Urteil des AG Neuss vom 05.05.1997

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Amtsgericht Neuss, 42 C 531/96
Datum:
05.05.1997
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
42. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
42 C 531/96
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 611,02 nebt 4 %
Zinsen seit dem 17.08.1996 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a II ZPO verzichtet.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der Klägerin stehen gegen die Beklagte gemäß §§ 7 I StVG, 3 Nr. 1, 2 PflVG ein
restlicher Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis vom 22.05.1996 in Höhe
von DM 611,02 zu.
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Die Klägerin kann die Kosten für die über dem Durchschnitt liegenden
Stundenverrechnungssätze sowie den Ersatzteilzuschlag in Höhe von 15 %
beanspruchen.
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Die Klägerin ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich berechtigt, die
Reparaturkosten fiktiv auf der Basis eines eingeholten Sachverständigengutachtens
abzurechnen. Dabei kann sie diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die ein verständiger,
wirtschaftlich denkender Eigentümer für die Instandsetzung seines Fahrzeuges als
zweckmäßig und angemessen ansieht. Abzustellen ist hierbei auf die ortsüblichen
Kosten für die durchzuführende Reparatur.
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Die Klägerin hat die Höhe des Schadens durch Vorlage eines Gutachtens eines
öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachgewiesen. Da keine
Anhaltspunkte für gravierende Mängel in diesem Gutachten bestehen, ist das Gutachten
für das erkennende Gericht grundsätzlich als geeignet abzusehen, den Schaden gemäß
§ 287 ZPO zu schätzen.
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Der Geschädigte, der die fiktiven Reparaturkosten durch Vorlage eines
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Sachverständigengutachtens abrechnet, kann die Erstattung von Ersatzteilzuschlägen
zumindest dann beanspruchen, wenn solche von Vertragswerkstätten am Ort der
Reparatur üblicherweise berechnet werden (AG Essen, NZV 1996, 154). Der öffentlich
bestellte und vereidigte Sachverständige hat die über dem Durchschnitt liegenden
Stundenverrechnungssätze sowie den Erstatzteilzuschlag in Höhe von 15 % in die
Schadensberechnung miteinbezogen und die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass …-
Vertragshändler im Raum … die Ersatzteile üblicherweise nur mit einem Aufschlag von
mindestens 13 % auf die unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers verkaufen.
Das Gericht geht daher unter Berücksichtigung seiner Befugnis zur Schadensschätzung
gemäß § 287 ZPO davon aus, dass die Stundenverrechnungssätze und
Ersatzteilaufschläge, die Grundlage der Berechnung in dem vorliegenden
Sachverständigengutachten sind, in …-Fachwerkstätten im Raum … üblich sind.
Gegenteiliges ist auch dem Vortrag der Beklagten nicht in entscheidungserheblicher
Weise zu entnehmen. Es wird auch nicht verkannt, dass die Klägerin als Geschädigte
bei einer Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten gem. § 249 BGB nur Ersatz
der "erforderlichen" Reparaturkosten verlangen kann. Sie ist aber dennoch nicht
gehalten, sich mit einem "mittleren Stundenverrechnungssatz" zu begnügen, der als
arithmetisches Mitel der Stundenverrechnungssätze in fabrikatsgebundenen und freien
Fachwerkstätten errechnet wird. Vielmehr müssen dem Geschädigten nach den
Grundsätzen des Schadensrechtes die Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur
weitestgehenden Wiederherstellung des Zustandes führen, wie er vor dem
schädigenden Ereignis bestand. In der vorliegenden Fallkonstellation, bei der der
fragliche Wagen zum Unfallzeitpunkt erst gute zwei Monate alt war und noch unter die
Herstellergarantie fiel, kann diesem Grundsatz nur dadurch Rechnung getragen werden,
dass der Klägerin die Reparaturkosten ersetzt werden, die bei einer Reparatur in einer
…-Vertragswerkstatt entstehen würden, weil die Klägerin nur durch eine Reparatur in
einer solchen Vertragswerkstatt die für ihr erst zwei Monate altes Fahrzeug noch
geltende Herstellergarantie erhalten konnte. Unter der Berücksichtigung, dass der Sitz
der Klägerin in … ist, war sie berechtigt, die Kosten für eine Abrechnung auf fiktiver
Basis anzusetzen, die sie in einer …-Vertragswerkstatt in … für die notwendigten
Reparaturen bezahlt hätte.
Der Geschädigten kann nicht zugemutet werden, die Herstellergarantie durch eine
Reparatur in einer nicht markenbezogenen Fachwerkstatt zu gefährden. Etwas anderes
kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch dann nicht gelten, wenn der
Geschädigte sein Fahrzeug ohne vorherige Reparatur weiterverkauft. Auch bei dem
Verkauf eines Fahrzeuges in unrepariertem Zustand ist das Bestehen oder
Nichtbestehen einer Herstellergarantie als preisbildender Faktor von Bedeutung. Eine
freilwillige Aufgabe des Integrietätsinteresses kann in dem Verkauf des unreparierten
Fahrzeuges nicht gesehen werden. Jede andere Beurteilung würde den Geschädigten
zwingen, seinen Wagen vor einem Verkauf in einer markenbezogenen Fachwerkstatt
reparieren zu lassen, um das Fahrzeug danach im reparierten Zustand und mit
weiterbestehender Herstellergarantie zu verkaufen. Es ist der Regelung des § 249 BGB
nicht zu entnehmen, dass der Geschädigte zu einer solch umständlichen
Verfahrensweise gehalten sein könnte (vgl. AG Königswinter, ZfS 1995, 55 f, 56).
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Der Zinsanspruch des Klägers rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges
nach dem § 188 I BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 I 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert: DM 611,02
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Richter
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