Urteil des AG Neuss vom 18.03.1994

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Amtsgericht Neuss, 36 C 593/93
Datum:
18.03.1994
Gericht:
Amtsgericht Neuss
Spruchkörper:
durch den Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 593/93
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 600,00
DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.09.1993 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
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1.
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Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe
von 600,00 DM zu.
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Die Kläger waren gemäß § 537 Abs. 1 BGB berechtigt, den vereinbarten Mietzins in der
Zeit von März bis Mai 1993 um insgesamt 225,00 DM (= 10 % der Nettomiete) zu
mindern, so dass die Aufrechnung des Beklagten mit einem Bereicherungsanspruch
gemäß § 812 BGB wegen nicht gezahlter Miete in gleicher Höhe ins Leere geht. Die
Wohnung der Kläger war in dem vorgenannten Zeitraum mit einem Mangel behaftet, der
die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch zumindest teilweise nicht nur
unerheblich beeinträchtigte. Als Mangel in diesem Sinn ist die von den Klägern unter
Bezugnahme auf das Gutachten S... in den Zimmern der Wohnung (Küche, Bad,
Schlafzimmer und Kinderzimmer) reklamierte Feuchtigkeit anzusehen. Davon, dass die
Wohnung der Kläger in der Zeit von März bis Mai 1993 Feuchtigkeit aufgewiesen hat, ist
gemäß § 138 Abs. 3 ZPO auszugehen, denn der Beklagte hat das Vorbringen der
Kläger insoweit nicht substantiiert bestritten. Nachdem die Kläger dem Beklagten die
Mängel mit Schreiben vom 22.12.1992 und 10.02.1993 angezeigt hatten, war dieser aus
vertraglicher Nebenpflicht gemäß § 242 BGB verpflichtet, der Mängelrüge nachzugehen
und sich ein Bild von den mitgeteilten Mängel zu machen. Unterlässt der Vermieter –
wie hier ersichtlich der Beklagte – die gebotene Mitwirkung, so kann er im
nachfolgenden Zahlungs- bzw. Minderungsrecht das Vorhandensein der Mängel nicht
lediglich pauschal bestreiten.
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Im übrigen ergibt sich auch aus dem vorgelegten Gutachten des Sachverständigen S...,
dass Feuchtigkeit vorhanden gewesen sein muss. Wenn der Sachverständige S... noch
im Juni 1993 in den bezeichneten Zimmern Stockflecken und Schwarzschimmelkulturen
festgestellt hat, so rechtfertigt dies die Schlussfolgerung, dass Feuchtigkeit über einen
längeren Zeitraum vorhanden gewesen sein muss. Wie dem Gericht aus einer Vielzahl
von Prozessen und im übrigen auch allgemein bekannt ist, sind Stockflecken und
Schwarzschimmelkulturen Folge einer anhaltenden Durchfeuchtung und treten nicht
von heute auf morgen auf. Gegenteiliges ist auch dem Vorbringen des Beklagten nicht
zu entnehmen.
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Der Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass die Feuchtigkeitsschäden auf ein
fehlerhaftes Lüftungs- oder Heizverhalten der Kläger zurückzuführen waren. Bereits der
Sachverständige S... führt in seinem Gutachten aus, dass das Auftreten von
Kondensatschäden in der Wohnung mit einem hohen Ursachenanteil bauwerksbedingt
ist. Demgegenüber kann er lediglich vermuten, dass die Entwicklung von Raumfeuchte
durch die Kläger nicht sorgfältig beobachtet worden ist und vorbeugende Maßnahmen
unterblieben sind. Eine beweiskräftige Feststellung ist im Hinblick auf den Zeitablauf mit
den von dem Beklagten angegebenen Beweismitteln nicht mehr möglich. Dies geht zu
Lasten des Beklagten, die die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die
Feuchtigkeitsschäden ganz oder anteilig in den Verantwortungsbereich des Mieters
fallen.
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Selbst wenn die Kläger der Feuchtigkeit aber durch zumutbare Änderung ihres Heiz-
und Lüftungsverhaltens hätten entgegenwirken können, so wäre diesem Gesichtspunkt
nur dann nachzugehen, wenn der Beklagte insoweit seiner Aufklärungspflicht
nachgekommen wäre. Greift der Vermieter – wie hier der Beklagte – durch Austausch
der vorhandenen einfachen Holzfenster gegen dichtschließende Kunststofffenster
massiv in den aufeinander abgestimmten Aufbau des Gebäudes und damit in die
raumklimatischen Verhältnisse ein, so muss er den Mieter unter Berücksichtigung der
konkreten Wohnsituation über das erforderliche Heiz- und Lüftungsverhalten zur
Verhinderung von Feuchteschäden, ggfs. unter Zuhilfenahme sachverständiger
Beratung, aufklären. Wäre er dieser Aufklärungspflicht nachgekommen, hätte er die
Kläger über die Nachteile der vorhandenen Styroporplatten an den Deckenflächen
informieren und auf diese Weise den Feuchteschäden vorbeugen können. Wie der
vorgelegten Korrespondenz zu entnehmen ist, hat der Beklagte sich aber lediglich auf
allgemein gehaltene Hinweise beschränkt, mit denen er der ihm obliegenden
Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist.
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Unter Einbeziehung der Ausführungen des Sachverständigen S... schätzt das Gericht
die in Betracht kommende Minderung auf (mindestens) 75,00 DM monatlich, § 287 ZPO.
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2.
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Der Kautionsrückzahlungsanspruch der Kläger ist auch nicht gemäß §§ 387, 389 BGB
durch Aufrechnung des Beklagten mit einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung
gemäß § 557 Abs. 1 BGB erloschen. Die Kläger haben dem Beklagten die Wohnung
über den Ablauf der Mietzeit (31.05.1993) hinaus nicht vorenthalten. Zwar haben sie die
Wohnung erst am 10.06.1993 an den Beklagten übergeben, weil der im
Beweissicherungsverfahren beauftragte Sachverständige die Wohnung erst am
07.06.1993 besichtigt hat. Eine Vorenthaltung liegt jedoch nur dann vor, wenn die
verspätete Rückgabe der Wohnung dem Willen des Vermieters widerspricht, ohne dass
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es insoweit auf ein Verschulden des Mieters ankommt (Franke in Fischer-Dieskau/-
Pergande/Schwender Wohnungsbaurecht, Bd. 5, § 557 BGB Anm. 5). Diese
Voraussetzung liegt aber nicht vor, denn der Beklagte war mit der Durchführung des
Beweissicherungsverfahrens einverstanden, so dass die verspätete Rückgabe im
Hinblick auf den erst am 07.06.1993 durchgeführten Ortstermin nicht seinem Willen
widersprach. Sein Einverständnis hat der Beklagte im Verfahren ... mit Schriftsatz vom
22.04.1993 erklärt. Darin heißt es "der Antragsgegner begrüßte es, dass durch einen
Sachverständigen festgestellt werden soll...." Gleichzeitig hat der Beklagte Anregungen
zum Umfang der zutreffenden Feststellungen erteilt. Damit hat er die verfahrensbedingt
verspätete Rückgabe der Wohnung in Kauf genommen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 285, 288 BGB.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert: 600,00 DM.
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