Urteil des AG Neumünster vom 14.03.2017

AG Neumünster: höhere gewalt, fahrzeug, unfall, reparaturkosten, versicherer, korrespondenz, gegenüberstellung, halter, beschädigung, gutachter

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Gericht:
AG Neumünster
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
32 C 866/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 249 BGB
Schadenersatz bei Kfz-Unfall: Abzug bei vorgeschädigter
Stoßstange
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 620,42 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.
April 2007 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 60,34 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem
Kläger zu 1/5 und den Beklagten zu 4/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch die jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Parkplatzunfall.
Am 09. März 2007 kam es auf dem Parkplatz der Firma … in N … zu einem
Parkplatzunfall, als die Beklagte zu 2) mit dem Pkw des Beklagten zu 1), der bei
der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war, rückwärts ausparkte und dabei gegen
den parkenden Pkw des Klägers stieß. Der Kläger saß zu diesem Zeitpunkt nicht in
seinem Fahrzeug. Das Heck des Beklagtenfahrzeuges berührte den klägerischen
Pkw leicht im Frontbereich. Die Beklagte zu 2) ließ den Kläger im Supermarkt
ausrufen. Bei der gemeinsamen Inaugenscheinnahme des klägerischen
Fahrzeuges stellten der Kläger und die Beklagte zu 2) jedenfalls keine größeren
Schäden fest. Der Kläger ließ sein Fahrzeug gleichwohl von einem
Sachverständigen begutachten, der einige Schäden, unter anderem am Kühlergrill
und am Scheinwerfer feststellte und die Reparaturkosten auf 747,42 EUR netto
schätzte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Reparaturkostenkalkulation des
Sachverständigenbüros S… vom 12. März 2007 (Bl. 99-100) Bezug genommen.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2007 (Bl. 5-6) ließ der
Kläger die Beklagte zu 3) unter Fristsetzung zum 20. April 2007 zur Regulierung
der Nettoreparaturkosten sowie einer Kostenpauschale in Höhe von 20,00 EUR
auffordern. Die Beklagte zu 3) lehnte eine Regulierung ab, weil sie das Vorliegen
eines Vorschadens vermutete.
Der Kläger behauptet, die Schäden an seinem Kfz im rechten Frontbereich, an
Frontschürze, Scheinwerfer und Kühlergrill, seien sämtlich auf den
streitgegenständlichen Parkplatzunfall zurückzuführen. Die von dem vorgerichtlich
beauftragten Gutachter geschätzten Nettoreparaturkosten seien erforderlich und
angemessen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 767,42 EUR
nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. April 2007 zu zahlen
und
die Beklagten als Gesamtschuldner weiter zu verurteilen, an ihn einen
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die Beklagten als Gesamtschuldner weiter zu verurteilen, an ihn einen
weiteren Betrag in Höhe von 60,34 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, an dem klägerischen Fahrzeug habe ein Vorschaden vorgelegen.
Die von dem klägerseits beauftragten Sachverständigen ermittelten
Reparaturkosten bezögen sich ganz oder jedenfalls weit überwiegend auf Schäden,
die bereits vor dem streitgegenständlichen Parkplatzunfall vorhanden gewesen
seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 01. Oktober 2007
(Bl. 42-43) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie
durch die ergänzende Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen K… vom 28.
Januar 2008 (Bl. 51-61) sowie auf das Protokoll des Termins vom 30. April 2008 (Bl.
96-98) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Der Kläger kann
den überwiegenden Teil des von ihm geltend gemachten Schadens ersetzt
verlangen. Ein Abzug ist lediglich wegen einer bereits vorhandenen Beschädigung
der Stoßstange vorzunehmen.
Haftungsgrundlage für Schadensersatzansprüche gegen unfallbeteiligte
Kraftfahrzeugführer, -halter und -versicherer sind §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 und 3
StVG sowie §§ 823 ff. BGB, hinsichtlich der Versicherer jeweils i.V.m. § 3 Nr. 1 und
2 PflVG. Nach diesen Vorschriften haften Halter, Führer und Versicherer
unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge gesamtschuldnerisch für die aus dem Unfall
entstandenen Schäden, sofern der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht
worden ist. Hiernach haften die Beklagten gesamtschuldnerisch in vollem Umfang
für die dem Kläger durch den Parkplatzunfall entstandenen Schäden. Es ist
zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte zu 2) den Zusammenstoß
allein verschuldet und der Kläger hierzu keinen Verursachungsbeitrag geleistet
hat. Im Streit ist allein die Ursächlichkeit des Unfalls für die von dem
Sachverständigen festgestellten Schäden.
Hierzu hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die
von dem Kläger geltend gemachten Reparaturkosten vollständig auf
Beschädigungen entfallen, die durch das streitgegenständliche Ereignis
hervorgerufen worden sind. Der Sachverständige K… hat die durch den
vorgerichtlich vom Kläger beauftragten Sachverständigen festgestellten Schäden
bestätigt und hierzu überzeugend ausgeführt, dass diese Schäden mit den
Beschädigungen korrespondierten, die am Beklagtenfahrzeug feststellbar seien.
