Urteil des AG Neukölln vom 01.07.2004

AG Neukölln: eigentümer, unteilbare leistung, einheit, rechtsmittelbelehrung, anfang, beschwerdeschrift, hauptsache, sammlung, verfügung, link

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Gericht:
AG Neukölln
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
70 II 93/05.WEG, 70 II
93/05 WEG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 28 WoEigG, § 43 Abs 1 Nr 1
WoEigG, § 319 ZPO
Wohnungseigentumsverfahren auf Zahlung von
Wohngeldrückständen: Rubrumsberichtigung auf
Antragstellerseite hinsichtlich der Verfahrensbeteiligung der
Wohnungseigentümergemeinschaft statt sämtlicher Eigentümer
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 1.317,09 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 237,03 EUR seit
dem 1. Juli 2004, aus 101,00 EUR seit dem 1.1.2005, aus 101,00 EUR seit dem 1.2.2005,
aus 101,00 EUR seit dem 1.3.2005, aus 575,06 EUR seit dem 1. April 2005, aus 101,00
EUR seit dem 1.5.2005 und aus 101,00 EUR seit dem 1.6.2005 zu zahlen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.
3. Der Geschäftswert wird auf 1.317,09 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Antragsgegner ist in der im Rubrum bezeichneten Wohnanlage Eigentümer der
Einheit Nr. 5. In der Eigentümerversammlung vom 19. September 2003 beschlossen die
Eigentümer zum Tagesordnungspunkt 5 eine Sonderumlage in Höhe von 20.000,00 EUR.
Auf die Einheit Nr. 5 entfielen für seine Einheit 237,03 EUR. Dieser Betrag war bis zum
30. Juni 2004 fällig. In der Eigentümerversammlung vom 16. August 2004 beschlossen
die Eigentümer zum Tagesordnungspunkt 13 eine Sonderumlage in Höhe von 40.000,00
EUR. Auf die Einheit Nr. 5 entfielen für seine Einheit 474,06 EUR. Dieser Betrag war bis
zum 31. März 2005 fällig. In der Eigentümerversammlung vom 26. Mai 2005 beschlossen
die Eigentümer zum Tagesordnungspunkt 5 den Wirtschaftsplan 2005. Der
Antragsgegner hat hieraus monatlich 101,00 EUR zu leisten. Der Antragsgegner blieb
bislang jegliche Zahlung schuldig.
Die Eigentümer der Wohnanlage (in ihrem Namen ist auch die Klage erhoben)
beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, an sie 1.317,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 237,03 EUR seit dem 1. Juli 2004,
aus 101,00 EUR seit dem 1.1.2005, aus 101,00 EUR seit dem 1.2.2005, aus 101,00 EUR
seit dem 1.3.2005, aus 575,06 EUR seit dem 1. April 2005, aus 101,00 EUR seit dem
1.5.2005 und aus 101,00 EUR seit dem 1.6.2005 zu zahlen.
Der Antragsgegner nimmt nicht Stellung.
B. Der zulässige Antrag ist begründet.
I. 1) Der Antrag ist gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG im Wohnungseigentumsverfahren
statthaft und auch im Übrigen zulässig. Allerdings ist das Rubrum von Amts wegen dahin
zu berichtigen, dass nicht die Eigentümer als Antragsteller aufzuführen sind, sondern die
Eigentümergemeinschaft selbst Antragstellerin ist. Bei Eingang der Antragsschrift
entsprach es freilich der einhelligen und überzeugenden Rechtsprechung, dass die die
Eigentümergemeinschaft nicht partei- und prozessfähig ist. Nicht die
Eigentümergemeinschaft, vielmehr alle Eigentümer mussten im Verfahren Ansprüche
geltend (Merle in Bärmann/Pick/Merle, 8. Aufl. 2000, § 28 WEG Rz. 126). Die Lasten- und
Kostenbeiträge waren als Ansprüche der Gemeinschaft und als unteilbare Leistung i.S.v.
§ 432 BGB angesehen worden (BayObLG Rpfleger 1979, 217; Jennißen, Die
Verwalterabrechnung, 5. Aufl. 2004, XIII. Rz. 5). Der einzelne Eigentümer war hingegen
als nicht berechtigt angesehen worden, Forderungen der Eigentümer durchzusetzen
(BGHZ 111, 148, 152).
