Urteil des AG Nettetal vom 12.09.2006

AG Nettetal: allgemeine geschäftsbedingungen, zusage, verschulden, vollstreckung, form, verfügung, auflage, dienstvertrag, behandlungsvertrag, bedenkzeit

Amtsgericht Nettetal, 17 C 71/03
Datum:
12.09.2006
Gericht:
Amtsgericht Nettetal
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 C 71/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.293,96 Euro nebst 5%
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2002 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10% und die Beklagte
zu 90%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung eines ihm entgangenen Zahnarzthonorars in
Anspruch, da die Beklagte zu einem vereinbarten Termin nicht erschien.
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Der Kläger ist Zahnarzt, die Beklagte ist gesetzlich krankenversichert und war Patientin
des Klägers.
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Am 15.05.2001 schlossen die Parteien eine schriftliche Behandlungsvereinbarung nach
dem Modell des sogenannten Bestellsystems. In dieser Behandlungsvereinbarung heißt
es im ersten Absatz wörtlich:
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"Sie kommen zur Zahnarztbehandlung in eine Praxis, die nach dem Bestellsystem
geführt wird. Dies bedeutet, dass die vereinbarte Zeit ausschließlich für sie reseviert ist
und ihnen hierdurch in der Regel die anderorts vielfach üblichen Wartezeiten erspart
bleiben. Dies bedeutet jedoch auch, dass sie wenn sie vereinbarte Termine nicht
einhalten können, diese spätestens 48 Stunden vorher absagen müssen, damit wir die
für sie vorgesehen Zeit noch anderweitig verplanen können. Bei Präparationsterminen
im Zusammenhang mit Kronen oder Zahnersatzarbeiten bitten wir sogar um eventuelle
Absage spätestens 5 Arbeitstage im voraus. Diese Vereinbarung dient nicht nur der
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Vermeidung von Wartezeiten im organisatorischen Sinne , sondern begründet zugleich
beiderseitige vertragliche Pflichten. So kann Ihnen, wenn Sie den Termin nicht
rechtzeitig absagen, die vorgesehene Zeit und die Vergütung bzw. die ungenutzte Zeit
gemäß § 615 BGB in Rechnung gestellt werden, es sei denn, an dem Versäumnis des
Termins trifft Sie kein Verschulden. Es wird vereinbart, das ansonsten Annahmeverzug
dadurch eintritt, dass der vereinbarte Termin nicht fristgerecht abgesagt und eingehalten
wird . ..."
Wegen der Einzelheiten der Behandlungsvereinbarung wird auf Bl. 9 der Gerichtsakten
Bezug genommen.
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Unter dem 18.01.2002 stellte der Kläger für die Beklagte einen Antrag auf
Zahnersatzplanung (Heil- und Kostenplan) plus Mehrkostenvereinbarung bei der DAK
Geldern, die diesen genehmigte. Daraufhin vereinbarten die Parteien einen Termin, den
die Beklagte am 05.03.2002 absagte. Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beklagte
und erläuterte ihr die geplante zahnmedizinische Behandlung telefonisch. Die Beklagte
erbat sich daraufhin Bedenkzeit aus. Am 02.04.2002 vereinbarte die Beklagte dann mit
dem Kläger einen Behandlungstermin für den 25.04.2002 zur Durchführung des
Zahnersatzes. Der Kläger wies die Beklagte insofern telefonisch darauf hin, dass die
Behandlung einen Zeitraum von 2 Stunden in Anspruch nehme. In Kenntnis dessen
bestätigte die Beklagte den Termin.
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Am 23.04.2002 gegen 16.00 Uhr sagte die Beklagte dann den Termin für den
25.04.2002 um 8.30 Uhr ab, da eines ihrer Kinder erkrankt war. Nach der Absage
wandte sich der Kläger nochmals telefonisch an die Beklagte und bot ihr an, ihr
erkranktes Kind entweder in die Praxis mitzubringen oder aber während der
Behandlungszeit ihr Kind durch eine Zahnarzthelferin zu Hause betreuen zu lassen.
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Weiter teilte der Kläger der Beklagten mit, dass es ihm wegen der kurzfristigen Absage
der Beklagten nicht möglich sei, seine Termine umzudisponieren und einen
Ersatzpatienten zu finden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte in
Anbetracht dessen den Termin vom 25.04.2002 nochmals gegenüber dem Kläger
bestätigte.
