Urteil des AG Münster vom 05.11.2007

AG Münster: stadt, zwangsverwaltung, abfall, grundstück, beschlagnahme, gütliche einigung, verwaltungskosten, satzung, anweisung, auflage

Amtsgericht Münster, 9 L 4/06
Datum:
05.11.2007
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
Insolvenzgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 4/06
Schlagworte:
öffentliche Lasten, Grundstücksbezogene Benutzungsgebühren,
Straßenreinigungs-, Abfall- und Abwassergebühren,
Gläubigervorschuss
Normen:
§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 3; 152 Abs. 1, 155, 156, 161 Abs. 3 ZVG; § 6 Abs. 5
KAG
Leitsätze:
Grundstücksbezogene Benutzungsgebühren wie beispielsweise
Straßenreinigungs-, Abfall- und Abwassergebühren stellen nach
Änderung des Kommunalabgabengesetzes durch Einfügung des
Absatzes 5 in § 6 KAG öffentliche Lasten im Sinne von §§ 10 Abs. 1 Nr.
3, 156 ZVG dar.
Die Änderung tritt zum 17.10.2007 in Kraft. Mangels einer
Übergangsvorschrift stellen die Benutzungsgebühren, welche ab dem
Inkrafttreten der Gesetzesänderung entstehen, öffentliche Lasten dar.
Soweit sie vor dem 17.10.2007 entstanden sind, hat der
Zwangsverwalter sie für die Zeit ab Beschlagnahme im Rahmen der
ordnungsmäßigen Nutzung des Grundstücks als notwendige
Verwaltungskosten im Sinne von § 155 Abs. 1 ZVG zu zahlen. Für die
Qualifizierung der Benutzungsgebühren als öffentliche Last kommt
einzig und allein auf den Zeitpunkt des Entstehens der Gebühren an.
Die Frage der Fälligkeit bzw. Feststellung kann hier unbeachtlich
bleiben; da sich dies auf die Durchsetzung der Ansprüche bezieht.
Die Haftung des Zwangsverwalters für Benutzungsgebühren wird nicht
dadurch berührt, dass er nicht in der Lage ist, die als notwendige
Verwaltungskosten im Sinne von § 155 Abs. 1 ZVG zu begleichenden
Beträge aus den Nutzungen des Objekts zu erwirtschaften. In einem
solchen Fall ist ggf. nach § 161 Abs. 3 ZVG zu verfahren. Soweit es sich
bei den Benutzungsgebühren um öffentliche Lasten handelt, ist
zumindest zweifelhaft, ob insoweit auch zukünftig von der Erhebung
eines Gläubigervorschusses abzusehen ist. Bisher war es einhellige
Auffassung, dass zur Deckung öffentlicher Lasten keine
Gläubigervorschusserhebung vorzunehmen war. Der Anspruchsteller ist
insoweit über die Vorschrift § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG privilegiert.
Tenor:
In dem Verfahren zur Zwangsverwaltung
des Grundstücks eingetragen im Grundbuch von M Blatt #####
Grundbuchbezeichnung:
Gemarkung M Flur ### Flurstück ##, Gebäude- und Freifläche, A zur
Größe von 5274 qm
Eigentümer:
F GmbH & Co KG vertreten durch den Insolvenzverwalter Dipl Volkswirt
M
wird der Zwangsverwalter Rechtsanwalt C, aus M gemäß § 153 Abs. 1
ZVG angewiesen, die ab dem 23.1.2006 entstandenen und von der
Stadt M – Amt für Finanzen und Beteiligungen – in M erhobenen
Gebühren für Straßenreinigung, Abfall –und Abwasserentsorgung bzgl.
der Grundstücke A (Gemarkung M Flur ###, Flurstück ##) zu zahlen.
Die vorgenannten Benutzungsgebühren sind für den Zeitraum vom
23.1.2006 bis zum 16.10.2007 als Ausgaben der Verwaltung im Sinne
von § 155 Abs. 1 ZVG anzusehen. Ab dem 17.10.2007 sind diese
Gebühren als öffentliche Last im Sinne von § 156 Abs. 1 ZVG zu
behandeln.
Da für diese erforderliche Maßnahme zurzeit keine bzw. nicht
ausreichende Mittel vorhanden sind, wird angeordnet, dass die
betreibende Gläubigerin, die Sparkasse D, F, D, binnen 3 Wochen nach
Zustellung dieses Beschlusses einen Vorschuss in Höhe von 10.180,83
€ an den Zwangsverwalter zu zahlen hat. Widrigenfalls wird das
Verfahren aufgehoben.
Gegen diesen Beschluss haben die betreibende Gläubigerin, die
Schuldnerin sowie Beteiligte gem. § 9 ZVG die Möglichkeit, innerhalb
einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung schriftlich die Möglichkeit, beim
Amtsgericht in M unter Angabe des obigen Aktenzeichens befristete
Rechtspflegererinnerung gem. § 11 Abs. 1 RpflG einzulegen.
Gründe:
1
I. Zum Sachverhalt:
2
Auf Antrag der Sparkasse E ist wegen eines dinglichen Anspruchs auf Duldung der
Zwangsvollstreckung aus dem im Grundbuch von N2 Blatt ####1 eingetragenen Recht
Abteilung III Nr. 4 durch Beschluss vom 19.1.2006 die Zwangsverwaltung angeordnet
worden.
3
Die Beschlagnahme des Objektes ist eingetreten im Zeitpunkt des Eingangs des
4
Ersuchens um Eintragung des Zwangsverwaltungsvermerks beim Grundbuchamt am
23.1.2006; §§ 22 Abs. 1 S. 2, 151 ZVG.
Der Zwangsverwalter, Herr Rechtsanwalt D, N2, hat das zu verwaltende Objekt am
25.1.2006 in Besitz genommen.
5
Bei dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Objekt handelt es sich um ein
Grundstück, welches mit einer großen Halle mit angrenzendem unterkellerten
Bürogebäude (A) sowie einem unterkellerten Wohnhaus (A) bebaut ist.
6
In dem Wohnhaus sind drei Wohnungen befindlich.
7
Das Objekt ist nur teilweise vermietet. Insbesondere der bisher durch die Fa. Q GmbH in
N2 genutzte gewerbliche Teil des Objektes ist derzeit ungenutzt.
