Urteil des AG Münster vom 07.03.2008

AG Münster: beendigung des dienstverhältnisses, rücktritt vom vertrag, dienstleistung, ordentliche kündigung, bestätigung, dienstvertrag, anwaltskosten, darbietung, veranstalter, datum

Amtsgericht Münster, 60 C 4365/07
Datum:
07.03.2008
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
60 C 4365/07
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 782,40 € nebst 5 % Zinsen
über den jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 26.04.2007 sowie
120,67 € für vorgerichtliche Anwaltsvergütung zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
dieser Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten um ein Ausfallhonorar eines Künstlers.
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Der Kläger ist freiberuflicher Konzertsänger. Der Beklagte ist Kirchenmusiker und u. a.
als Chorleiter und Dirigent tätig. Mitte Januar haben die Parteien ein Telefongespräch
geführt und darüber gesprochen, dass der Kläger bei einer für den 09.09.2007
vorgesehenen Aufführung des Oratoriums "Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy in
der Mutterhauskirche der Franziskanerinnen in N nebst einer vorangegangenen Probe
am Samstag, den 08.09.2007, die Tenor-Solo-Partien aus diesem Werk singen soll. Die
Vergütung sollte 800,00 € inclusive aller Fahrtkosten betragen.
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Mit Email vom 20.01.2007 bestätigte der Beklagte die "telefonisch erörterten
Vereinbarungen". Wegen der Einzelheiten dieser Email wird auf die Anlage K 1 (Bl. 12
d. A.) Bezug genommen. Danach hat es keine weiteren Gespräche mehr zwischen den
Parteien gegeben. Erst mit Email vom 13.03.2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit,
dass das Konzert an dem zuvor besprochenen Wochenende im September nicht
stattfinden könne, weil das Orchester abgesagt habe. Er müsse daher leider den Termin
verlegen. Als Ausweichtermin bot der Kläger dem Beklagten den 15. und 16. September
an.
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an.
Mit Email vom 14.03.2007 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er an dem neuen
Termin vom 15. und 16. September 2007 nicht mitwirken könne, weil er schon
anderweitig verpflichtet sei. Er bat den Beklagten, ihn zurückzurufen, um ein
Ausfallhonorar zu verhandeln. Da sich der Beklagte nicht wieder meldete, wandte sich
der Kläger mit Email vom 11.04.2007 erneut an den Beklagten und forderte sein
Ausfallhonorar ein. Er bot an, statt des tatsächlichen Ausfalls in Höhe von 800,00 €
lediglich 500,00 € geltend zu machen, wenn dieses Ausfallhonorar bis zum 25.04.2007
auf seinem Konto gut geschrieben worden sei. Er kündigte an, dass im Fall
Nichtzahlung Rechtsanwälte eingeschaltet werden, um die gesamte Forderung in Höhe
von 800,00 € einzufordern.
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Mit Email vom 03.05.2007 äußerte der Beklagte die Rechtsauffassung, dass ihm ein
Festhalten an den Vertrag, wenn er denn überhaupt zustande gekommen sei, wegen
des Ausfalls des Orchesters, den er nicht zu vertreten habe, nicht zumutbar sei. Er
erklärte den Rücktritt von dem Vertrag. Sodann meldete sich der Anwalt des Klägers mit
Schreiben vom 10.05.2007 und forderte den Beklagten erneut auf, die
Ausfallentschädigung in Höhe von 800,00 € zuzüglich Rechtsanwaltskosten bis zum
30.05.2007 zu zahlen.