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Zum Termin am 25.04.2002 gegen 8.30 Uhr erschien die Beklagte dann nicht.
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Der Kläger fragte mit Schreiben vom selben Tage dann schriftlich bei ihr an, warum sie
den vereinbarten Termin nicht eingehalten habe und bat um die Mitteilung ihrer Gründe.
Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 28 der Gerichtsakten Bezug
genommen. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.
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Am 29.09.2002 kündigte der Kläger daraufhin den Behandlungsvertrag und machte das
ihm entgangene Zahnarzthonorar in Höhe von 1.443,69 Euro für die reservierte Zeit der
nicht erfolgten zahnmedizinischen Behandlung geltend.
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Die Gründe hierfür legte er der Beklagten im einzelnen schriftlich dar. Und hierauf
reagierte die Beklagte nicht.
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Der Kläger behauptet, im Telefonat vom 23.04.2002 habe die Beklagte ihm gegenüber
erneut die Zusage erteilt, dass sie am 25.04.2002 zur Behandlung erscheinen werde
und keine Betreuung ihres erkrankten Kindes benötige.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.443,69 Euro nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 01.11.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreitet mit Nichtwissen , dass der Kläger ihr gegenüber klargestellt habe, dass für
sie am 25.04.2002 der Behandlungstermin exklusiv vorgehalten werde. Auch könne sie
nicht bestätigen, im Telefonat vom 23.04.2002 dem Kläger gegenüber eine Zusage für
den Termin am 25.04.2002 gemacht zu haben.
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Sie meint, der Kläger könne das von ihm geltend gemachte Zahnarzthonorar nicht
verlangen, da nach § 4 Abs. 5 litera b Bundesmantelvertrag der Kassenzahnärzte eine
Abrechnung von zahnärztlichen Leistungen nur in Betracht komme, wenn hierüber eine
schriftliche Vereinbarung getroffen sei.
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Die Behandlungsvereinbarung vom 15.05.2001 genüge insofern nicht, da sie zu
allgemein sei. Ein Anspruch des Klägers unter dem Gesichtpunkt des
Annahmeverzuges scheide mangels eines ihr vorwerfbaren Verschuldens aus. Dem
Kläger sei auch kein Schaden in Form eines entgangenen Zahnarzthonorars
entstanden, da er sich um einen Ersatzpatienten hätte bemühen können und zudem sei
anzurechnen, dass dem Kläger wegen ihres Nichterscheinens zwei Stunden zur freien
Verfügung gestanden hätten, die er anderweitig genutzt habe.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Eine Entscheidung nach Lage der Akten ergeht gemäß § 251 a Abs. 1 ZPO, da beide
Parteien im Termin vom 05.08.2003 nicht verhandelt haben und zuvor bereits im Termin
vom 27.05.2003 mündlich verhandelt worden ist.
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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe des ausgeurteilten Betrages
aus §§ 615, 611 BGB.
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Zwischen den Parteien ist ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB zustande gekommen.
Inhalt dieses Dienstvertrages war die Erbringung von Zahnersatzleistungen seitens des
Klägers. Der zahnärztliche Behandlungsvertrag ist rechtlich als Dienstvertrag gemäß §
611 BGB einzuordnen, da der Zahnarzt grundsätzlich nur das Bemühen um den Erfolg
seiner Behandlung schuldet.
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Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs gemäß § 615 BGB sind im vorliegenden
Fall gegeben. Die Erbringung der Zahnersatzleistungen durch den Kläger waren
möglich, da der Kläger am 25.04.2002 bereit stand, um die Beklagte zahnärztlich zu
behandeln. Seine Dienste sind indes unterblieben, da die Beklagte zum Termin nicht
erschienen ist. Der Kläger hat der Beklagten auch seine Dienstleistungen
ordnungsgemäß angeboten. Zwar liegt infolge des Nichterscheinens der Beklagten zum
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Behandlungstermin weder ein tatsächliches Angebot im Sinne von § 294 BGB noch ein
wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB vor, jedoch war ein solches Angebot der
Leistung seitens des Klägers gemäß § 296 BGB überflüssig, weil für die vom Kläger
vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender zwischen den Parteien
bestimmt war. Bei der ursprünglichen Vereinbarung der Parteien hinsichtlich des
Behandlungstermins vom 25.04.2002 handelt es sich ausnahmsweise um eine
kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit im Sinne von § 296 BGB. Zwar wird
grundsätzlich in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt, ob die Vereinbarungen von
Arztterminen eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit darstellt, indes ist dies
vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls anzunehmen. Es mag
grundsätzlich sein, dass Terminabsprachen bei Ärzten regelmäßig nur einen
zeitgemäßen organisatorischen Behandlungsablauf sicherstellen sollen, indes nicht
dafür getroffen werden, um im Falle einer Verspätung zum Termin Honoraransprüche
auszulösen ( LG München, NJW 1984, 671,AG Calw, NJW 1994, 3.015). Vorliegend ist
das aber wegen der am 15.05.2001 zwischen den Parteien getroffenen
Verhandlungsvereinbarungen anders zu beurteilen.