8
Die Vollstreckungsgläubigerin hat im laufenden Verfahren bereits zwei
Gläubigervorschüsse im Sinne von § 161 Abs. 3 ZVG in Höhe von 3.500,00 Euro und
2.000,00 Euro an den Zwangsverwalter auf seinen Antrag hin entrichtet. Die
Gläubigervorschüsse waren zur Durchführung eines Räumungsvollstreckung wie auch
zur Sicherung des Objektes (Austausch von Schlössern pp.) notwendig geworden.
9
Mit Schreiben vom 7.3.2007 berichtete der Zwangsverwalter, dass nach Abschluss
sämtlicher im Zusammenhang mit der Räumung anstehenden Arbeiten geplant ist, eine
Neuvermietung vorzunehmen.
10
Bezüglich des Zwangsverwaltungsobjekts ist auch die Zwangsversteigerung unter dem
Aktenzeichen ###### beim Amtsgericht in N2 anhängig. Zwangsversteigerungstermin
ist dort am 16.11.2007.
11
Eine Neuvermietung ist bisher – offenbar auch wegen des anstehenden
Versteigerungstermins – nicht gelungen.
12
Mit Schreiben vom 14.6.2007 teilte der Zwangsverwalter mit, dass die Stadt N2 als
Kommunalbehörde den Zwangsverwalter auffordere, einen weiteren
Gläubigervorschuss gem. § 161 Abs. 3 ZVG einzufordern. Der weitere
Gläubigervorschuss soll anfallende Benutzungsgebühren für Straßenreinigung, Abfall-
und Abwasserentsorgung abgelten.
13
Das Amt für Finanzen und Beteiligungen der Stadt N2 hat durch Änderungsbescheid
vom 23.5.2007 (Objekt Nr. ########) sowie Änderungsbescheid vom 8.6.2007 (Objekt-
Nr. ######## und ##########) entsprechende Straßenreinigungs-, Abfall und
Abwassergebühren festgesetzt.
14
Der Zwangsverwalter hingegen teilt die Rechtsauffassung der Stadt N2 nicht. Er führt
aus, dass er die Zahlung der von der Stadt N2 beantragten öffentlichen Abgaben gem. §
155 ZVG – und den damit verbundenen gerichtlichen Antrag auf Gläubigervorschuss –
nicht vornehmen könne. Grund hierfür sei, dass der Vollstreckungsgläubiger sich
diesbezüglich später nicht gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG schadlos halten könne. Die Stadt
sei als Kommunalbehörde hingegen durch § 156, 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG ausreichend
geschützt. Die Benutzungsgebühren stellten öffentliche Lasten im Sinne vorgenannter
Vorschriften dar.
15
Die Stadt N2 – Rechtsamt – hat mit Schreiben vom 19.6.2007 beantragt, den
Zwangsverwalter durch gerichtlichen Beschluss anzuweisen, zugunsten der Zahlung
der öffentlichen Abgaben einen entsprechenden Gläubigervorschuss einzufordern; eine
gütliche Einigung mit dem Zwangsverwalter über diese Sach- und Rechtsfrage sei nicht
zu erzielen.
16
Der Zwangsverwalter hingegen beantragt mit Schreiben vom 3.8.2007, den Antrag der
Stadt N2 auf Anweisung des Zwangsverwalters zurückzuweisen.
17
Die Stadt N2 sei nicht Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG. Somit stehe ihr eine
entsprechende Antragstellung nicht zu.
18
Weiterhin sei eine gerichtliche Anweisung im vorliegenden Falle nicht notwendig. Der
Zwangsverwalter handele grundsätzlich selbstständig. Die Anweisungen, mit denen er
im Rahmen seiner Bestellung versehen wird und die sich mit dem Wortlaut des § 152
Abs. 1 ZVG decken, seien unmissverständlich und ausreichend. § 9 Abs. 2 ZwVwV
sehe ergänzend vor, dass der Zwangsverwalter nur solche Verpflichtungen eingehen
soll, die aus bereits vorhandenen Mitteln gedeckt sind. Eine Ausnahme hiervon nennt §
9 Abs. 3, wonach der Zwangsverwalter verpflichtet sei, das Objekt gegen Feuer-, Sturm
und Leitungswasserschäden zu versichern, soweit dies durch eine ordnungsgemäße
Verwaltung erforderlich erscheint. Auch hier sei dem Zwangsverwalter das Recht und
die Kompetenz eingeräumt selbst zu entscheiden, was erforderlich ist und was nicht.
Dies sei so zu verstehen, dass hier ein Vorschuss über die Regelung des § 152 ZVG
hinaus gehend angefordert werden könnte. Hier sei insofern eine Ausnahme von § 152
ZVG gemacht.
19
Aus den Einnahmen bestreite der Verwalter – ohne gerichtliche Anweisung und ohne
Teilungsplan die Ausgaben der Verwaltung, die expressis verbis in der Kommentierung
zu § 9 Abs. 1 ZwVwV genannt sind. Grundbesitzabgaben seien in diesem Katalog nicht
genannt (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen § 9 ZwVwV Rn. 4). Es handele sich im
weitesten Sinne um Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen.
20
Mit der Entscheidung über die Notwendigkeit von Maßnahmen entscheidet der
Zwangsverwalter auch, für welche Maßnahmen Kostenvorschüsse angefordert werden
müssten. Dem Gläubiger bliebe es unbenommen, angeforderte Vorschüsse nicht zu
zahlen mit der Folge, dass das Zwangsverwaltungsverfahren aufgehoben wird, § 161
Abs. 3 ZVG.
21
Grundbesitzabgaben, bei denen es sich um Abgaben handelt, die durch Hoheitsakt
festgesetzt wurden, erfüllten diese Kriterien nicht. Sie gehörten nicht zu den
notwendigen Ausgaben der Verwaltung. Über die Notwendigkeit der Erhebung
entscheidet die Stadt, nicht der Zwangsverwalter. Es ist auch nicht erkennbar, dass die
Zahlung der Grundbesitzabgaben zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Grundstücks
erforderlich seien. Es bliebe der Stadt N2, die im Hinblick auf die Beitreibung der
Grundbesitzabgaben privilegiert ist, unbenommen, diese im
Verwaltungsvollstreckungsverfahren gegen den Schuldner beizutreiben. Schuldner sei
der Grundstückseigentümer. Der Zwangsverwalter sei als Partei kraft Amtes nicht
Schuldner und nicht Rechtsnachfolger des Schuldners.
22
Grundbesitzabgaben seien öffentliche Lasten, die aus den Überschüssen der
23
Zwangsverwaltung zu zahlen sind, § 156 Abs. 1 ZVG.
