Urteil des AG Münster vom 18.12.2008

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Amtsgericht Münster, 6 C 4949/08
Datum:
18.12.2008
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
6. Abteilung für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 C 4949/08
Rechtskraft:
10.06.2009
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger nach vorheriger mindestens
siebentägiger Ankündigung durch Öffnen der Wohnungstür an einem
Werktag zwischen 10.00 Uhr und 13.00 Uhr bzw. 15.00 Uhr und 18.00
Uhr für eine Stunde Zutritt zu der in dem Objekt N-Straße, ####1 N im 3.
OG rechts gelegenen Wohnung zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe (ohne Tatbestand gem. den §§ 495a, 313a ZPO):
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Die Klage ist zulässig. Angesicht der grundsätzlichen Bedenken des Beklagten an der
Wirksamkeit der Besichtigungsklausel und der mannigfachen Terminabsagen des
Beklagten in der Vergangenheit hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis.
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Die Klage ist aus § 23 Ziff. 1 des Mietvertrages i.V.m. den §§ 311, 241 BGB zwischen
den Parteien begründet.
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Die Besichtigungsklausel ist wirksam. Besichtigungsklauseln in Verträgen über
Wohnraum sind im Rahmen der Prüfung nach § 307 BGB allerdings auch im Hinblick
auf das grundsätzliche Hausrecht des Mieters an den vorstehenden Grundsätzen zu
messen. Danach ist eine Regelung, in der nicht auf einen besonderen
Besichtigungsanlass abgestellt wird, unwirksam. Soweit durch die Klausel aber
lediglich bestätigt werden soll, dass ein periodisches Besichtigungsrecht im Abstand
von mindestens zwei Jahren besteht, ergeben sich grundsätzlich keine Bedenken. Im
Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB muss aus der Klausel nur
hervorgehen, dass der Vermieter nicht ungefragt die Besichtigung verlangen kann /(vgl.
Lützenberger, NJW 2007, 2152). Diesen Grundsätzen entspricht § 23 Ziff. 1 des
Mietvertrags. Die Besichtigung ist danach nach Vorankündigung in angemessenen
Abständen oder aus besonderem Anlass gestattet. Soweit der Beklagte aufgrund des
Kommas nach dem Wort Vorankündigung einen aufzählenden Charakter, vermag das
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Gericht diesen nicht zu erkennen. Die Wortgruppen "in angemessenen Abständen" und
"aus besonderem Anlass" passen inhaltlich zueinander, während die Vorankündigung
inhaltlich offensichtlich nicht zu ihnen passt. Ein objektiver verständiger Empfänger
würde der Klausel daher ohne Zweifel entnehmen, dass die Vorankündigung
zusätzliche Voraussetzung des – in angemessenen Abständen oder aus besonderem
Anlass – vereinbarten Besichtigungsrechts ist. Dass eine Besichtigung in
angemessenen Abständen jederzeit – auch ohne Vorankündigung – möglich sein soll,
ist trotz der unglücklichen Satzzeichensetzung der Klausel bei Auslegung nach den §§
133, 157 BGB nicht zu entnehmen.
Auch wenn die Klausel unwirksam wäre, hätte der Kläger im übrigen als
Nebenanspruch aus dem Mietvertrag ein Besichtigungsrecht. Ebenso wenig wie der
Vermieter bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Durchführung von
Schönheitsreparaturen (erst) den Eintritt einer Substanzgefährdung abwarten muss,
muss er sich beim Zutrittsrecht auf konkrete Anlässe beschränken. Das allgemeine
Besichtigungsrecht ist die Ergänzung der regelmäßig im Abstand von zwei Jahren
bestehenden Prüfungs- und Untersuchungspflicht. Es muss dem Vermieter
selbstständig möglich sein, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
er seine Immobilie schützen will; dies ist aber ohne anlassfreies Besichtigungsrecht
nicht möglich (vgl. Lützenberger aaO.; Palandt-Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., § 535 Rn.
82). Anderes ist auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu
entnehmen. Darüber hinaus hat der Kläger als neuer Eigentümer hier ein besonderes
Interesse daran, sich durch eine Besichtigung ein Bild von dem Zustand der Wohnung
und etwa anstehenden Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu verschaffen.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Kläger aufgrund der jetzigen Verurteilung
schließlich nicht zu mehrfachem, sondern zu einmaligem Besichtigen der Wohnung
berechtigt. Will er – nach angemessener Zeit oder aus besonderem Anlass – wiederum
besichtigen, muss er erneut klagen. Die Situation ist nicht anders als bei Zahlungstiteln.
Auch aus diesen lässt sich nicht beliebig oft vollstrecken.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Die Berufung war nicht zuzulassen.
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Der Streitwert wird auf 600 € festgesetzt.
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