Mit der Unterzeichnung dieser Behandlungsvereinbarung hat sich die Beklagte nämlich
ausdrücklich damit einverstanden erklärt, das sie im Falle ihres unentschuldigten
Nichterscheinens zu einem Termin das entgangene Honorar des Klägers zu tragen hat.
In der Behandlungsvereinbarung wurde die Beklagte explizit darauf hingewiesen, dass
es sich bei der Praxis des Klägers um eine solche handelt, die organisatorisch nach
dem sogenannten Bestellsystem geführt wird.
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Danach war der Beklagten bekannt, dass die vereinbarten Termine ausschließlich für
sie als Patientin reserviert wurden und insofern keine doppelte Vergabe von Terminen
an Patienten erfolgte. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger der Beklagten
die Erbringung seiner zahnärztlichen Leistungen für die vereinbarten Termine
ausdrücklich garantiert hat, folgt, dass im Unterschied zu den Gepflogenheiten sonstiger
Zahnarztpraxen , in denen entweder keine Termine vergeben werden, die Patienten nur
nach der Reihenfolge ihres Erscheinens behandelt werden oder es zu einer
Mehrfachvergabe von Terminen kommt und Patienten gleichwohl über einen längeren
Zeitraum im Wartezimmer verharren müssen, dass der Kläger wegen der Exklusivität
seiner Termine bei Terminsvereinbarungen eine kalendermäßige Bestimmung der
Leistungszeit im Sinne von § 296 BGB trifft ( vergleiche LG Konstanz , NJW 1994, 3.015
f.; AG Bad Homburg, MDR 1994, 888, AG Bremen, NJW RR 1996, 818 f. sowie AG
Rastatt NJW RR 1996, 817 f. - im letztgenannten Urteil wird entsprechende Überlegung
allerdings nur als obiter dictum ausgeführt).
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Soweit die Beklagte die Exklusivität der Behandlungstermine des Klägers mit
Nichtwissen bestritten hat, ist dies gemäß § 138 Abs. 4 ZPO prozessual unzulässig.
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Die Beklagte muß selbst am besten wissen, welche Terminabsprachen sie mit dem
Kläger getroffen hat und was der Kläger ihr hierzu jeweils erklärt hat. Zudem ist ihr
Bestreiten insbesondere in Anbetracht der Behandlungsvereinbarung vom 15.05.2001
unzulässig, da die Beklagte mit ihrer Unterschrift die Bestätigung dafür abgegeben hat,
in Kenntnis davon zu sein, dass die vereinbarten Arzttermine ausschließlich dem
jeweiligen Patienten gewidmet sind.
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Darüber hinaus kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass sie den für den
25.04.2002 vereinbarten Termin rechtzeitig gegenüber dem Kläger abgesagt hat. Dies
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gründet sich auf folgende Erwägungen:
Zum einen hat die Beklagte den Termin vom 25.04.2002 nicht frühzeitig genug im Sinne
der am 15.05.2001 geschlossenen Behandlungsvereinbarung der Parteien abgesagt. In
dieser verpflichtet sich die Beklagte nämlich, vereinbarte Termine spätestens 48
Stunden vor ihrer Durchführung abzusagen. Dies war vorliegend nicht gegeben, da die
Beklagte unstreitig erst am 23.04.2002 etwa gegen 16.00 Uhr den Termin für den
25.04.2002 um 8.30 Uhr abgesagt hat. Angesichts dieser Daten lagen zwischen der
Absage der Beklagten und dem bevorstehenden Termin keine 48 Stunden . Weiter ist
zu berücksichtigen, dass die Behandlungsvereinbarung in Bezug auf
Zahnersatzarbeiten sogar eine Absagefrist von 5 Arbeitstagen vorsieht.