Folge man der nunmehr von der Stadt N2 vertretenen Rechtsauffassung, würde dies
bedeuten, dass ein rangmäßig vorrangiger Gläubiger einen nachrangigen Gläubiger
aus eigenen Mitteln befriedigen muss. Dies könne nicht richtig sein.
24
II. Entscheidungsgründe:
25
1. Frage der Anweisungsmöglichkeit des Zwangsverwalters zur Einholung eines
Kostenvorschusses gem. § 161 Abs. 3 ZVG.
26
Gem. § 152 Abs. 1 ZVG hat der Verwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen
vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen
Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen; er hat die Ansprüche, auf
welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen und die für die
Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umzusetzen.
27
Er ist für die Erfüllung seiner Verpflichtungen den Beteiligten gegenüber verantwortlich.
Bei der Erfüllung seiner Aufgaben handelt der Zwangsverwalter selbstständig (§ 1 Abs.
1 S. 1 ZwVwV). An Wünsche und Anregungen von Beteiligten ist der Verwalter nicht
gebunden; bindend für ihn sind jedoch die vom Gericht erteilten Weisungen (§ 153 Abs.
1 ZVG).
28
Gem. § 153 Abs. 1 ZVG hat das Gericht den Verwalter mit der erforderlichen Anweisung
für die Verwaltung zu versehen und die Geschäftsführung zu beaufsichtigen. Das
Gericht kann für Verfahren aller Art allgemeine Anweisungen geben; es kann aber auch
Einzelanweisungen erteilen. Im Rahmen der Aufsichtsprüfung wie auch des
Anweisungsrechtes hat das Gericht jedoch die unabhängige und selbstständige
Stellung des Zwangsverwalters zu beachten. Die Handlungsfreiheit des
Zwangsverwalters ist daher zu wahren.
29
Vorrangig kommt ein Antragsrecht im Sinne von § 153 Abs. 1 ZVG dem
Vollstreckungsgläubiger, Schuldner und sonstigen Verfahrensbeteiligten im Sinne von §
9 ZVG zu. Nach Auffassung des Gericht hat dieses im Rahmen seiner Aufsichtspflicht
den Zwangsverwalter aber nicht nur zu überwachen und gegen Pflichtwidrigkeiten
einzuschreiten, sondern auch dann, wenn Meinungsverschiedenheiten oder Streit über
die Führung der Geschäfte besteht, erforderliche Anweisungen für die Verwaltung zu
erteilen. Beteiligte können daher nicht nur auf erhebliche Tatsachen hinweisen und
anregen, Maßnahmen zu veranlassen, sondern erforderliche Anweisungen auch
beantragen.
30
Die Stadt N2 ist hier im vorliegenden Fall keine Verfahrensbeteiligte im Sinne von § 9
ZVG. Gleichwohl besteht zwischen Zwangsverwalter und der Stadt N2 als
Kommunalbehörde seit längerem eine Meinungsverschiedenheit über die Möglichkeit
der Erhebung eines Kostenvorschusses zur Deckung der Benutzungsgebühren als
öffentliche Abgaben. Weiterhin besteht auch Streit über die Zuordnung der einzelnen
Abgaben zum Begriff der öffentlichen Last im Sinne von §§ 156, 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG.
Der Stadt als Körperschaft des öffentlichen Rechts kommt insoweit eine Sonderstellung
zu. Im Rahmen Ihres Verwaltungshandelns ist sie berechtigt, wegen fälliger öffentlicher
Abgaben – bezogen auf das der Zwangsverwaltung unterliegende Grundstück –
Abgabenbescheide gegen den Zwangsverwalter als Partei kraft Amtes zu erlassen.
31
Auch wenn insoweit die Beteiligteneigenschaft im Sinne von § 9 ZVG nicht gegeben ist,
besteht nach Ansicht des Gerichts im Rahmen der Aufsichtspflicht des Gerichts insoweit
jedoch das Recht und die Pflicht, sich der Meinungsverschiedenheit anzunehmen und
auf eine dem Verfahren dienende Verfahrensweise hinzuwirken. Eines formellen
Antrages bedarf es insoweit nicht. Soweit hier begehrt wird, den Zwangsverwalter zur
Einholung eines Gläubigervorschusses anzuhalten, greift das Gericht mit einer
entsprechenden Einzelanweisung auch nicht in die geschützte Handlungsfreiheit des
Zwangsverwalters ein. Durch die geltend gemachten öffentlichen Abgaben im laufenden
Zwangsverwaltungsverfahren sowie die Festsetzung entsprechender Beträge durch
Bescheid gegen den Zwangsverwalter wird die zu verwaltende Vermögensmasse und
das Eigentum des Vollstreckungsschuldners belastet. Die eigentliche Handlung,
nämlich die Zahlung der öffentlichen Abgaben durch Vorschuss erfolgt durch den
Vollstreckungsgläubiger.
Soweit – was noch zu klären ist – eine Zahlungspflicht des Zwangsverwalters
gegenüber der Stadt N2 auch dann besteht, wenn Überschüsse im Sinne von §§ 155,
156 ZVG nicht vorhanden sind, kann die Weigerung des Zwangsverwalters gegen die
Einforderung eines Gläubigervorschusses gem. § 161 Abs. 3 ZVG keine schutzwürdige
Handlungsfreiheit im Sinne von § 153 Abs. 1 ZVG darstellen.
32
II.
33
2. Aufgaben des Zwangsverwalters
34
Gem. § 152 Abs. 1 ZVG hat der Verwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen
vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen
Bestande zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen; er hat die Ansprüche, auf
welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen und die für die
Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umzusetzen.
35
Weitere Ausführungen zur Stellung und zu den Aufgaben und der Geschäftsführung des
Zwangsverwalters sind in der Zwangsverwalterverordnung (ZwVwV) vom 19.12.2003
(in Kraft getreten zum 1.1.2004) enthalten.
36
Hinsichtlich der Verwendung und Verteilung der Einnahmen finden sich insbesondere
in den Vorschriften §§ 155 sowie 156 Abs. 1 ZVG sowie §§ 9, 11 ZwVwV wichtige
Hinweise.
37
Soweit Nutzungen des Grundstücks vorhanden sind, hat der Zwangsverwalter – ohne
das es eines Teilungsplanes des Vollstreckungsgerichtes bedarf – gem. §§ 155 Abs. 1,
156 Abs. 1 ZVG vorweg zu befriedigen:
38
1. die Ausgaben der Verwaltung,
39
2. die Kosten des Verfahrens (jedoch nicht Anordnungs- und Beitrittskosten),
40
3. die öffentlichen Lasten.
