gehandelt. Bei diversen Gesprächen
hätten sie wiederholt erklärt, dass das Pferd eine Operation hinter sich habe. Jedenfalls
habe der Beklagte zu 1) die nach der ersten Untersuchung genannte Diagnose des
Veterinärs dahin verstanden, dass nur eine Fistel am Kehlkopf entfernt werden müsse,
wobei Art und Umfang des Eingriffes ihm unbekannt geblieben seien.
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Hinsichtlich des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben.
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Auf das Vernehmungsprotokoll vom 18.03.1986 (Blatt 37, 38 der Akten) wird Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Da die Klage bereits teilweise entscheidungsreif ist, kann insoweit gem. § 301 ZPO
durch Teilurteil entschieden werden. Die Beklagte zu 2) ist gem. §§ 812, 818 Abs. 2,
123, 142 Abs. 1, 143 BGB zur Rückzahlung des Kaufpreises von 25.000,00 DM an die
Klägerin verpflichtet, denn sie hat ihn ohne Rechtsgrund erlangt. Der Kaufvertrag vom
31.05.1985 ist durch die Anfechtung der Klägerin vom 22.07.1985 gem. §§ 123, 142
Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Beklagte zu 2) hat die Klägerin
durch arglistige Täuschung zum Kaufe des Pferde Wotan bewegt, denn sie hat ihr bei
den Kaufverhandlungen verschwiegen, dass an dem Pferd in der Tierklinik
Wattenscheid am 24.11.1984 eine Ventrikellectum Operation nach Hopdale
vorgenommen und anschließend eine Kehlkopfplastik nach Mecki Smith eingesetzt
worden ist. Der Zeuge Dr. D hat diesbezüglich bekundet, er habe am 19.11.1984 im
Beisein des Beklagten zu 1) bei dem Pferd eine Larungoskopie durchgeführt und
diesem seine Feststellungen im einzelnen erläutert. Er habe ihm zur Durchführung einer
Operation geraten. Als Laie habe er ihm kaum die Einzelheiten der beiden Methoden
erläutern können, er habe ihn aber über die Technik der Operation aufgeklärt, darüber,
dass eine Plastik seitlich fixiert und ein Stimmband herausgenommen werde. Aufgrund
dieser Aussage des behandelnden Tierarztes steht fest, dass dem Beklagten zu 1) vor
Abschluss des Kaufvertrages Art und Ausmaß der Operation bekannt waren. Diese
Kenntnis des Beklagten zu 1), der nach dem nicht substantiiert widersprochenen
Sachvortrag der Klägerin für die Beklagte zu 2) die Vertragsverhandlungen geführt hat
(§ 138 Abs. 3 ZPO), muss sich die Beklagte zu 2) gem. §§ 166, 278 BGB zurechnen
lassen. Die Beklagte zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), war auch verpflichtet,
die Klägerin über den tatsächlichen Umfang der Operation aufzuklären. Der Verkäufer
eines Pferdes ist jedenfalls dann, wenn wie hier Gespräche über die Gesundheit eines
Pferdes geführt werden, gehalten, dem Kaufinteressenten alle ihm bekannten Umstände
mitzuteilen, die die Tauglichkeit des Pferdes betreffen und die geeignet sind, seinen auf
Erwerb des Pferdes gerichteten Willen zu beeinflussen. Erfahrungsgemäß ist es für den
Käufer eines Pferdes von maßgeblicher Bedeutung, ob dieses lediglich einen
altersgemäßen Zustand aufweist oder ob Eingriffe, z.B. eine Operation, von außen
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stattgefunden haben. Die Freiheit von Operationen spielt im Pferdehandel eine
beträchtliche Rolle für den Wert eines Pferdes, auch dann, wenn die Operation gut
verlaufen und die sich auslösende Erkrankung behoben ist (§ 287 ZPO). Die
Offenbarungspflicht der Beklagten zu 2) erforderte danach nicht nur den allgemeinen
Hinweis auf einen operativen Eingriff, sondern auch nähere Angaben über Art und
Ausmaß der Operation. Dieser Offenbarungspflicht ist die Beklagte zu 2) nicht
nachgekommen. Ihre Behauptung, sie, die Beklagten, hätten wiederholt erklärt, in der
Klinik Dr. D sei eine Fistel am Kehlkopf operativ beseitigt worden, ist bereits zeitlich
nicht nachvollziehbar. Dem angebotenen Zeugenbeweis ist nicht nachzugehen, da dies
auf eine prozessrechtlich nicht zulässige Ausforschung hinausliefe. Selbst wenn man
aber davon ausgeht, die Beklagte zu 2) hätte die Klägerin auf die operative Entfernung
einer Fistel hingewiesen, so hat die Beklagte zu 2) gleichwohl ihre vertragliche
Aufklärungspflicht verletzt. Gerade weil die Parteien vor Abschluss des Kaufvertrages
über den Gesundheitszustand des Pferdes gesprochen hatten, durfte die Beklagte zu 2)
sich nicht auf den Hinweis beschränken, bei dem Pferd sei eine Fistel entfernt worden,
zumal dies nicht ihrem Erkenntnisstand entsprach. Sie hätte die Klägerin vielmehr
darüber unterrichten müssen, dass nach der hier bekannten Erklärung des Tierarztes Dr.
D bei dem Pferd eine Stimmbandentfernung vorgenommen und eine seitliche
Kehlkopfplastik eingesetzt worden ist. Macht der Verkäufer nämlich - wie hier die
Beklagte zu 2) - Angaben über den Gesundheitszustand des Pferdes, so kann der
Käufer im redlichen Geschäftsverkehr davon ausgehen, dass der Verkäufer seine
Erklärung nicht unvollständig und ins Blaue hinein abgibt. Der die Arglist begründende
Vorwurf gegenüber dem Verkäufer liegt in einem solchen Fall in dem Umstand, dass er
die für ihn erkennbare Vorstellung des Käufers über den mitgeteilten
Gesundheitszustand ausnutzt. Dass der Beklagte zu 1) die Erklärung des Tierarztes
dahingehend verstanden haben will, dass nur eine Fistel am Kehlkopf entfernt werden
müsse, ist angesichts der eindeutigen Aussage des Zeugen Dr. D unverständlich,
entlastet den Beklagten zudem nicht, da diese Schlussfolgerung aus dem ihm
mitgeteilten und bekannten Operationsumfang eine Erklärung ins Blaue hinein darstellt.
Die Arglist des Beklagten zu 1), die sich die Beklagte zu 2) zurechnen lassen muss, liegt
nicht in der falschen Schlussfolgerung, sondern darin, dass dieser die ihm erläuterte
Operationstechnik verschwiegen und dementsprechend eine Erklärung ins Blaue
abgegeben hat. Da die Anfechtung gem. § 123 BGB auch nicht durch die
Sonderregelung der §§ 481 ff BGB verdrängt wird, ist die Beklagte zu 2) zur
Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet. Dass der Klägerin Art und Ausmaß der
Operation aufgrund der Untersuchung des Tierarztes Dr. T bekannt waren, behauptet
die Beklagte selbst nicht.
Der Zinsanspruch folgt aus § 849 BGB.
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Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug, da sie die Rücknahme des Pferdes mit
Schreiben vom 26.07.1985 abgelehnt hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Hinsichtlich der Haftung des Beklagten zu 1) ist noch eine weitere Sachaufklärung
erforderlich.
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Geldmacher
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