Urteil des AG Montabaur vom 15.01.2008

AG Montabaur: ex nunc, dienstleistung, verbraucher, widerrufsrecht, unternehmer, kündigung, rückabwicklung, auflage, ausführung, willenserklärung

AG
Montabaur
15.01.2008
15 C 195/07
Geschäftsnummer:
15 C 195/07
zugestellt am:
(…), Justizbeschäftigte
(…), Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
(…)
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: (…)
gegen
(…)
- Beklagter -
hat das Amtsgericht Montabaur
durch den Richter (…)
im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO am 15.1.2008
für R e c h t erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien keinerlei vertragliche Verpflichtungen aus einem Vertragsverhältnis
betreffend einen DSL-Netzanschluss bestehen (Kundennummer: ….).
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger hat bei der Beklagten, die Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich anbietet, im Januar 2007 einen
DSL-Netzanschluss beauftragt. Der Vertrag wurde ausschließlich unter Verwendung des Telefons abgeschlossen. Der
Kläger wurde gefragt, ob er eine schnellstmögliche Schaltung des DSL-Netzanschluss wolle. Dies bejahte dieser. Die
Beklagte übersandte dem Kläger ein sog. DSL-Paket einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten.
Der Kläger beabsichtigte, den Anschluss privat zu benutzen und handelte als Verbraucher. Innerhalb der Widerrufsfrist
nach §§ 312 d Abs. 2, 355 Abs. 1 S. 2 BGB widerrief der Kläger mit Schreiben vom 31.1.2007 seine Willenserklärung.
Hinsichtlich des näheren Inhalts des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Blatt 7 GA) Bezug genommen. Mit
Schreiben vom 7.2.2007 bestätigte die Beklagte den fristgemäßen Eingang der Kündigung beziehungsweise des
Widerrufs. Die Beklagte teilte jedoch mit, dass sie eine Kündigung erst zum 30.1.2009 berücksichtigt habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.2.2007 wurde die Beklagte aufgefordert, den DSL-Port bis zum 27.2.2007
freizugeben. Dem kam die Beklagte zunächst nicht nach.
Mit Schreiben des Rechtsanwalts (…) im Auftrage der Beklagten wurde der Kläger unter dem 17.4.2007 zur Zahlung
einer angeblich offenen Forderung in Höhe von 176,51 € aufgefordert; insoweit wird auf die Kopie des Schreibens (Blatt
52 GA) Bezug genommen. Dem Kläger wurde eine Zahlungsfrist bis zum 24.4.2007 gesetzt.
Zum 25.4.2007 kündigte die Beklagte aufgrund offener Forderungen gegenüber dem Kläger das Vertragsverhältnis.
Der Kläger trägt vor,
aufgrund seines wirksamen Widerrufs sei ein Vertrag mit der Beklagten nicht zustande gekommen. Die Vorschrift des §
312d Abs. 3 BGB sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift nur bei unteilbaren Dienstleistungen
gelte. Bei teilbaren Dienstleistungen bleibe dahingegen ein Widerrufsrecht für die Zukunft erhalten. Des Weiteren habe
die Beklagte den Port erst zum 11.8.2007 freigegeben.
Zunächst hat der Kläger beantragt, zum einen festzustellen, dass eine Verpflichtung des Klägers gegenüber der
Beklagten nicht besteht sowie zum anderen die Beklagte zu verurteilen, den Netzanschluss des Klägers freizuschalten.
Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.6.2007 mitgeteilt hat, dass der Port bereits freigegeben sei, hat der Kläger
mit Schriftsatz vom 7.9.2007 den Antrag hinsichtlich der Freigabe des DSL-Ports für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich
der Teilerledigterklärung mit Schriftsatz vom 1.10.2007 angeschlossen.
Nunmehr beantragt der Kläger,
festzustellen, dass keinerlei vertragliche Verpflichtungen gegenüber der Beklagten bestehen aus einem etwaig
abgeschlossenen Vertrag.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor,
dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu, da er die Beklagte mit der schnellstmöglichen DSL-Schaltung beauftragt habe.
Zum Zeitpunkt des Widerrufs sei das Widerrufsrecht des Klägers bereits erloschen gewesen. Der Port sei bereits zum
14.5.2007 freigegeben worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig, da der Kläger das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse
ausreichend dargelegt hat. Auch wenn die Beklagte mittlerweile selbst gegenüber dem Kläger eine Kündigung erklärt
hat, so besteht aufgrund der seitens der Beklagten geltend gemachten Forderungen aus dem vermeintlichen
Vertragsverhältnis ein Interesse des Klägers an der Feststellung, dass aus dem behaupteten Vertrag der Beklagten
keinerlei Ansprüche zustehen. Bisher hat die Beklagte gegenüber dem Kläger jedenfalls nicht ausdrücklich auf die
Geltendmachung etwaiger Forderungen verzichtet.
Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht „unsubstantiiert“. Nach Ansicht des Gerichts genügt er
dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerseite den
Antrag mit Schriftsatz vom 4.7.2008 (Bl. 29 GA) präzisiert hat.
II.
1. Der Antrag ist auch begründet, da nach Auffassung des Gerichts der Kläger fristgerecht den zunächst zustande
gekommenen Vertrag wirksam widerrufen hat.
Unstreitig liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312d Abs. 1 S. 1 BGB vor. Es liegt ein Vertrag über die Erbringung
einer Dienstleistung, nämlich die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses, vor. Unstreitig handelte es sich zudem um ein
Rechtsgeschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Auch kam der Vertrag unstreitig unter
Verwendung des Telefons zustande.