41
Als Nutzungen werden in der Rechtssprechung und Kommentierung zu § 155 Abs. 1
ZVG die der Beschlagnahme unterliegenden Bruttoeinnahmen, also die Früchte oder
Gelderlöse aus der Verwaltung des Objektes sowie Mieten und Pachteinnahmen
42
bezeichnet.
Soweit nach Abzug der vorgenannten Kosten und Aufwendungen Überschüsse
verbleiben, können diese sodann gem. § 155 Abs. 2 ZVG entsprechend der Rangfolge
des § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZVG auf die sonstigen Ansprüche verteilt werden. Hierbei
werden in der zweiten, dritten und vierten Rangklasse jedoch nur Ansprüche auf
laufende wiederkehrende Leistungen berücksichtigt. Gem. § 13 Abs. 1 ZVG sind
laufende Beträge wiederkehrender Leistungen "der letzte vor der Beschlagnahme fällig
gewordene Betrag sowie die später fällig werdenden Beträge". Alle älteren Beträge sind
"Rückstände".
43
Wichtig ist zu beachten, dass auch im Zwangsverwaltungsverfahren die Vorschriften
über die grundsätzliche Rangfolge gem. § 10 ZVG maßgeblich ist. Das ZVG enthält
darüber hinaus aber eine Reihe von Besonderheiten. Einige Ansprüche werden schon
ohne Teilungsplan gedeckt (§§ 155 Abs. 1, 156 Abs. 1 ZVG), alle anderen dürfen nur
nach dem Plan bezahlt werden (§ 157 Abs. 1), der bei Bedarf aufzustellen ist (§ 156
Abs. 2 ZVG). Besonderheiten zur Kapitalzahlung und außergerichtlichen Verteilung sind
in §§ 158, 160 ZVG geregelt.
44
Im Verhältnis zu den Rangverhältnissen im Zwangsversteigerungsverfahren ist also
darauf zu achten, dass über die Sonderregelungen in § 155 Abs. 2 ZVG der Umfang der
Ansprüche, welche über § 155 Abs. 2 ZVG den Rangklassen des § 10 Abs. 1 ZVG
zuzuordnen ist, beschränkt wurde auf laufende wiederkehrende Leistungen. Ferner sind
hier nur die Rangklassen Ziffer 1 bis 5 beachtlich.
45
Auch kann es sein, dass der Zwangsverwalter bestimmte Ansprüche ab dem
Beschlagnahmezeitpunkt z.B. bereits als "Ausgaben der Verwaltung" über § 155 Abs. 1
ZVG getilgt hat (vgl. zum Litlohnanspruch auch die Kommentierung in Stöber, ZVG, 18.
Auflage, Rn. 4.2 e) sowie 6.4. zu § 155 ZVG). Insoweit findet letztlich – unabhängig der
Regelung in § 155 Abs. 2 ZVG – eine Durchbrechung der Rangeinhaltung und somit
eine Vorwegbefriedigung statt. Dies dürfte letztlich aber auf die Besonderheiten des
Zwangsverwaltungsverfahrens zurückzuführen sein. Denn im Gegensatz zum
Zwangsversteigerungsverfahren findet hier keine Verwertung des
Beschlagnahmeobjektes sondern eine Nutzung zur Erzielung von Einnahmen statt.
46
Der geschilderte Fall der Litlohnanspruchsbefriedigung ist jedoch nur exemplarisch
dargestellt und zeigt, dass trotz der Regelung in § 155 Abs. 2 ZVG, welche besagt, dass
eine Überschussverteilung auf die Ansprüche der Rangklassen § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 5
ZVG in dort begrenzter Form, eine Berücksichtigung derartiger Ansprüche als
"Ausgaben der Verwaltung" im Sinne von § 155 Abs. 1 ZVG nicht ausgeschlossen ist.
47
Dieser Aspekt dürfte beispielsweise auch auf Hausgeldzahlungen bei der
Zwangsverwaltung von Wohnungseigentumseinheiten eine Rolle spielen. Nach
bisheriger einhelliger Auffassung wurden Hausgeldzahlungen, in welchen im übrigen
letztlich auch Anteile zur Deckung von Benutzungsgebühren enthalten sind, ab dem
Beschlagnahmezeitpunkt als "Ausgaben der Verwaltung" im Sinne von § 155 Abs. 1
ZVG angesehen. Der Zwangsverwalter konnte insoweit also eine vorrangige
Befriedigung ohne Aufstellung eines Teilungsplanes vornehmen und ggf. sogar eine
Gläubigervorschusszahlung gem. § 161 Abs. 3 ZVG einfordern (vgl. insoweit Aufsatz
"Das Hausgeld" in der Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums von Thomas
Steiger, Rpfleger 1985, 474 ff.; OLG I2, B. v. 24.11.2003 – 15 W 342/03 – Rpfleger 2004,
48
369 ff.).
Zwar wurden u.a. Hausgeldbeträge von Wohnungseigentumseinheiten nach dem
Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom
26.3.2007 – BGBl. I. 2007, 370 f. – nunmehr als Anspruch in die Rangklasse 2 des § 10
Abs. 1 ZVG aufgenommen; Überschussanteile sind somit in der Zwangsverwaltung über
§ 155 Abs. 2 ZVG in begrenztem Maße nunmehr auch auf diese Ansprüche zuverteilen.
Nach Auffassung des Gerichts fällt damit aber nicht automatisch, dass
Hausgeldansprüche generell nicht mehr als "Ausgaben der Verwaltung" im Sinne von §
155 Abs. 1 ZVG anzusehen sind. Vielmehr dürfte – ebenso wie auch bei den
Litlohnansprüchen – die Notwendigkeit der "vorrangigen Befriedigung als Ausgaben der
Verwaltung" sich aus den Aufgaben und Pflichten des Zwangsverwalters gem. § 152
Abs. 1 ZVG ergeben.
49
Festzuhalten bleibt somit, dass ein Anspruch – auch wenn er seiner Benennung und
seiner Art nach den in §§ 155 Abs. 2 ZVG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZVG
genannten Ansprüchen zugeordnet werden kann – teils auch als "Ausgaben der
Zwangsverwaltung" oder "öffentlicher Last" im Sinne von § 156 Abs. 1 ZVG
Berücksichtigung finden kann. Entscheidend dürfte sein, dass der Zwangsverwalter für
diese geltend gemachten Ansprüche im Rahmen seiner Amtsführung haftet und eine
Notwendigkeit zur Begleichung und vorrangigen Befriedigung besteht.