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Der Kläger behauptet, es sei bereits bei dem ersten Telefongespräch Mitte Januar 2007
eine verbindliche Vereinbarung zustande gekommen, welche der Beklagte dann durch
Email vom 20.07.2007 bestätigt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen,
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an ihn 782,40 € nebst 5 % Zinsen über
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dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2007
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sowie 120,67 € vorgerichtliche Anwaltskosten
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zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, in dem Telefongespräch von Mitte Januar 2007 sei über
sämtliche Vertragsbestandteile, wie Datum der Proben und der Aufführung,
Aufführungsstück und Honorar bereits gesprochen worden. Er habe die Email vom
20.01.2007 abgeschickt, um sich selbst abzusichern. In der Branche zähle das Wort und
er habe deswegen auch nicht noch weiter nachgefragt, obwohl der Kläger eine weitere
Bestätigung auf die Email vom 20.01.2007 nicht übersandt habe. In der Branche müsste
man allerdings eine gewisse Flexibilität besitzen, die dazu führe, dass auch mal
kurzfristig Konzerte ausfallen.
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Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass ein Dienstvertrag vorliege. Dieser
Dienstvertrag sei sowohl durch ihn mit Mail vom 03.05.2007 als auch später durch
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seinen Prozessbevollmächtigten wirksam gekündigt worden. Deswegen könne sich
auch aus dem Dienstvertrag kein Anspruch auf eine Ausfallentschädigung ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das
Hauptverhandlungsprotokoll vom 07.03.2008 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer
Ausfallentschädigung aus § 615 BGB.
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In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob es sich bei dem Vertrag eines
Veranstalters mit einem Sänger, der im Rahmen einer Vorführung eine Gesangseinlage
darzubieten hat, um einen Dienst- oder einen Werkvertrag handelt. Das Gericht vertritt
insoweit die Auffassung, dass es sich bei Verträgen mit Künstlern, die auf Mitwirkung an
der Aufführung gerichtet sind, um Dienstverträge handelt. Dies gilt auch bezogen auf
den streitgegenständlichen Vertrag zwischen den Parteien. Die Darbietung eines
Sologesangs führt zu keinem bestimmten Erfolg bzw. Werk, sondern stellt die
Darbietung einer bloßen Dienstleistung dar.
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Das Gericht ist ferner davon überzeugt, dass ein verbindlicher Vertrag zwischen den
Parteien zustande gekommen ist.
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Nach der persönlichen Anhörung des Beklagten im Termin ist bereits fraglich, ob der
Beklagte dies überhaupt noch bestreiten will. Er hat sich dahingehend eingelassen,
dass in dem Telefongespräch Mitte Januar 2007 zwischen den Parteien sämtliche
Bestandteile eines entsprechenden Vertrages besprochen worden sind, und dass man
insoweit auch Einigung erzielt habe. So wurde der Tag der Proben sowie der Tag der
Veranstaltung, die zu singende Tenor-Solo-Partie und auch die Höhe der Vergütung
festgelegt. Der Beklagte hat sich darüber hinaus weiter dahingehend eingelassen, dass
er die Email vom 20.01.2007 übersandt habe, um die Vereinbarung wirklich zu
manifestieren, und eine schriftliche Sicherheit zu haben. In der Branche zähle noch das
Wort. Er habe aber um eine Bestätigung gebeten, welche seitens des Beklagten nicht
erfolgt sei. Auf Vorhalt des Gerichts, wieso er denn Wochen lang nichts unternommen
habe, obwohl eine Bestätigung des Klägers nicht mehr erfolgt sei, ob er nicht vielleicht
gedacht habe, dass mit seiner Bestätigungs-Mail vom 20.01.2007 alles in Ordnung
gewesen sei, hat der Beklagte mit "jein" beantwortet. Einerseits sei für ihn alles klar
gewesen, andererseits sei in dieser Branche eine gewisse Flexibilität von Nöten, die es
dem Veranstalter erlaube, auch kurzfristig Termine abzusagen.