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Unter Berücksichtigung dessen, dass die Beklagten am 25.04.2002 solche
Zahnersatzleistungen durch den Beklagten erhalten sollte , ist ihre Absage auf der
Grundlage der Behandlungsvereinbarung erst recht nicht rechtzeitig erfolgt. Insofern
kann dahinstehen , ob auf die geschlossene Behandlungsvereinbarung vom 15.05.2001
die §§ 305 ff. B GB Anwendung finden. Selbst unterstellt, dass es sich um allgemeine
Geschäftsbedingungen im Sinne der vorgenannten Vorschriften handelt, hat das Gericht
jedenfalls in Bezug auf die Regelung , dass Zahnarzttermin mindestens 48 Stunden vor
ihrer Durchführung abzusagen sind, keinen Anlass, an der Wirksamkeit dieser Klausel
zu zweifeln. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen des Vorliegens einer
unangemessenen Benachteiligung des Patienten ist hierin nicht zu sehen. Die
Vereinbarung einer Absagefrist von 48 Stunden in allgemeinen Geschäftsbedingungen
zwischen Arzt und Patient für abgesprochenen Langzeitterminen weicht nicht
wesentlich vom Leitgedanken des § 621 Nr. 5 BGB ab. Zwar kann nach dieser Vorschrift
der Dienstberechtigte grundsätzlich jederzeit Dienstverhältnisse kündigen, jedoch ist §
621 Nr. 5.2. Halbsatz BGB zu entnehmen, dass auch auf die Interessen des
Dienstverpflichteten gewisse Rücksicht zu nehmen ist. Selbst wenn bei der
Vereinbarung von Langzeitterminen nicht stets eine vollständige oder hauptsächliche
Inanspruchnahme des Dienstverpflichteten im Sinne von § 621 Nr. 5 2. Halbsatz BGB
anzunehmen sein sollte, liegt jedenfalls eine erhebliche Inanspruchnahme vor, so dass
die Vereinbarung einer kurzen Kündigungsfrist - wie vorliegend 48 Stunden - bezüglich
ärztlichen Langzeittermine durch eine entsprechende AGB-Klausel von dem Leitbild der
gesetzlichen Regelung in § 621 Nr. 5 BGB, die im übrigen einzelvertraglich auch
uneingeschränkt abdingbar ist, nicht unangemessen abweicht ( ebenso : AG Bremen,
NJW RR 1996, 818 f. zu einer Absagefrist von 24 Stunden ). Unter Anschluss an die
vorgenannte Rechtsprechung hält das Gericht auch eine Absagefrist von 48 Stunden in
Anbetracht von § 621 NR. 5 2. Halbsatz BGB nicht für eine unangemessene
Benachteiligung der Beklagten.
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Zum anderen hält das Gericht die Absage der Beklagten vom 23.04.2002 auch nicht für
rechtzeitig , da der Klägervortrag als zutreffend unterstellt wird, dass die Beklagte in dem
Telefonat vom 23.04.2002 nach nochmaliger Belehrung durch den Kläger sich doch
noch damit einverstanden erklärte, den Termin vom 25.04.2002 wahrzunehmen. Zwar "
konnte die Beklagte eine solche Zusage nicht bestätigen", jedoch ist dieses einfache
Bestreiten in Anbetracht des substantiierten Sachvortrages des Klägers unbeachtlich.
Für die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens spricht insbesondere das Schreiben ,
das der Kläger am 25.04.2002 unmittelbar nach der geplatzten Behandlung an die
Beklagte verfasst hat (Bl. 28 der Gerichtsakten).
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In diesem führt der Kläger ausdrücklich auf, dass die Beklagte auch am 23.04. den
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Termin vom 25.04. noch bestätigt habe. Gleichlautendes hat der Kläger auch in dem an
die Beklagte gerichteten Schreiben vom 29.09.2002 ausgeführt, in dem er im einzelnen
geschildert hat, wie es zu der abermaligen Zusage der Beklagten zu dem Termin am
25.04.2002 gekommen ist. Die Beklagte ist diesem substantiierten Sachvortrag nicht
hinreichend entgegen getreten, sondern sie hat sich lediglich auf die undeutliche
Formulierung beschränkt, sie könne eine entsprechende Zusage nicht bestätigen. Dies
genügt allerdings nicht, um das Vorbringen des Klägers in erheblicher Weise zu
erschüttern. Für den Umstand , dass die Beklagte tatsächlich eine entsprechende
Zusage gemacht hat, sprechen zudem die klägerseits vorgelegten Praxisunterlagen (Bl.