50
Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, besteht zwischen dem
Zwangsverwalter und der Stadt N2 als örtliche Kommunalbehörde u.a. ein
Meinungsstreit darüber, ob die für das unter Zwangsverwaltung stehende Objekt
anfallenden Benutzungsgebühren öffentliche Lasten im Sinne von §§ 156, 10 Abs. 1 Nr.
3 ZVG sind. Der Zwangsverwalter lehnt eine Gläubigervorschusserhebung zur
Abdeckung dieser Beträge ab, weil der Vollstreckungsgläubiger sich nicht über § 10
Abs. 1 Nr. 1 ZVG refinanzieren könne.
51
Zur Begründung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen wird beiderseitig u.a. die
Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.4.2003 – ###### (NJW 2003, 2162)
angeführt.
52
Nach Auffassung des Gerichts kommt der Entscheidung des Bundesgerichtshofes im
vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Die genannte Entscheidung bezieht sich
ausdrücklich nur auf die Rangfolge konkurrierender Gläubiger bei der Befriedigung aus
dem Versteigerungserlös. In dem dort entschiedenen Fall beanspruchten die
Miteigentümer einer WEG-Gemeinschaft, die selbst betreibende Gläubiger eines
parallel geführten Zwangsverwaltungsverfahrens waren und dort einen
Gläubigervorschuss geleistet hatten, wegen dieses Vorschussbetrages den
Befriedigungsvorrang aus § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG vor einer dinglichen Gläubigerin, der
ihnen u.a. hinsichtlich der Verwaltervergütung versagt wurde.
53
Im vorliegenden Fall hingegen geht es vorrangig um den Anwendungsbereich der §§
155 Abs. 1, 152 Abs. 1 und 161 Abs. 3 ZVG, der von demjenigen der §§ 10 Abs. 1 Nr. 1
und 3 ZVG getrennt zu behandeln ist.
54
Gleichwohl soll auf die von den Streitführern aufgeworfenen Fragen der
Anwendung von § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG kurz eingegangen werden. Ferner ist an
dieser Stelle zu klären, ob und ggf. inwieweit die verlangten Benutzungsgebühren
55
eine "öffentliche Last" im Sinne von § 156 Abs. 1 ZVG darstellt oder aber ggf. als
"Ausgaben der Verwaltung" gem. § 155 Abs. 1 ZVG einzuordnen sind.
Eindeutig stellen die von der Stadt N2 gegen den Zwangsverwalter geltend gemachten
Benutzungsgebühren keine Ausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG dar. Auch
wenn ein Gläubigervorschuss insoweit gezahlt worden wäre, wäre die Befriedigung des
Gläubigers diesbezüglich an dieser Rangstelle abzulehnen, da weder Straßenreinigung
noch Abfall- und Abwasser bzw. die Gebühren hierfür zur Erhaltung oder nötigen
Verbesserung des Grundstücks beitragen. Dies ergibt sich aus dem Urteil des
Bundesgerichtshofes vom 10.4.2003 aber auch aus zahlreichen Entscheidungen und
der Kommentierung zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG.
56
Die vorbezeichneten Benutzungsgebühren
stellten bisher
Grundstückslasten im Sinne der Vorschrift §§ 156 Abs. 1 bzw. 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG dar.
57
Nach der Definition sind öffentliche Grundstückslasten alle persönlichen, sachlichen
und finanziellen Leistungen, die dem Bürger zugunsten der Allgemeinheit auferlegt
werden. Öffentliche Grundstückslasten sind sie, soweit ein Grundstück dafür dinglich
haftet. Für diese gibt es keine gesetzliche Begriffsbestimmung; ihr Entstehen richtet sich
nach öffentlichem Recht (Gesetz oder Satzung eines autonomen Verbands), ihr weiteres
Schicksal dann nach Privatrecht.
58
Die öffentliche Grundstückslast ist also
59
eine im öffentlichen Recht (des Bundes oder eines Bundeslandes) kraft Gesetzes
oder Satzung geschaffene Abgabenverpflichtung,
die in Geld durch wiederkehrende oder einmalige Leistungen zu erfüllen ist
und bei der die dingliche Haftung des Grundstücks besteht (siehe
Abgabenordnung § 77 Abs. 2),
neben der eine persönliche Zahlungsverpflichtung des Schuldners gegeben sein
kann.
60
61
Welche Zahlungsverpflichtungen eine solche öffentliche Grundstückslast ist, wird meist
in einer Rechtsvorschrift (Gesetz oder Satzung) ausdrücklich gesagt; sie kann darin aber
auch diese Eigenschaft einfach durch die rechtliche Gestaltung und Beziehung zum
Grundstück erhalten. Doch muss aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit aus der
gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgehen, dass die Abgabeverpflichtung auf dem
Grundstück lastet, dass mithin nicht nur eine persönliche Haftung des
Abgabenschuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks besteht.
Zweifel in dieser Hinsicht schließen die Berücksichtigung einer Zahlungspflicht als
öffentliche Last aus (vgl. insoweit auch BGH NJW 1981, 2127und LG B NJW-RR 1993,
1488).
62
Wenn eine Beitragspflicht durch den Gesetzgeber nicht zumindest gesetzlich im
Grundsatz als öffentliche Last festgelegt ist, kann sie nicht durch Verordnung (und
63
darauf beruhende Satzung) als öffentliche Last ausgestaltet werden.
Die Grundsteuer ist öffentliche Grundstückslast im Sinne der Vorschriften §§ 156 Abs. 1,
10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG. Die dingliche Haftung ergibt sich direkt aus dem
Grundsteuergesetz; hier § 12. Dort heißt es: "Die Grundsteuer ruht auf dem
Steuergegenstand (§ 2 Grundsteuergesetz) als öffentliche Last.".
64
Bei den Benutzungsgebühren, hier insbesondere der Straßenreinigungsgebühr, der
Abfall- und Abwassergebühr, handelt es sich um öffentliche Abgaben. Grundlage für die
Veranlagung finden sich in den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes, des
Straßenreinigungsgesetztes, des Landeswassergesetzes und des
Landesabfallgesetzes NRW in Verbindung mit den jeweiligen Ortssatzungen.