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Selbst wenn man die Einlassung des Beklagten als Bestreiten einer verbindlichen
Vereinbarung auslegen wollte, ist das Gericht unter Zugrundelegung der Aussagen
beider Parteien und der entsprechenden Emails, welche zwischen den Parteien
gewechselt worden sind, davon überzeugt, dass die Parteien bereits eine verbindliche
Vereinbarung am Telefon abgeschlossen haben. Unstreitig war in dem Telefongespräch
eine Einigung bezogen auf sämtliche wesentliche Vertragsbestandteile, wie oben
dargestellt, erfolgt. Der Beklagte hat sogar erklärt, dass er sich im Rahmen dieses
Gesprächs bereit erklärt habe, auf ein Erscheinen des Klägers zur Probe zu verzichten,
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wenn dieser für diesen Tag noch eine andere Verpflichtung habe.
Auch der Wortlaut der Bestätigungs-Mail des Beklagten, wonach er die "telefonisch
erörterte Vereinbarung" bestätigt, spricht dafür, dass der Beklagte von einer festen
Vereinbarung ausgegangen ist. Der Einleitungssatz der Mail lautet ferner, dass er sich
freue, dass erneut ein gemeinsames Musizieren zustande komme. Auch dies spricht
dafür, dass der Beklagte genauso wie der Kläger fest davon ausgegangen ist, dass eine
entsprechende Vereinbarung bereits existiert. Auch hat der Beklagte selbst erklärt, dass
die Mail zur Sicherheit versandt worden sei, damit etwas Schriftliches vorhanden sei.
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Das Gericht misst der Tatsache, dass der Beklagte seine Mail mit dem Satz beendet:
"Bitte um Bestätigung!" keine besondere Bedeutung zu. Wenn der Beklagte tatsächlich
davon ausgegangen sein sollte, dass es einer Bestätigung des Klägers für eine
verbindliche Vereinbarung noch bedurft hätte, hätte nichts näher gelegen, als in den
Wochen danach diese Bestätigung noch einmal anzumahnen. Dies hat der Beklagte
aber gerade nicht getan. Dies zeigt nach der Auffassung des Gerichts eindeutig, dass
auch der Beklagte von einer verbindlichen Vereinbarung bezogen auf die Teilnahme
des Klägers an dem Konzert ausgegangen ist.
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Der Dienstvertrag ist durch den Beklagten auch nicht wirksam gekündigt worden.
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Eine ordentliche Kündigung gemäß § 621 Ziffer 5 scheitert bereits daran, dass es sich
bei der hier maßgeblichen Verpflichtung des Beklagten nur um eine einmalig zu
erbringende Dienstleistung handelt, so dass die Voraussetzungen des § 620 Absatz 2
BGB nicht vorliegen, die zu einer Kündigungsmöglichkeit nach § 621 BGB führen
würden. Die Regelung des § 621 BGB ist nur auf Dienstverhältnisse anwendbar, deren
Dauer aus der Beschaffenheit und dem Zweck der Dienste nicht entnommen werden
kann (Ermann/C, § 621 Randzeichen 1).
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Es liegt auch kein Kündigungsgrund i. S. v. § 627 BGB vor. Der Beklagte hat weder
Dienste höherer Art zu leisten gehabt, noch war ihm der Dienst aufgrund besonderen
Vertrauens übertragen worden. Diese Kündigungsvorschrift hat bestimmte freie Berufe
im Blick, nicht jedoch einmalig ausgeübte Gesangsdarbietungen (vgl. mit Beispielen
Ermann a.a.O., Randzeichen 3). Auch sind keine Anhaltspunkte für ein besonderes
Vertrauensverhältnis ersichtlich. Damit scheidet die Anwendbarkeit von § 627 BGB aus.
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Der Beklagte hat ferner kein Kündigungsrecht aus § 626 BGB. Dieser Kündigungsgrund
greift nur dann durch, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und in Abwägung der Interessen
beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht
zugemutet werden kann.