7 f. der Gerichtsakten) . Aus ihnen ist ersichtlich, dass im Terminsbuch des Klägers am
25.04.2002 tatsächlich ein Termin von 8.30 Uhr bis 10.30 Uhr für die Beklagte
freigehalten wurde. Weiter spricht für die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens, dass
insgesamt als wankelmütig zu beurteilende Verhalten der Beklagten . Die Beklagte
hatte sich nämlich schon zuvor nicht ohne weiteres für die medizinische Behandlung
entscheiden können. Sie entschloss sich hierzu erst nach entsprechender Bedenkzeit
und vereinbarte entsprechend für den 25.04.2002 den exklusiven Behandlungstermin.
Offenbar reute sie dies dann und es erfolgte am 23.04.2002 eine erneute Absage.
Diesbezüglich ist es naheliegend , dass nach weiteren Telefonaten der Parteien die
Beklagte dann doch zusagte, den Termin am 25.04.2002 wahrzunehmen. Wenn die
Beklagte tatsächlich nur wegen der Krankheit ihres Kindes den Termin vom 23.04.2002
abgesagt haben will, so vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen, wieso die Beklagte
auf das Schreiben des Klägers vom 25.04.2002 und auf seine weiteren Anrufe , die
unbestritten sind, nicht reagiert hat. Wenn die Beklagte tatsächlich die Behandlung , die
sie zunächst vereinbart hatte, tatsächlich noch gewollt hätte, so wäre es für sie ein
Leichtes gewesen, mit dem Kläger insoweit einen neuen Termin zur Nachholung des
Zahnersatzes zu vereinbaren. Die Tatsache, dass die Beklagte indes zu keiner Zeit
mehr auf die Nachfragen des Klägers reagiert hat, spricht dafür , dass sie die
medizinische Zahnersatzbehandlung obwohl sie diese zugesagt hatte, tatsächlich nicht
mehr wünschte. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist jedenfalls das
einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend, um den Vortrag des Klägers zu
entkräften, dass sie tatsächlich auch am 23.04. nach mehrmaligen Telefonaten noch
eine Zusage zum Termin gegeben hat.
Soweit die Beklagte darüber hinaus der Ansicht ist, ein Anspruch aus § 615 BGB sei
nicht gegeben, weil der Annahmeverzug ein Verschulden voraussetze, vermag das
Gericht sich dem nicht anzuschließen. Die Beurteilung , ob ein Annahmeverzug vorliegt,
geschieht ohne Rücksicht auf ein Verschulden ( Palandt, BGB, 62 Auflage § 615 ,
Randnummer 14) . Hintergrund hierfür ist, das der Gläubigerverzug grundsätzlich nicht
die Verletzung einer Rechtspflicht , sondern vielmehr den Verstoß gegen eine
Obliegenheit darstellt und somit einerseits keine Schadensersatzpflicht auslöst,
andererseits aber auch kein Verschulden oder aber ein etwaiges Vertretenmüssen
voraussetzt ( Palandt, BGB, 62. Auflage, § 293, Randnummer 1).
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In Anbetracht dessen kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte den Termin beim
Kläger schuldhaft hat verstreichen lassen. Soweit die Behandlungsvereinbarung vom
15.05.2001 in Verkennung der Rechtslage insofern ein schuldhaftes Versäumen des
Termins für einen Anspruch aus § 615 erfordert, hält das Gericht dies selbst im
vorliegenden Fall für gegeben. Angesichts des unstreitigen Angebots des Klägers, das
erkrankte Kind der Beklagten entweder in der Praxis oder aber zu Hause bei der
Beklagten durch eine Zahnarzthelferin betreuen zu lassen, begründet auf Seiten der
Beklagten jedenfalls im Falle der Ausschlagung eines solchen Angebots und
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gleichwohl des Nichterscheinens im Termin ein Verschulden der Beklagten zu
mindestens in Form der Fahrlässigkeit. Mit seinem Angebot hat der Kläger nämlich alles
Zumutbare getan, um den vereinbarten Termin mit der Beklagten durchzuführen und
diese von etwaigen Ansprüchen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges frei zu
stellen.