65
Auch wenn einige kommunale Satzungen im Zusammenhang mit den
Benutzungsgebühren den Begriff "öffentliche Last" verwenden (so beispielsweise die
Satzung über die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt C – Stand
1.1.2007 – dort § 2) sind sie es bisher in NRW nicht (Entsprechende Regelungen für
grundstücksbezogene Gebühren bestanden bereits seit längerer Zeit in R, M und im S).
66
Entsprechend der obigen Definition der öffentlichen Last fehlt es bei den vorerwähnten
öffentlichen Abgaben an der dinglichen Grundstückshaftung.
67
Der Landtag des Landes N hat nunmehr am 20.9.2007 das Gesetz zur Stärkung der
kommunalen Selbstverwaltung beschlossen. Darin ist u.a. auch die Änderung des
Kommunalabgabengesetzes (KAG) enthalten.
68
In § 6 KAG wird nach Abs. 4 als neuer Abs. 5 eingefügt:
69
"Grundstücksbezogene Benutzungsgebühren rühen als öffentliche Last auf dem
Grundstück". Mit der Qualifizierung der Benutzungsgebühren als öffentliche
Grundstückslast entstehen dingliche Sicherungsrechte. Durch bevorrechtigte
Befriedigung in der Zwangsversteigerung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG) und Absonderung in
der Insolvenz (§ 49 InsO) werden die Kommunen in N somit zukünftig besser gestellt
werden.
70
Die Änderung des Kommunalabgabengesetzes ist am 16.10.2007 verkündet und am
17.10.2007 in Kraft getreten.
71
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass erst mit der Änderung des
Kommunalabgabengesetzes die Benutzungsgebühren öffentliche Lasten im
Sinne von §§ 10 Abs. 1 Nr. 3 und 156 Abs. 1 ZVG darstellen. Mangels
entsprechender Übergangsvorschrift im Kommunalabgabengesetz dürften alle
Benutzungsgebühren, die ab dem 17.10.2007 entstehen, öffentliche Lasten
darstellen. Der Zeitpunkt der Geltendmachung bzw. der Eintritt der Fälligkeit der
Benutzungsgebühren ist nach hieisiger Auffassung für die begriffliche und
rechtliche Einordnung als öffentliche Last nicht maßgeblich.
72
Die Qualifizierung der Benutzungsgebühr als öffentliche Last im Sinne von § 10
Abs. 1 Nr. 3 ZVG sowie § 156 Abs. 1 ZVG dürfte im Hinblick auf den zu
entscheidenden Sachverhalt jedoch nur die Beantwortung einer Teilfrage sein.
73
Weiterhin ist zu klären, was mit den Benutzungsgebühren ist, die vor dem
17.10.2007 entstanden sind. Hier stellt sich die Frage, ob ggf. eine Zuordnung als
"Ausgaben der Zwangsverwaltung" im Sinne von § 155 Abs. 1 ZVG vorgenommen
werden kann. Darüber hinaus ist zu klären, wie der Zwangsverwalter zu verfahren
hat, wenn – wie hier – Ansprüche der Kommunen auf Zahlung von
Straßenreinigungsgebühren, Abfall- und Abwassergebühren geltend gemacht
werden und die vorhandene Masse nicht ausreicht, um diese zu befriedigen.
74
Weder in § 155 Abs. 1 ZVG noch in § 9 Abs. 1 ZwVwV ist der Begriff der Ausgaben der
Verwaltung gesetzlich weiter ausgeführt.
75
Entsprechend der Kommentierung werden unter "Ausgaben der Verwaltung" u.a. die
Vergütung des Zwangsverwalters und seine Auslagen, Unterhaltsleistungen nach § 149
Abs. 3, § 150 e) ZVG, Litlohnzahlungen ab Beschlagnahme, Hausgeldzahlungen bei
der Zwangsverwaltung von Wohnungseigentumseinheiten sowie die
Verwaltungskosten, die der Zwangsverwalter aufwenden muss, um seine
Verpflichtungen als Zwangsverwalter nach § 152 ZVG zu erfüllen, verstanden.
76
Festzuhalten ist, dass der Zwangsverwalter Vermögensverwalter im Sinne von § 34
Abs. 1, und 3 AO ist. Öffentliche Lasten sind vom Zwangsverwalter zu zahlen, soweit es
sich um öffentliche Grundstückslasten handelt oder sie im Zusammenhang mit der
Zwangsverwaltung stehen und als Ausgaben der Verwaltung anzusehen sind. Der
Zwangsverwalter haftet jedoch nicht mit seinem persönlichen Vermögen;
Feststellungsbescheide, die im Rahmen der Amtsausübung des Zwangsverwalters
gegen ihn erlassen worden sind, sind insoweit also auch auf den
Zwangsverwaltungsgegenstand und die zu verwaltende Masse beschränkt.
77
Aufgrund der gesetzlichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes stellen nunmehr
nicht nur Grundsteuern sondern auch Straßenreinigungs-, Abfall- und
Abwassergebühren sowie sonstige Benutzungsgebühren
ab dem 17.10.2007
öffentliche Lasten im Sinne von §§ 10 Abs. 1 Nr. 3 und § 156 Abs. 1 ZVG dar
78
Für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gebühren dürfte es sich grade nicht um
öffentliche Lasten im Sinne von § 156 Abs. 1 ZVG handeln.
79
Nach hiesiger Auffassung unterfallen die Benutzungsgebühren, die vor dem 17.10.2007
entstanden sind und nicht als öffentliche Lasten im Sinne von § 156 ZVG anzusehen
sind, den Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den Verpflichtungen aus § 152
ZVG.
80
Gem. § 152 Abs. 1 ZVG hat der Verwalter alle Handlungen vorzunehmen, die
erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestande zu erhalten
und ordnungsmäßig zu benutzen.
81
Eine gesetzliche Definition, was unter wirtschaftlicher Bestandserhaltung oder
ordnungsmäßiger Benutzung zu verstehen ist, ist nicht gegeben. In der Kommentierung
finden sich jedoch eine Reihe von Beispielen aus der Praxis, welche Handlungen eher
erhaltenden Charakter haben bzw. der ordnungsmäßigen Nutzung zuzuordnen sind. So
bedeutet die Erhaltung des wirtschaftlichen Bestandes nicht, dass das Grundstück in
dem Zustand bleiben muss, in dem es der Zwangsverwalter vorgefunden hat. Ist es
82
verwahrlost, muss der Verwalter es vielmehr in einen Zustand bringen, der die
ordnungsmäßige Bewirtschaftung ermöglicht. Verschlechterungen des Objektes sind zu
verhüten. Der Verwalter muss das Grundstück daher auch darauf hin überprüfen und
erforderlichenfalls durch ein Fachunternehmen kontrollieren lassen, ob Maßnahmen der
Instandsetzung und Instandhaltung notwendig sind. Zur Erhaltung gehört es auch, das
Grundstück instandzusetzen, Gebäude zu unterhalten, Baumängel zu beseitigen, unter
Umständen sogar angefangene Bauten zu vollenden (notfalls mit Gläubigervorschuss
über § 161 Abs. 3 ZVG).
