Urteil des AG Münster vom 02.12.2008

AG Münster: treu und glauben, abkommen, vergütung, abrechnung, auszug, gebühr, fahrgast, erstellung, bus, vollstreckbarkeit

Amtsgericht Münster, 6 C 4386/07
Datum:
02.12.2008
Gericht:
Amtsgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 C 4386/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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(ohne Tatbestand gem. § 313 a ZPO)
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Kläger hat aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag
keinen Anspruch auf weiteres Honorar gem. den §§ 675, 611 BGB.
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Die Parteien haben für die Anfertigung des Auszugs aus der amtlichen Ermittlungsakte
eine Abrechnung nach den Sätzen des zum 30.6.2004 ausgelaufenen
Gebührenabkommens zwischen dem Deutschen Anwaltsverband und dem HUK-
Verband vereinbart, indem der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11.7.2007 die
Fertigung des Auszugs gegen Erstattung der üblichen Gebühr auftrug und der Kläger
den Auszug danach fertigte und der Beklagten übersandte. Der Beklagte hat mit dem
Schreiben vom 11.7.2007 eine Abrechnung nach den Sätzen des genannten
Abkommens angeboten. Das Schreiben des Beklagten war gem. den §§ 133, 157 BGB
danach auszulegen, wie sie der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung
der Verkehrssitte verstehen musste. Der Kläger musste nach diesen Grundsätzen das
Schreiben des Beklagten dahin verstehen, dass ihm eine Auslagenerstattung unter
Zugrundelegung der Sätze der DAV-Abkommens angetragen wurde. Nach den
eingeholten Gutachten der Rechtsanwaltskammern des OLG Hamm und des OLG Celle
wird das Abkommen auch nach seinem Auslaufen für neue Beauftragungen nach dem
1.7.2004 allgemein weiter angewandt. Nach beiden Gutachten ist üblich, die Fertigung
von Auszügen aus Ermittlungsakten nach Pauschalsätzen entsprechend diesem
Abkommen abzurechnen. Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass sowohl das
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Abkommen, dessen Sätze wie auch die Praxis, das Abkommen nach seinem Auslaufen
weiter anzuwenden, dem Kläger als Anwalt bekannt waren. Nach den Gutachten der
Rechtsanwaltskammern wird der Begriff "üblichen Vergütung" im Zusammenhang mit
der Einholung von Aktenauszügen gerade in dem Sinne gebraucht, dass damit auf das
DAV-Abkommen Bezug genommen wird. Nach alledem konnte und durfte der Kläger
bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont das Schreiben des Beklagten
nur dahin verstehen, dass ihm eine Vergütungsvereinbarung nach den Sätzen des
Abkommens angetragen wurde. Einer besonderen Hervorhebung der
Auslagenerstattungsvereinbarung bedurfte es entgegen der Ansicht des Klägers schon
deshalb nicht, weil – anders als in dem vor dem Kläger zitierten Fall des BGH - die
Höhe des Erstattungssatzes hier nicht von Seiten des Klägers vorgeschlagen wurde.
Darauf, ob der Beklagte dem DAV-Abkommen beigetreten war, kommt es nicht an.
Maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang dieses Abkommen im Verhältnis zwischen
Versicherern und Anwälten angewendet wurde und wird. Das war und ist nach den
eingeholten Gutachten unabhängig vom Beitritt zu dem Abkommen weitestgehend der
Fall.
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Der Kläger hat das Angebot des Beklagten auch angenommen. Der Kläger hat den
Auszug erstellt und dem Beklagten übersandt und damit konkludent ausgedrückt, dass
er mit dem angetragenen Vertragsschluss einverstanden war.
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Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger der Übersendung des Aktenauszuges
seine Kostenrechnung beigefügt hat, die auf einen höheren Betrag lautete. Der Beklagte
hatte dem Kläger den Vertrag zu einer bestimmten Vergütung angeboten, der Kläger
hatte in Ausführung dieses Angebots bereits Tätigkeiten entfaltet und Kosten an Dritte
entrichtet. Das der Kläger unter diesen Umständen die Verwertung die von ihm
ausgeübten Dienstleistung davon abhängig machen wollte, dass der Beklagte der
höheren Kostenrechnung zustimmte, war für den Beklagten der gemeinsamen
Übersendung nicht zu entnehmen. Der Beklagte konnte vielmehr davon ausgehen, dass
der Kläger bei Erstellung der Kostenrechnung die angebotene Vergütungsregelung
übersehen hatte. Hätte der Kläger dem Beklagten die Nutzung des erstellten
Aktenauszuges nur für den Fall, dass dieser Abrechnung nach RVG zustimmte,
ermöglichen, so hätte er dieses ausdrücklich erklären können und müssen. Soweit er
einerseits den Aktenauszug erstellte und übersandte, andererseits eine abweichende
Kostenrechnung stellte, verhielt er sich nicht anders als ein Fahrgast, der den Bus betritt
und erklärt, mit dem verlangten Fahrpreis nicht einverstanden zu sein.
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Selbst wenn in der Übersendung mit beigefügter Kostennote eine Ablehnung der
angebotenen Vergütungsvereinbarung läge, so hat der Kläger jedenfalls die
Geschäftsbesorgung als solche angenommen. Gem. §§ 675, 611, 612, 670 BGB wären
danach nur die entstandenen Auslagen zu ersetzen und die übliche Vergütung zu
zahlen. Diese entspricht nach den Gutachten den Sätzen des Abkommens. Das RVG ist
nicht anwendbar. Das RVG regelt anwaltliche Tätigkeiten der Vertretung (vgl. Palandt-
Weidenkaff, § 611 Rn. 11) Der Kläger sollte und wollte nicht etwa den Beklagten
vertreten – der Kläger, der die Geschädigte gegenüber dem Beklagten vertrat, durfte
dies gem. § 43 BRAO nicht einmal. Der Beklagte wollte keine anwaltliche Tätigkeit des
Klägers für sich, sondern bat zur Überprüfung des durch den Kläger gegenüber dem
Beklagten erhobenen Anspruchs um Anforderung und Übersendung des Auszugs
gegen Erstattung der üblichen Gebühr.
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Unstreitig hat der Beklagte die nach dem Abkommen geschuldeten Sätze gezahlt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung, da die Entscheidung auf den hier in einem Einzelfall vorliegenden
Begebenheiten, insbesondere der konkreten Formulierung in dem Schreiben des
Beklagten vom 11.7.2007 und dem darauffolgenden Verhalten des Klägers beruht. Eine
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder die Notwendigkeit einer Entscheidung
des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung vermag das Gericht nicht zu erkennen.
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