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Durch Beschluss des V. Zivilsenats vom 2. Juni 2005 (BGH ZMR 2005, 547) hat der
Bundesgerichtshof diese Sichtweise aber grundlegend geändert. Nach der neuen
Rechtsprechung ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rechtsfähig, soweit sie
bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt
(BGH ZMR 2005, 547). Nicht mehr die Eigentümer, die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer ist jetzt als Beitragsgläubigerin anzusehen (BGH ZMR 2005, 547,
555).
Diese Änderung der Rechtsprechung bedeutet nicht, dass in anhängigen Verfahren, in
denen die Eigentümer entsprechend der bisherigen Rechtsprechung geklagt haben, ein
Parteiwechsel erforderlich wäre. Vielmehr ist – ggf. von Amts wegen – das Rubrum zu
berichtigen (so für die Außen-GbR BGH NJW 2003, 1043; Jacoby, NJW 2003, 1644, 1645).
Diese Berichtigung beruht nicht darauf, dass die Gemeinschaft von Anfang an bereits
Partei war. Sie findet ihren Grund vielmehr darin, dass die Gemeinschaft der Rechtsstreit
von den Eigentümern kraft Gesetzes übernimmt. Denn die überraschende
Rechtsfortbildung des V. Zivilsenats vom 2. Juni 2005 (BGH ZMR 2005, 547) ist
gleichsam als Änderung des materiellen Rechts zu begreifen. Denn die Rechtsfortbildung
wirkt wegen ihrer faktischen Bindungswirkung für die am Rechtsverkehr Beteiligten in
gleicher Weise wie eine gesetzliche Änderung. Die Anerkennung von Rechts- und
Parteifähigkeit lässt sich damit materiell als eine „formwechselnde Umwandlung“
(Jacoby, NJW 2003, 1644, 1645), prozessual jedenfalls als Gesamtrechtsnachfolge
erfassen.
Etwas anderes ergibt sich im Übrigen nicht, wenn man wie für die Außen-GbR annimmt,
die Gemeinschaft sei „von Anfang an“ bereits Partei gewesen. Denn es entspricht
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, das auch bei äußerlich unrichtiger
Bezeichnung grundsätzlich das Rechtssubjekt als Partei anzusehen ist, das durch die
fehlerhafte Bezeichnung nach deren objektivem Sinn betroffen werden soll. Diese
Grundsätze gelten auch, wenn sich die klagende Partei selbst fehlerhaft bezeichnet hat
(BGH NJW 2003, 1043). Für die Zulässigkeit einer bloßen Rubrumsberichtigung spricht
bei dieser Sichtweise, dass die Eigentümer von vornherein in der rechtlich zulässigen
Weise eine allen zustehende Forderung geltend machen wollten.
2) Entsprechend dem Rubrum ist auch der Antrag dahingehend zu fassen, dass nicht
Zahlung an die Eigentümer, sondern an die Gemeinschaft zu erfolgen hat.
II. Der Antragsgegner ist gemäß §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 5 WEG auf Grund der Beschlüsse
über die Sonderumlagen verpflichtet, an die Antragstellerin 1.317,09 EUR zu zahlen. Der
Antragsgegner ist gem. § 280, 286, 288 BGB ferner verpflichtet, an die Antragstellerin
auf die rückständigen Forderungen Verzugszinsen in der zugesprochenen Höhe zu
leisten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswertes
beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
Sonstiger Langtext (Rechtsmittelbelehrung, Kostenentscheidungen, etc.):
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG das Rechtsmittel der sofortigen
Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Gegenstands der Beschwerde 750,00 EUR
übersteigt. Ist eine Entscheidung über die Hauptsache nicht ergangen, so kann gemäß §
20a Abs. 2 FGG die Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde angegriffen
werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100,00 EUR übersteigt. Gemäß §
22 FGG ist die sofortige Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen, und zwar
gemäß § 21 FGG durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu
Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Amtsgericht Neukölln oder bei dem Landgericht
Berlin, einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verfügung dem
Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist.
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