Eine ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks hingegen bedeutet, dass es dem
Verwalter obliegt,
die Verwaltung wie ein ordentlich wirtschaftender Eigentümer zu
führen.
wahrzunehmen, Miet- und Pachtverträge sind fortzuführen bzw. neu abzuschließen,
Energielieferungsverträge (Strom, Gas, Wasser, Fernwärme) und ggf. Wartungsverträge
(z.B. für eine Heizungsanlage) sind abzuschließen.
83
Persönliche Steuern und Abgaben des Schuldner/Eigentümers hat der
Zwangsverwalter nicht zu tragen. Hierbei handelt es sich um persönliche Ansprüche,
die auch ggf. im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens gegen ihn persönlich geltend zu
machen sind.
84
Nach Auffassung des Gerichts führen Straßenreinigung, Abfall- und
Abwasserbeseitigung nur in mittelbarem Sinne zur wirtschaftlichen Bestanderhaltung im
Sinne des § 152 Abs. 1 ZVG. Die von der Stadt N2 geltend gemachten
Benutzungsgebühren (soweit Sie nicht öffentliche Lasten sind) stellen jedoch
Verwaltungskosten und damit Ausgaben der Zwangsverwaltung im Sinne von § 155
Abs. 1 ZVG dar. Die vorgenannten Gebühren entstehen im Zusammenhang mit dem
ordnungsgemäßen "Betreiben der zu verwaltenden Wohnung oder dem Haus bzw.
gewerblichen Gebäude". Der Abschluss eines besonderen Verpflichtungsvertrages im
Sinne von § 9 Abs. 2 ZwVwV ist nicht notwendig. Straßenreinigung, Abfall- und
Abwasserentsorgung stehen in einem allgemeinen öffentlichen Interesse.
Gebührenpflichtig ist der Eigentümer des Grundstücks bzw. der Wohnung oder der
Erbbauberechtigte im Falle eines Erbbaurechtes. Ein Verzicht auf diese
gebührenpflichtigen Leistungen kann nicht etwa durch einseitige Erklärung erfolgen.
Eine Nutzung der Wohnung bzw. der Gebäude im ordnungsmäßigen Sinne ist nach
Ansicht des Gerichts nur im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der
Straßenreinigung sowie der Abfall- und Abwasserbeseitigung möglich. Insoweit ist der
Zwangsverwalter gem. § 152 Abs. 1 ZVG verpflichtet, die anfallenden
Verwaltungskosten für diese Handlungen zu zahlen.
85
Für den zu entscheidenden Fall bedeutet dies, dass die Benutzungsgebühren,
soweit sie ab Beschlagnahme, also dem 23.1.2006, bis zum 16.10.2007
einschließlich entstanden sind, als Ausgaben der Zwangsverwaltung im Sinne
von §§ 152 Abs. 1, 155 Abs. 1 ZVG einzustufen sind.
86
Was aber tun, wenn keine oder nicht genügend Mittel vorhanden sind, um der
Zahlungspflicht nachzukommen?
87
Die Ausgaben der Verwaltung sind aus den Nutzungen des Grundstücks zu bestreiten.
Der Zwangsverwalter haftet für sie mit seinem eigenen Vermögen jedoch nicht; er hat
88
sein eigenes Vermögen auch nicht vorschussweise für die Verwaltung zu verwenden.
Was aber, wenn keine oder nicht ausreichende Einnahmen im Sinne der Vorschriften §§
155, 156 ZVG sowie § 9 Abs. 1 ZwVwV vorhanden sind? Zwar kann der
Zwangsverwalter in bestimmten Bereichen auf den Abschluss von
Verpflichtungsverträgen verzichten, um das Entstehen weiterer Verbindlichkeiten zu
vermeiden; vgl. § 9 Abs. 2 ZwVwV. Wie bereits erwähnt, entstehen die
Benutzungsgebühren jedoch im Zusammenhang mit der Eigentümerstellung
unabhängig von gesondert abzuschließenden Verträgen durch den Zwangsverwalter.
Die Leistungserbringung durch die Stadt oder aber durch kommunale Betriebe bzw.
privatwirtschaftliche Betriebe erfolgt auch im öffentlichen Interesse. Ein entsprechendes
Instrumentarium, wie es beispielsweise im Insolvenzrecht mit der
Masseunzulänglichkeitsanzeige gem. § 208 InsO dem Insolvenzverwalter zur Verfügung
steht und mit der er das Nichtausreichen der vorhandenen Mittel anzeigen kann, ist nicht
gegeben und vom Gesetzgeber offensichtlich auch bewusst nicht gewollt.
89
Sicherlich wäre es denkbar, trotz der laufenden Zwangsverwaltung bei
nichtausreichenden Mitteln wegen der Benutzungsgebühren auf die persönliche
Haftung des Schuldner/Eigentümer zu verweisen.
90
Dies kann nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht richtig sein.
91
Die Benutzungsgebühren stehen im direkten Zusammenhang mit einer in Anspruch
genommenen Versorgungs- und Entsorgungsleistung. Die Zwangsverwaltung wird mit
dem Ziel angeordnet, aus den Nutzungen des Grundstücks bzw. der Wohnung
Einnahmen zu erzielen, welche letztlich auch zur Befriedigung der Gläubiger des
Schuldner/Eigentümers führen sollen. Nach Auffassung des Gerichts ist die
Inanspruchnahme der vorerwähnten Leistungen notwendig, um das zwangsverwaltete
Objekt ordnungsmäßig zu nutzen und somit "zu betreiben".
