Urteil des AG Neumünster vom 15.03.2017

AG Neumünster: wiederherstellung des früheren zustandes, fahrzeug, firma, unfall, einfahrt, kostenvoranschlag, betriebsgefahr, verschulden, paket, halter

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Gericht:
AG Neumünster
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 C 910/96
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 249 BGB
Schadenersatz bei Kfz-Unfall: Ersatzfähigkeit fiktiver
Verbringungskosten
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 738,63 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
1. Juni 1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur in Höhe der Hälfte des vom Kläger geltend gemachten
Schadensbetrages von 1.477,27 DM, nämlich nur in Höhe von 738,63 DM, aus §§ 7
Abs. 1, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVG begründet.
Unstreitig ist, dass am Fahrzeug des Klägers ein Schaden dadurch entstanden ist,
dass sein Fahrzeug mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw, der von
dem Zeugen ... gefahren worden ist, auf der Auffahrt der Firma ...
zusammengestoßen ist. Damit liegen die Voraussetzungen für einen
Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG gegen den Halter und §§ 18 Abs. 1,
7 Abs. 1 StVG gegen den Fahrer, für die die Beklagte gemäß § 3 Nr. 1 PflVG
einzutreten hat, vor. Sie hat für die von dem Lkw ausgehende Betriebsgefahr
einzustehen.
Die Ersatzpflicht ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da die Beklagte
nicht bewiesen hat, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht
worden ist. Als unabwendbares Ereignis kommt hier nur die Behauptung der
Beklagten in Betracht, der Kläger sei mit seinem Fahrzeug auf den stehenden Lkw
aufgefahren. Diese Behauptung ist jedoch nicht bewiesen. Zwar hat der Fahrer des
Lkw, der Zeuge …, ausgesagt, dass der Kläger aufgefahren sei, als er gestanden
habe. Das Gericht ist jedoch von der Richtigkeit dieser Aussage nicht überzeugt.
Dagegen spricht, dass der Zeuge ein Paket nicht bei der Firma ... sondern in deren
Nachbarschaft abzuliefern hatte und er nach dem Zusammenstoß und der
Unfallaufnahme rückwärts von der Einfahrt der Firma ... auf die Straße
zurückgefahren ist, um zu wenden und zu der Firma zu gelangen, bei der er das
Paket abliefern wollte. Dies spricht eher dafür, dass der Zeuge ... von vornherein
beabsichtigt hat, wieder rückwärts aus der Einfahrt herauszufahren, um zu wenden
und entweder tatsächlich bereits im Rückwärtsgang fuhr oder zurückrollte, als der
Lkw mit dem Pkw des Klägers zusammenstieß. Als Fahrer des Lkw hat der Zeuge
auch ein Interesse daran, nicht ein eigenes schuldhaftes Verhalten einzugestehen.
Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der Zeuge eine unwahre Aussage
gemacht hat. Eine Überzeugung von der Richtigkeit der Aussage konnte das
Gericht deshalb nicht gewinnen. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge
angab, das Fahrzeug auf dem Geländer Der Firma ... abzustellen. Dagegen
spricht, dass sich der Zusammenstoß auf der Einfahrt ereignete, wo der Lkw nicht
hätte abgestellt werden können. Die Aussage des Zeugen ... überzeugt auch in
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hätte abgestellt werden können. Die Aussage des Zeugen ... überzeugt auch in
diesem Punkt nicht.
Andererseits muß sich der Kläger die von seinem Fahrzeug ausgehende
Betriebsgefahr gemäß § 17 StVG anrechnen lassen. Nach dieser Vorschrift hängt
die Verpflichtung zum Schadensersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes
von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend
von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Auf beiden Seiten ist
lediglich die von beiden Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr zu
berücksichtigen. Ein Verschulden ist weder auf Seiten des Klägers bewiesen, da,
wie bereits ausgeführt, der Aussage des Zeugen ... nicht zu folgen ist, unabhängig
davon, dass sich die Beklagte nicht auf den Zeugen ... zum Beweis für ein
Verschulden des Klägers berufen hat. Umgekehrt hat der Kläger aber auch nicht
ein Verschulden seitens des Halters oder Fahrers des Lkw bewiesen. Hier käme
ohnehin nur ein schuldhaftes Verhalten des Zeugen ... als Fahrer in Betracht.
