Urteil des AG Münster vom 28.02.2007

AG Münster: stadt, immobilie, vermieter, internet, zwangsverwaltung, broschüre, form, begründungspflicht, briefkasten, vollstreckung

Amtsgericht Münster, 38 C 1040/06
Datum:
28.02.2007
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
38. Abteilung für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
38 C 1040/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I. Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Zustimmung des Beklagten zur Erhöhung der Miete ab dem
01.12.2005.
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Die Klägerin war unstreitig zumindest bis zum 31.07.2006 Eigentümerin des Hauses I-
Straße in N, in welchem der Beklagte eine Wohnung im ersten Obergeschoss
angemietet hatte. Die von dem Beklagten bewohnte Wohnung des Hauses weist eine
Größe von 65 qm auf, ausgestattet mit Zentralheizung sowie Teppichboden. Die letzte
Renovierung der Wohnung durch den Vermieter erfolgte Anfang der neunziger Jahre.
Ab dem 01.03.2001 erhöhte sich die Kaltmiete für die Wohnung des Beklagten auf 5,23
€/qm. Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich seit Anfang des Jahres 2006 ein
Schnellimbiss. Zum 31.12.2006 zog der Beklagte aus der Wohnung in dem Haus I-
Straße aus, das Mietverhältnis endete zu diesem Zeitpunkt.
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Die Klägerin begehrt nunmehr die Zustimmung des Beklagten zur Mieterhöhung von
5,23 €/qm auf 6,06 €/qm ab dem 01.12.2005. Sie trägt dazu vor, dem Beklagten sei am
30.09.2005 ein entsprechendes schriftliches Mieterhöhungsverlangen durch Einwurf in
den Briefkasten des Beklagten mittels Boten zugegangen. Die erhöhte Miete sei unter
Berücksichtigung der Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel der Stadt N ermittelt
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worden und sei angemessen sowie ortsüblich. Die Wohnung aus dem Baujahr 1959
weise keine Mängel auf, auch seien Beeinträchtigungen durch Verkehrslärm oder den
im Erdgeschoss befindlichen Schnellimbiss nicht festzustellen. Auch die Form des
schriftlichen Erhöhungsverlangens sei ordnungsgemäß. Das Erhöhungsverlangen
weise insbesondere die erforderliche konkrete Begründung auf sowie die Bezugnahme
auf den aktuellen Mietspiegel der Stadt N. Einer Übersendung des Mietspiegels selbst
habe es nicht bedurft.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, der Mieterhöhung für seine im Hause I. ##, I.
Obergeschoss innegehaltene Mietwohnung zum 01.12.2005 von 5,23 €/qm auf
6,06 €/qm zuzustimmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, die Immobilie I-Straße habe unter Zwangsverwaltung gestanden
und sei dann im Wege der Zwangsversteigerung am 01.08.2006 von der S GbR
erworben worden, so dass es an der Zulässigkeit der Klage und der Aktivlegitimation
der Klägerin fehle.
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Ferner sei das schriftliche Mieterhöhungsverlangen dem Beklagten nicht zugegangen,
so dass es an einem formgerechten Verlangen fehle.
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Schließlich sei das Mieterhöhungsverlangen überhöht. Die Wohnung sei aufgrund
starker Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr der I-Straße sowie aufgrund von
Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen durch den Schnellimbiss mängelbehaftet.
Aufgrund dieser Umstände und des Zeitablaufs seit der letzten Renovierung der
Wohnung sei der erhöhte Mietzins unangemessen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 12.10.2006 Bezug
genommen.
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II. Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage zulässig. Eine Zwangsverwaltung
für die Immobilie hat nicht bestanden (Amtsgericht N, Grundbuch von N, Blatt #####).
Darüber hinaus ist für die Frage der Zulässigkeit der Zeitpunkt des Schlusses der
mündlichen Verhandlung maßgeblich (Zöller-Greger, vor § 253, Rn. 9). Der Beklagte
trägt aber selbst vor, dass die Immobilie zum 01.08.2006 veräußert wurde, so dass zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch nach seinem Vortrag keine
Zwangsverwaltung mehr bestand.
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Soweit der Beklagte aufgrund der behaupteten Veräußerung die Verfügungsbefugnis
der Klägerin bestreitet, hat dies keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der
vorliegenden Klage. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist vielmehr im Rahmen der
Begründetheit der Klage zu prüfen.
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Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Zustimmung
des Beklagten zur Mieterhöhung aus § 558 Abs. 1 Satz BGB zusteht.
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Es kann insoweit offen bleiben, ob die Klägerin, wie von dem Beklagten behauptet, die
Immobilie veräußert hat und aufgrund dessen nicht mehr befugt ist, den Anspruch im
eigenen Namen geltend zu machen.
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Die Klage ist jedenfalls unbegründet, weil die Klägerin die Mieterhöhung nicht im Sinne
des § 558 a BGB formgerecht verlangt hat.
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Ein Mieterhöhungsverlangen ist gegenüber dem Mieter in schriftlicher Form mit
Begründung abzugeben. Soweit der Beklagte bereits den Zugang des schriftlichen
Mieterhöhungsverlangens bestritten hat, ist der Klägerin der Beweis des Zugangs
gelungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, der Vernehmung des Zeugen T,
steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Beklagten am 30.09.2005 das
entsprechende Schriftstück durch Einwurf in seinen Briefkasten zugegangen ist.