92
Der Zwangsverwalter haftet insoweit für die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten. Der
Vollstreckungsgläubiger ist vorschusspflichtig, wenn dem Verwalter für das Verfahren
erforderliche Mittel aus den Nutzungen des Grundstücks nicht oder nicht ausreichend
zur Verfügung stehen. Ein für die Verwaltung erforderlicher Kostenvorschuss (auch für
Aufwendungen, die in der Zwangsversteigerung keinen Vorrang genießen) ist deshalb
vom Zwangsverwalter im Übernahmebericht zu bezeichnen (ZwVwV § 3 Abs. 1 Nr. 8)
oder im Laufe des Verfahrens über das Vollstreckungsgericht anzuordnen. Dieses kann
Vorschusszahlung auch von Amts wegen, ohne Anregung des Zwangsverwalters,
anordnen (vgl. Stöber, ZVG, 18. Auflage, Rn. 18.1. zu § 152 ZVG). Eine
Vorschusserhebung stellt nach Auffassung des Gerichts auch keine unzulässige
Benachteiligung des Vollstreckungsgläubigers dar. Die Durchsetzung von
Gläubigeransprüchen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens insgesamt ist mit einer
Reihe von Risiken behaftet. Neben dem generellen Ausfallrisiko ist jede
Vollstreckungsmaßnahme auch immer mit einem Kostenrisiko verbunden. Zumindest
soweit es sich um Auslagen der Zwangsverwaltung im Sinne von § 155 Abs. 1 ZVG
handelt, kann auch nicht mit der bevorrechtigten Rangstelle öffentlicher Lasten gem. §§
156 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG argumentiert werden.
93
Der Zwangsverwalter hat daher auf eine Vorschusszahlung durch den Gläubiger und
eine gerichtliche Anordnung im Sinne von § 161 Abs. 3 ZVG hinzuwirken. Der
Vollstreckungsgläubiger ist nicht gezwungen, Zahlungen zu leisten. Vielmehr dürfte der
94
Vollstreckungsgläubiger nach Kenntnis der Informationen aus dem
Inbesitznahmebericht und dem Antrag des Zwangsverwalters auf gerichtliche
Einforderung des Gläubigervorschusses in der Lage sein, das weitere Kostenrisiko
abzuschätzen. Rechnet er danach nicht mit Einnahmen aus dem
Zwangsverwaltungsverfahren, so kann der Vollstreckungsgläubiger durch Nichtzahlung
zur Aufhebung des Verfahren gem. § 161 Abs. 3 ZVG beitragen.
Festzuhalten ist also, dass – soweit es sich hier um Ausgaben der Verwaltung im Sinne
von § 155 Abs. 1 ZVG handelt – eine Vorschussanforderung gem. § 161 Abs. 3 ZVG
möglich und notwendig ist (vgl. auch Stöber, ZVG, 18. Auflage, Rn. 4.3 a) und 4.4 zu §
155 ZVG).
95
Nach bisheriger Auffassung scheidet dagegen eine Vorschusserhebung zur Deckung
öffentlicher Lasten aus (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 4.
Auflage, Rn. 4 zu § 9 ZwVwV, Seite 263). Dies ist für den vorliegenden Fall von
besonderer Bedeutung, da die Benutzungsgebühren – ohne das die hierfür erbrachte
Leistung nach Art oder Umfang verändert wird – ab dem 17.10.2007 öffentliche Lasten
im Sinne von §§ 156 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG darstellen. Ob dieser Grundsatz ohne
Differenzierung der öffentlichen Lasten auf Dauer aufrecht erhalten werden kann, ist
fraglich. Bisher stellten z.B. Grundsteuern öffentliche Lasten dar. Die nunmehr ebenfalls
als öffentliche Last umqualifierten Gebühren für Straßenreinigung, Abfall- und
Abwasserbeseitigung hingegen stehen nach Auffassung des Gerichts – anders als
beispielsweise die Grundsteuer – in einem unmittelbaren Verhältnis zur Nutzung der
zwangsverwalteten Objektes. Diese Unterscheidung aber dürfte grade auch zur
differenzierten Sachbehandlung bei der Frage der Gläubigervorschusserhebung führen.
Letztlich mag insoweit aber an dem bisherigen Grundsatz festgehalten werden
Die Änderung des Kommunalabgabengesetzes ist erst im Oktober 2007 eingeführt
worden. Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis sowie die Literatur und Rechtssprechung
auf die Umqualifizierung der Benutzungsgebühren im Hinblick auf die Einforderung von
Gläubigervorschüssen und die Befriedigung öffentlicher Lasten im Hinblick auf §§ 156
Abs. 1, 155 Abs. 2 ZVG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG reagieren wird.
96
III. Zusammenfassung
97
Die von der Stadt N2 geltend gemachten Straßenreinigungsgebühren, Abfall- und
Abwassergebühren stellen Ausgaben der Zwangsverwaltung im Sinne von § 155 Abs. 1
ZVG dar, soweit sie sich auf den Zeitraum ab Beschlagnahme bis zum 16.10.2007
einschließlich beziehen. Soweit sie ab dem 17.10.2007 entstehen, handelt es sich bei
vorgenannten Ansprüchen nach Änderung des Kommunalabgabengesetzes um
öffentliche Lasten im Sinne von § 156 Abs. 1 ZVG.
98
Unterscheidungskriterium bei der Zuordnung der Benutzungsgebühren zu den
Ausgaben der Verwaltung bzw. öffentlichen Lasten ist der Zeitpunkt der Entstehung
nicht der Zeitpunkt der Einziehung bzw. Erhebung.
99
Der Zwangsverwalter ist gem. § 152 Abs. 1 ZVG verpflichtet, der Zahlungspflicht
nachzukommen; sind nicht die notwendigen Mittel vorhanden, um diese zu zahlen, hat
der Zwangsverwalter ggf. um Anordnung der Erhebung eines Gläubigervorschusses
gem. § 161 Abs. 3 ZVG zu ersuchen. Die Vorschusserhebung ist jedoch insoweit zu
beschränken, als die Benutzungsgebühren Ausgaben der Verwaltung im Sinne von §
155 Abs. 1 ZVG darstellen. Soweit es sich um öffentliche Lasten handelt, ist von einer
100
Vorschusserhebung abzusehen.
Die Anweisung des Zwangsverwalters, einen Vorschuss gem. § 161 Abs. 3 ZVG zu
erheben, stellt keinen unzulässigen Eingriff in die Handlungsfreiheit des
Zwangsverwalters dar. Das Gericht hat im Rahmen der Aufsichtspflicht den
vorgetragenen Meinungsstreit aufzunehmen. Die Anordnung der Erhebung eines
Gläubigervorschusses kann durch das Gericht auch von Amts wegen ausgesprochen
werden. Eine Antragstellung in formeller Sicht ist nicht erforderlich.
101
####2 N2, 05.11.2007 Amtsgericht
102
Rechtspfleger
103