Dieser hat jedoch bestritten, rückwärts gefahren zu sein. Auch wenn die Aussage
nicht hinreichend glaubhaft ist, so läßt sich ihr jedoch auch nicht im Umkehrschluß
beweiskräftig entnehmen, dass der Zeuge rückwärts gefahren ist, ohne auf den
Kläger Rücksicht zu nehmen und dadurch den Unfall verschuldet hat. Da auf
beiden Seiten mithin die Betriebsgefahr der Fahrzeuge zu berücksichtigen ist,
kommt eine Haftung lediglich im Umfang von 50 % des eingetretenen Schadens
zugunsten des Klägers in Betracht.
Zur Überzeugung des Gerichtes steht fest, dass durch den Unfall am Fahrzeug
des Klägers ein Schaden im Umfang von 1.477,27 DM eingetreten ist. Die Ehefrau
des Klägers hat als Zeugin glaubhaft bestätigt, dass das Fahrzeug vor dem
Zusammenstoß mit einem Lkw auf dem Gelände der Firma Blumen Ludwig keinen
Schaden aufgewiesen habe und danach der Stoßfänger vorne heruntergehangen
hätte. Sie habe sich den Schaden am Fahrzeug angesehen, nachdem ihr Mann
nach Hause gekommen sei und ihr erzählt habe, dass er einen Zusammenstoß
mit einem Lkw auf der Einfahrt der Firma ... gehabt habe. Die Zeugin konnte sich
zwar an das Datum des Tages nicht erinnern, aus dem Umstand, dass der Kläger
den Zusammenstoß auf dem Gelände der Firma ... erwähnte, kann jedoch
gefolgert werden, dass es sich um den gleichen Tag handelte, an dem sich der
Unfall ereignete. Aus der ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen ... ergibt sich,
dass zur Beseitigung des Schadens am Stoßfänger ein Betrag von insgesamt
1.477,27 DM inklusive Mehrwertsteuer aufzuwenden war. Er konnte zwar nicht
mehr genau angeben, weshalb der von ihm erstellte Kostenvoranschlag vom
9.5.1996 erst so spät nach dem Unfalltag am 11.4.1996 erstellt worden ist. Er gab
jedoch in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin ... an, dass der
Stoßfänger vorne beschädigt war. Außerdem habe sich nach seiner Aussage die
Grillblende verzogen, was im Zusammenhang mit dem Schaden am vorderen
Stoßfänger stehen kann. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die in dem
Kostenvoranschlag des Zeugen ... vom 9.5.1996 angebrachten Reparaturen
betreffend den Stoßfänger und die Grillblende erforderlich waren, um den durch
den Zusammenstoß mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw
entstandenen Schaden zu beseitigen. Die im Kostenvoranschlag in Ansatz
gebrachten Kosten sind der Höhe nach nicht beanstandet worden, weshalb sie
vom Gericht zugrundegelegt werden. Entgegen der Meinung der Beklagten hält
das Gericht auch die Kosten für die Verbringung zum Lackierer für ersatzfähig,
auch wenn die Reparatur nicht nachgewiesen worden ist. Der Kläger kann gemäß §
249 BGB anstelle der als Schadensersatz in erster Linie geschuldeten
Wiederherstellung des früheren Zustandes den dazu erforderlichen Betrag
verlangen. Ist für eine fachgerechte Wiederherstellung die Verbringung zu einem
Lackierer bei einer vom Geschädigten ausgesuchten Fachwerkstatt erforderlich, so
sind auch die dafür anfallenden Kosten zu ersetzen. Der Höhe nach ist mithin von
dem im Kostenvoranschlag des Zeugen ... genannten Betrag als Gesamtschaden
am Fahrzeug des Klägers, mithin von einem Schaden von 1.477,27 DM
auszugehen. Hiervon kann der Kläger 50 % von der Beklagten ersetzt verlangen.
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug gemäß den §§ 284, 286, 288 BGB, der durch
das Mahnschreiben der Klägerseite vom 15.5.1996 eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.