Der Kläger hat den Widerruf auch fristgerecht erklärt. Zwar lässt sich der Akte nicht entnehmen, wann genau der Kläger
seine Willenserklärung im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten abgegeben hat. Jedenfalls hat
die Beklagte den Vortrag der Klägerseite, dass das klägerische Schreiben vom 31.1.2007 der Beklagten rechtzeitig
zugegangen sei, nicht bestritten. Zweifel an einer hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Widerrufserklärung hat
das Gericht nicht. Zwar spricht der Beklagte von einer Kündigung des Vertrages. Andererseits findet sich auch ein
Hinweis des Kläger auf das „Widerrufsrecht 10.1 der AGB von (…)“ (vgl. Bl. 7 GA). Es genügt eine Äußerung des
Verbrauchers, aus der sich ergibt, dass er den Vertrag nicht mehr gelten lassen will. Dies ist hier der Fall.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Widerrufsrecht auch nicht erloschen gemäß § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB.
Nach dieser Vorschrift erlischt das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführung
der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen oder der
Verbraucher diese selbst veranlasst hat. So trägt der Kläger selbst vor, dass der er bei der Frage nach der
schnellstmöglichen Schaltung des DSL-Netzanschlusses einen entsprechenden Willen geäußert hat. Daraufhin hat die
Beklagte bereits die Aufschaltung des DSL-Anschlusses bei ihrem Technologiepartner, der (…), beantragt. Eine bloße
Vorbereitungshandlung für die Ausführung der Dienstleistung ist darin wohl nicht mehr zu sehen; vielmehr liegt der
Beginn der Ausführung wohl in der Freischaltung des Anschlusses (vgl. hierzu auch Schmidt-Räntsch, in:
Bamberger/Roth, BGB, § 312d Rn. 28).
In Rechtsprechung und Literatur ist es jedoch umstritten, ob bei der Anwendung der Vorschrift des § 312d Abs. 3 Nr. 2
BGB möglicherweise zwischen teilbaren und unteilbaren Dienstleistungen zu differenzieren ist.
Nach einer Auffassung soll es auf die Teilbarkeit der Dienstleistung gerade nicht ankommen (Grüneberg, in: Palandt,
BGB, 65. Auflage, § 312d Rn. 7a). Das Widerrufsrecht erlischt nach dieser Auffassung vollständig und nicht nur für die
Vergangenheit (Schmidt-Räntsch, a.a.O.).
Nach der Gegenansicht ist die Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Ausschluss des
Widerrufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen gilt. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen - wie z.B. bei
einem Miet-, Provider- oder Mobilfunkvertrag - sei es dem Unternehmer zuzumuten, den Vertrag bei Widerruf des
Verbrauchers ex nunc zu beenden. Lediglich im Hinblick auf die Vergangenheit bleibe es dabei, dass eine
Rückabwicklung nicht stattfindet (AG Elmshorn, NJW 2005, 2404 f.; Wendehorst, in: Münchener Kommentar, 5. Auflage, §
312d Rn. 56; Thüsing, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 312d Rn. 36).
Der letztgenannten Ansicht schließt sich das erkennende Gericht an. Der Sinn und Zweck des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB ist
es gerade, eine den Unternehmer belastende Rückabwicklung zu verhindern; Dienstleistungen können im Gegensatz zu
gelieferten Waren nicht ohne weiteres problemlos rückabgewickelt werden. Der Verbraucher soll zudem nicht einerseits
die Vorteile einer raschen Leistungserbringung seitens des Unternehmers haben und andererseits den Vertrag noch
widerrufen können.
Eine unzumutbare Belastung des Unternehmers vermag das Gericht bei teilbaren Dienstleistungen jedoch nicht zu
erkennen. Das Problem einer Rückabwicklung stellt sich im Hinblick auf bereits erbrachten Teilleistungen des
Unternehmers nicht. Vielmehr erscheint gerade der Verbraucher schutzwürdig, insbesondere wenn er sich für eine
längere Zeit – im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen zumeist für eine Mindestvertragslaufzeit zu Beginn
von 24 Monaten – bindet. Die bereits erbrachte Teilleistung kann der Unternehmer nach wie vor abrechnen; lediglich die
zukünftigen Dienstleistungen braucht der Verbraucher nicht in Anspruch zu nehmen. Oftmals kann der Verbraucher bei
Fernabsatzgeschäften auch erst nach der erstmaligen Erbringung der Dienstleistung deren wirkliche Brauchbarkeit für
ihn bzw. die Qualität der Dienstleistung beurteilen.
Der vom erkennenden Gericht vertretenen Auffassung steht auch nicht das Urteil des BGH vom 16.3.2006 (BGHZ 166,
369 ff.) entgegen. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt bezieht sich gerade auf eine unteilbare Dienstleistung
(Annahme eines R-Gesprächs). Zu der Frage einer differenzierenden Betrachtung hat sich der BGH insoweit nicht
geäußert.
2. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags bzgl. der Freigabe des Ports war über die Kosten gem. § 91a ZPO zu
entscheiden. Insoweit hat die Beklagte die Kosten zu tragen, da ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses der Kläger
obsiegt hätte. Mangels wirksamen Vertragsschlusses war die Beklagte zur Freigabe des Ports verpflichtet. Für die
Kostenentscheidung ist es unerheblich, ob die Freigabe nun im Mai oder erst im August 2007 erfolgte.
Hinsichtlich des Feststellungsantrages ergibt sich die Verpflichtung zur Kostentragung aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
§ 713 ZPO ist aufgrund der Zulassung der Berufung nicht anwendbar.
Die Berufung war gem. § 511 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die hier entschiedene Rechtsfrage über die
Rechtssache hinaus Bedeutung hat (vgl. Gummer/Heßler, in: Zöller, 25. Auflage, § 511 Rn. 37 f.).
Der Streitwert wird festgesetzt auf: bis 600 €.
gez. (…) , Richter