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Die Voraussetzungen dieser Norm liegen schon deswegen nicht vor, weil die
Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien ergibt, dass das Risiko des
unerwarteten Ausfalls des Orchesters allein der Veranstalter, d. h. hier der Kläger zu
tragen hat. Nur dem Kläger war es möglich, das Risiko vor Beginn der Tournee
abzuschätzen. Dem Kläger standen insoweit keine Erkenntnismöglichkeiten zur
Verfügung. Die Störung wurde nicht von einer Partei, sondern durch einen Dritten
verursacht, mit dem nur der Beklagte, nicht dagegen der Kläger, in einem
Vertragsverhältnis stand. Das Risiko, dass der Vertragspartner des Beklagten sich nicht
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vertragsgerecht verhält, kann er nicht auf den Kläger überwälzen (vergl. dazu BGH,
NJW 2002, 595).
Der Beklagte befand sich auch mit der Annahme des Dienstes des Klägers im
Annahmeverzug gemäß § 615 BGB. Der Beklagte hat durch seine Mail vom 13.03.2007
zum Ausdruck gebracht, dass er die Dienstleistung des Klägers für das vereinbarte
Wochenende vom 8. und 9. September nicht mehr annehmen wolle und könne. Für den
Annahmeverzug ist es unter diesen Umständen gleichgültig, ob der Dienstherr die
Dienstleistung nicht annehmen will oder ob er sie wegen äußerer Umstände nicht
annehmen kann (Palandt-Weidenkaff, § 615, Randzeichen 8/9). Aus diesen Gründen
brauchte der Kläger seine Dienstleistung an dem vereinbarten Tag auch nicht erneut
anzubieten, weil nach den Gesamtumständen klar war, dass der Beklagte diese
Dienstleistung nicht mehr annehmen würde. Nach ständiger Rechtsprechung ist darüber
hinaus das Angebot der Dienstleistung auch stets dann überflüssig, wenn eine
unwirksame Kündigung vorliegt. Dies war hier ebenfalls gegeben, weil der "Rücktritt
vom Vertrag" des Beklagten mit Mail vom 03.05.2007 vorgelegen hat. Mithin hat der
Beklagte sich im Annahmeverzug mit der Dienstleistung befunden.
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Soweit die Parteien zunächst über die ersparten Aufwendungen gestritten haben, hat
der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.02.unstreitig gestellt, dass der Beklagte kein
Fahrzeug besessen oder benutzt hat, und dass er am 16.09.2007 andern Orts engagiert
war, und deswegen den Ausweichtermin nicht angenommen hat. Daher brauchten auch
die schriftlich eingeholten Zeugenaussagen nicht mehr in den Prozess eingeführt
werden.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten ferner einen Anspruch auf Zahlung er geltend
gemachten Zinsen, §§ 280 Absatz 1, Absatz 2 i. V. m. § 286 Absatz 1, 288 Absatz 1
BGB.
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Mit Email vom 11.04.2007 hat der Kläger den Beklagten eine Frist zur Zahlung des
Ausfallhonorars bis zum 25.04.2007 gesetzt und erklärt, dass er danach anwaltlich nicht
nur einen geminderten Betrag von 500,00 €, sondern von 800,00 € einfordern werde.
Der Beklagte befand sich damit seit dem 26.04.2007 mit der Zahlung der gesamten
Ausfallentschädigung in Höhe von 800,00 € in Verzug.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten ferner einen Anspruch auf Zahlung der
Anwaltsvergütung aus § 280 Absatz 1, Absatz 2 i. V. m. § 286 Absatz 1 BGB.
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Wie bereits in der Mail vom 11.04.2007 angekündigt, hat sich der Kläger, nachdem er
den Beklagten wirksam in Verzug gesetzt hat, einen Anwalt gesucht, der dann den
Beklagten erneut aufgefordert hat, die Ausfallentschädigung, sowie seine
Anwaltsvergütung zu zahlen. Damit waren die entstandenen Anwaltskosten Folge des
Zahlungsverzuges des Beklagten.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Absatz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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