Schließlich entfällt der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auch nicht aus dem
Grunde, weil seine Geltendmachung gegen § 4 Abs. 5 b des Bundesmantelvertrag für
Zahnärzte verstößt. Zwar ist richtig, dass Kassenärzte grundsätzlich zur Liquidierung
gegenüber den Patienten nur auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung
berechtigt sind, jedoch ist nach Auffassung des Gerichts diese Vorschrift grundsätzlich
teleologisch dahin zu reduzieren auszulegen, dass nur zahnärztliche Honoraransprüche
aus erfolgten Behandlungen schriftlich vereinbart werden müssen. Soweit es - wie
vorliegend - um einen vertraglichen Anspruch wegen einer Leistungsstörung geht,
vermag das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 5 b Bundesmantelvertrag Zahnärzte
grundsätzlich nicht einzugreifen. Diese Vorschrift regelt nämlich keine Ansprüche , die
aus Leistungsstörungen des Vertragsverhältnisses erwachsen. Dies ist schon deshalb
lebensfern, da ansonsten jeder Kassenzahnarzt mit seinen Patienten eine schriftliche
Vereinbarung für sämtliche denkbaren Fälle der Leistungsstörung und hieraus
resultierender Ansprüche treffen müsste. So wäre es geradezu absurd, wenn sich ein
Kassenzahnarzt vor der Aufnahme der Behandlung schriftlich bestätigen lassen würde,
dass er Schadensersatzansprüche wegen eines Bisses seines Patienten nur geltend
macht, wenn dies ihm der Patient vorher schriftlich zusagt.
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Abgesehen davon, dass § 4 Abs. 5 b des Bundesmantelvertrags für Zahnärzte
grundsätzlich nicht Ansprüche aus Leistungsstörungen im Vertragsverhältnis betrifft,
enthält darüber hinaus die Behandlungsvereinbarung vom 15.05.2001 tatsächlich die
schriftliche Regelung zwischen den Parteien , dass sich die Beklagte ausdrücklich dazu
verpflichtet hat, im Falle ihres Nichterscheinens zu einem vereinbarten Termin das
Honorar des Klägers zu tragen. Warum diese grundsätzliche Vereinbarung nicht dem
Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 5 b des Bundesmantelvertrags für Zahnärzte
genügen soll, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Dies hätte nämlich zur
Konsequenz , dass sich ein Kassenzahnarzt vor jeder konkreten Einzelbehandlung
eines Patienten immer wieder schriftlich zusichern lassen müsste, dass sämtliche in
Betracht kommenden Ansprüche wegen Leistungsstörungen im Vertragsverhältnis vom
Patienten getragen werden. Diese kaum praktikable und ebenso wenig sinnvolle
Verfahrensweise wird nach Auffassung des Gerichts nicht durch § 4 Abs. 5 b des
Bundesmantelvertrages für Zahnärzte gefordert.
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Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch des Klägers indes nur auf den ausgeurteilten
Betrag. Gemäß § 615 Satz 2 muss der Kläger weitere Ersparnisse in Höhe von 150,00
Euro anrechnen lassen. Dies gründet sich darauf, dass der Kläger im Zeitraum von 8.30
Uhr bis 10.30 Uhr aufgrund des Nichterscheinens der Beklagten zwei Stunden zur
Verfügung hatte, die er zu seinen eigenen Zwecken nutzen konnte. Zwar hat der Kläger
keinen Ersatzpatienten für den fix vereinbarten Termin organisieren können, jedoch
entspricht es der Lebenserfahrung, dass der Kläger die Zeit in der Praxis nicht hat
ungenutzt verstreichen lassen. Er war insofern im Stande, seine Zeit für Verwaltungs-
oder Abrechnungstätigkeiten zu nutzen.
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Gemäß § 287 ZPO schätzt das Gericht insofern seine ersparten Aufwendungen infolge
des Zeitgewinns von 2 Stunden auf 150,00 Euro, wobei es von einem Stundensatz des
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Klägers von 75,00 Euro ausgeht. Dem gemäß war die geforderte Klagesumme um
150,00 Euro zu kürzen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 , 709 Satz 1 und 2 ,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 1.443,69 Euro.
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