Die Erläuterungen des Sachverständigen anhand der Lichtbilder, wonach sich der
an dem Beklagtenfahrzeug erkennbare runde Pralldämpferabdruck am
Klägerfahrzeug wiederfinde, wie sich auch die Scheinwerferform des
Klägerfahrzeuges in korrespondierender Höhe am Heck des Beklagtenfahrzeuges
wiederfinde, sind auch für den Laien ohne weiteres nachvollziehbar. Soweit der
Sachverständige einschränkend mitgeteilt hat, absolute Gewissheit über die
Korrespondenz der Schäden lasse sich nur bei einer Gegenüberstellung der
Fahrzeuge gewinnen, hindert dies die Überzeugung des Gerichts nicht. Die Fotos
und Feststellungen des Sachverständigen sind auch ohne Gegenüberstellung
hinreichend ergiebig angesichts des Umstandes, dass der eigentliche
Unfallhergang und die Tatsache des Zusammenstoßes unstreitig sind. Auch dass
die Parteien übereinstimmend angegeben haben, vorne rechts am
Klägerfahrzeug, also im jetzt streitgegenständlichen Schadensbereich, keine oder
keine größeren Beschädigungen festgestellt zu haben, steht der Überzeugung des
Gerichts nicht entgegen. Denn der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass es
sich bei den äußerlich erkennbaren Beschädigungen lediglich um leichte Kratzer
oder "Schönheitsfehler" handele, die bei einem älteren Auto häufig zum
Erscheinungsbild gehörten und deswegen von den Parteien nicht unbedingt als
ernsthafter Schaden eingestuft worden sein müssten. So lässt sich die
Einschätzung der Parteien am Unfallort mit den Feststellungen des
Sachverständigen in Einklang bringen, wonach die eigentlich reparaturbedürftigen
Schäden erst bei Öffnen der Motorhaube erkennbar gewesen seien.
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Soweit der Kläger vorprozessual und auch noch während der Begutachtung durch
den gerichtlich bestellten Sachverständigen mitgeteilt hat, der unfallbedingte
Schaden befinde sich an seinem Fahrzeug vorne links, hindert auch dies die
Überzeugung des Gerichts nicht. Das Gericht ist angesichts der umfassenden
Korrespondenz der vorne rechts am Klägerfahrzeug befindlichen Schäden mit dem
Erscheinungsbild des Hecks des Beklagtenfahrzeuges davon überzeugt, dass es
sich bei dieser Angabe des Klägers schlicht um einen Irrtum handelt. Die
Entstehung dieses Irrtums ist ohne weiteres nachvollziehbar. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen befindet sich im vorderen linken Frontbereich
des klägerischen Fahrzeugs ein Schaden, der auffälliger ist als die äußerlich
erkennbaren Beschädigungen vorne rechts, die überhaupt nur bei sehr genauem
Hinsehen erkennbar seien. Wenn nun dem Kläger die vorne links an seinem
Fahrzeug befindlichen sichtbaren Schäden noch nicht aufgefallen waren und ihm
sodann von der Beklagten zu 2) mitgeteilt wird, sie habe sein Fahrzeug im
Frontbereich angefahren, so liegt es nahe, wenn der Kläger, der den Unfallhergang
nicht beobachtet hat, die besser erkennbaren Schäden vorne links auf den Unfall
zurückgeführt hat.
Die vorne links am Klägerfahrzeug befindlichen Schäden führen allerdings dazu,
dass der Kläger sich wegen der auf die Stoßstange entfallenden Ersatzteilkosten
einen so genannten "Abzug neu für alt" gefallen lassen muss. Nach den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist es ausgeschlossen, dass
diese Beschädigung durch das streitgegenständliche Unfallereignis hervorgerufen
worden ist. Sie muss zum Unfallzeitpunkt allerdings bereits vorhanden gewesen
sein, denn der Kläger hat den gerichtlich bestellten Sachverständigen noch im
Begutachtungstermin darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hierbei um die
streitgegenständliche Anstoßstelle handele. Dies spricht deutlich dafür, dass der
Kläger den auf Seite 5 des Sachverständigengutachtens (Bl. 55) im oberen Foto
eingekreisten Schadensbereich bereits am Unfalltage wahrgenommen und ihn -
fälschlicherweise - dem streitgegenständlichen Anstoß zugeordnet hat.
Die Erforderlichkeit und Angemessenheit der für die Reparatur jeweils angesetzten
Beträge haben die Beklagten nicht bestritten; sie sind auch vom gerichtlich
bestellten Sachverständigen für nachvollziehbar und angemessen befunden
worden. Von den so ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 747,42 EUR entfallen
auf die Stoßstange 294,00 EUR. Weil die Stoßstange einen Vorschaden aufweist
und gleichzeitig durch das streitgegenständliche Ereignis weiter beschädigt worden
ist, ist es angemessen, von diesen Ersatzteilkosten einen Abzug "neu für alt" in
Höhe von 50 % vorzunehmen. Daraus ergibt sich ein Abzug in Höhe von 147,00
EUR, in dessen Höhe die Klage abzuweisen war. Die Kostenpauschale kann der
Kläger in Höhe von 20,00 EUR beanspruchen.
Der Zinsanspruch ergibt sich §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Nach
fruchtlosem Ablauf der ihr gesetzten Zahlungsfrist befand sich die Beklagte zu 3)
mit der Regulierung des Schadens in Verzug, der auch gegen die übrigen
Beklagten wirkt (vgl. Palandt- , 67. Auflage, § 425 Rn. 3). Weiter hat der
Kläger gemäß § 249 BGB Anspruch auf Erstattung der ihm für die vorgerichtliche
Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten. Diese sind als
zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig; ihre
Berechnung ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.