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Das Mieterhöhungsverlangen ist aber nicht formgerecht erfolgt, da dem Schriftstück die
Mietspiegelbroschüre der Stadt N hätte beigefügt werden müssen, dies aber unstreitig
nicht erfolgt ist.
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Nach dem Wortlaut des § 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB kann auf den Mietspiegel in der
Begründung des Erhöhungsverlangens Bezug genommen werden. Dennoch ist der
Mietspiegel über den Wortlaut des Gesetzes hinaus beizufügen, wenn er nicht
allgemein kostenlos zugänglich ist (Münchener Kommentar – Artz, § 558 a, Rn. 18;
Schmidt-Futterer – Börstinghaus, § 558a, Rn. 39 m. w. N.). Dies ergibt sich aus dem
Zweck des Gesetzes. Nach § 558 a BGB trifft den Vermieter die gesetzliche
Begründungspflicht. Der Mieter soll die zur Prüfung notwendigen Informationen erhalten,
so dass ein Rechtsstreit vermieden wird. Daher muss es dem Mieter ermöglicht werden,
sich aufgrund der Begründung ein eigenes Bild zu machen und die Richtigkeit der
Erhöhung zu überprüfen. Dem Mieter ist es nicht zuzumuten, zunächst finanzielle Mittel
aufwenden zu müssen, um die Richtigkeit des Mieterhöhungsverlangens überprüfen zu
können. In dem Fall würde die Begründungspflicht in einem wesentlichen Punkt,
nämlich der Überprüfung der Vergleichbarkeit der verlangten Miete, faktisch auf den
Mieter zu dessen Lasten übergehen. Dies widerspräche aber gerade dem Zweck des §
558 a BGB.
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Die Bezugnahme der Klägerin auf den Mietspiegel der Stadt N allein reichte damit nicht
aus; die Klägerin hätte ihrem Mieterhöhungsverlangen gegenüber dem Beklagten den
vollständigen Mietspiegel beifügen müssen, da der Mietspiegel in N nicht kostenlos
zugänglich ist. Die Stadt N bietet den Mietspiegel als Broschüre zu einem Preis von
3,00 € an, eine Veröffentlichung des Mietspiegels erfolgt nicht. Damit ist der Mietspiegel
der Stadt N nicht kostenlos verfügbar. Auch die Möglichkeit der Mietspiegelabfrage im
Internet ist nicht mit dem vollständigen Mietspiegel vergleichbar. Im Internet kann eine
Abfrage erfolgen, wesentliche Bestandteile der Mietspiegelbroschüre, z. B. die
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Begründung der Einordnung der Straßen in die einzelnen Kategorien, sind aber nicht
über das Internet erhältlich. Damit kann mit der Internetabfrage keine so umfassende
Prüfung wie mit der Mietspiegelbroschüre erfolgen, die dem Mieter gerade ermöglicht
werden soll.
Schließlich war es der Klägerin auch zumutbar, die Broschüre beizufügen. Die
Mietspiegelbroschüre der Stadt N hat nicht einen solchen Umfang, dass sie nicht dem
Beklagten hätte zugeleitet werden können. Ferner ist auch der Kostenaufwand für den
Vermieter, gegebenenfalls durch Anfertigung von Kopien noch reduzierbar, gering.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Vermieter mit den in §
558 a Abs. 2 Nr. 2 – 4 BGB aufgeführten weiteren Möglichkeiten zur Begründung der
Mieterhöhung gegebenenfalls deutlich arbeits- und kostenintensivere Alternativen
zumutet.
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Demnach ist das Mieterhöhungsverlangen nicht formgerecht im Sinne des § 558 a BGB
erfolgt, ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung zum 01.12.2005 besteht damit
gemäß § 558 b BGB nicht.
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Eine Heilung dieses Mangels ist zwar gemäß § 558 b Abs. 3 Satz 1 BGB auch im
Prozess auf Zustimmung zur Mieterhöhung noch möglich. Es besteht, falls die weiteren
Voraussetzungen vorliegen, auch weiterhin ein Anspruch auf Zustimmung zur
Mieterhöhung mit Ablauf der Zustimmungsfrist nach § 558 b Abs. 1 BGB. Diese Frist
beginnt mit dem Zeitpunkt der Heilung des Mangels (§ 558 b Abs. 3 Satz 2 BGB). In
einem solchen Fall ist der Rechtsstreit grundsätzlich bis zum Ablauf der
Zustimmungsfrist zu vertragen, um einen erneuten Rechtsstreit nach Fristablauf zu
vermeiden (vgl. Münchener Kommentar - Artz, § 558 b, Rn. 19). Das Vertagen des
Rechtsstreits war vorliegend aber nicht geboten, da das Mietverhältnis über die
Wohnung unstreitig zum 31.12.2006 beendet wurde. Aufgrund der nachgeholten
Übersendung des Mietspiegels am 04.01.2007 würde die Zustimmungsfrist gemäß §
558 b Abs. 1 BGB zum 01.04.2007 ablaufen. Tatsächlich ist vorliegend aber zu dem
Zeitpunkt keine Zustimmung mehr möglich, da kein Mietverhältnis mehr besteht. Aus
dem Grund war ein Vertragen nicht erforderlich, eine teilweise Stattgabe der Klage
durch Verurteilung zur Zustimmung ab dem 01.04.2007 ist aufgrund der bereits
eingetretenen Beendigung des Mietvertrages nicht möglich.
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Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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