Urteil des AG Mönchengladbach vom 07.01.2005

AG Mönchengladbach: treuhänder, beendigung, verbraucher, drittschuldner, vergütung, umstrukturierung, erleichterung, rechnungslegung, legitimation, drucksache

Amtsgericht Mönchengladbach, 32 IK 104/02
Datum:
07.01.2005
Gericht:
Amtsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
32 IK 104/02
Tenor:
Die als befristete Erinnerung gemäß § 11 Absatz 2 RPflG zu wertende
sofortige Beschwerde des Treuhänders vom 29.12.2004 gegen den
Beschluss des Rechtspflegers vom 07.12.2004 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Der Treuhänder übt sein Amt seit der Eröffnung des Verbraucher-Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Schuldnerin aus, mithin seit dem 02.08.2002. Mit Beschluss
vom 18.12.2003 wurde der Schuldnerin die Erteilung der Restschuldbefreiung
angekündigt und gemäß § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO bekräftigt, dass der Treuhänder kraft
Gesetzes die Aufgaben des Treuhänders nach § 291 Abs. 2, § 292 InsO wahrnehme.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin dauert noch an.
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Unter dem 30.11.2004 erstattete der Treuhänder einen "Zwischenbericht während der
Laufzeit der Abtretungserklärung"; zugleich beantragte er die Festsetzung eines
Gesamtbetrages von EUR 116,- als Vorschuss auf seine Vergütung als Treuhänder im
Restschuldbefreiungsverfahren. Den Vorschussantrag hat der Rechtspfleger mit
Beschluss vom 07.12.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich das als sofortige
Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Treuhänders vom 29.12.2004.
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Die als befristete Erinnerung gemäß § 11 Absatz 2 RPflG zu wertende sofortige
Beschwerde des Treuhänders vom 29.12.2004 gegen den Beschluss des
Rechtspflegers vom 07.12.2004 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt, in der Sache aber unbegründet. Mit Recht hat der Rechtspfleger den
Vorschussantrag des Treuhänders zurückgewiesen. Denn eine Vergütung als
Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren ist noch nicht fällig geworden, weil das
Restschuldbefreiungsverfahren noch nicht begonnen hat; vielmehr dauert das
Hauptverfahren noch an und erst mit seiner Beendigung (etwa durch Aufhebung) wird
das Restschuldbefreiungsverfahren beginnen. Erst dann lebt die Funktion des
Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren auf, wie sie sich aus § 292 InsO ergibt.
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Dem Vorschussantrag des Treuhänders liegt die irrige Auffassung zugrunde, er amtiere
seit dem 18.12.2003 sowohl als Treuhänder im Hauptverfahren als auch als Treuhänder
im Restschuldbefreiungsverfahren. Ebenfalls irrigerweise glaubt er, durch den
Beschluss vom 18.12.2003 als Treuhänder für das Restschuldbefreiungsverfahren
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"bestellt" worden zu sein.
Er weist allerdings zutreffend darauf hin, dass das Gesetz es erlaube, unterschiedliche
Personen als Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder für das Hauptverfahren und als
Treuhänder für das Restschuldbefreiungsverfahren zu bestellen. Im vorliegenden
Verbraucher-Insolvenzverfahren wurde freilich - dem Regelfall entsprechend - gemäß §
313 Absatz 1 Satz 2 InsO vorgegangen: Im Eröffnungsbeschluss vom 02.08.2002 wurde
der Treuhänder bestellt; im Beschluss vom 18.12.2003 heißt es auszugsweise: " Der
bisherige Treuhänder ............. nimmt kraft Gesetzes die Aufgaben des Treuhänders nach
§ 291 Abs. 2, § 292 InsO wahr". Eine Neu-Bestellung erfolgte also nicht, sondern nur
eine Bekräftigung der Gesetzeslage, wonach im Verbraucher-Insolvenzverfahren
grundsätzlich einunddieselbe Person als Treuhänder sowohl im Hauptverfahren als
auch im Restschuldbefreiungsverfahren tätig ist.
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Entscheidend ist vorliegend allerdings die Frage nach der zeitlichen Abgrenzung des
Hauptverfahrens und des Restschuldbefreiungsverfahren (auch "Wohlverhaltenszeit"
oder "Laufzeit der Abtretungserklärung" genannt). Hierzu trifft die Insolvenzordnung
keine ausdrückliche Bestimmung.
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In ihrer Ursprungsfassung, gültig vom 01.01.1999 bis 30.11.2001, enthielt sie jedoch in §
287 Absatz 2 Satz 1 eine Bestimmung zu der - dem Antrag des Schuldners auf Erteilung
der Restschuldbefreiung beizufügenden - Abtretungserklärung zugunsten des künftigen
Treuhänders. Diese lautete auszugsweise: "Dem Antrag ist die Erklärung beizufügen,
daß der Schuldner seine pfändbaren Bezüge ..... für die Zeit von sieben Jahren nach der
Aufhebung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden
Treuhänder abtritt". Dieser Formulierung konnte eindeutig der gesetzgeberische Wille
entnommen werden, das Hauptverfahren vom Restschuldbefreiungsverfahren zeitlich zu
trennen, indem zuerst das Hauptverfahren und unmittelbar anschließend das
Restschuldbefreiungsverfahren zu durchlaufen sein sollte. Hierauf abgestimmt waren
auch die Bestimmungen der Insolvenzordnung zu den auf ein Fehlverhalten des
Schuldners gestützten Gründen für eine Versagung der Restschuldbefreiung; im
Hauptverfahren sollte § 290 InsO anwendbar sein, im Restschuldbefreiungsverfahren
galten §§ 295, 296 InsO.
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Mit der zum 01.12.2001 in Kraft getretenen Änderung der Insolvenzordnung erhielt die
genannte Gesetzesbestimmung allerdings ihren heutigen Wortlaut. Nun heißt es
auszugsweise: "Dem Antrag ist die Erklärung beizufügen, daß der Schuldner seine
pfändbaren Bezüge ..... für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt".
Hieraus könnte zu schließen sein, das Hauptverfahren und das
Restschuldbefreiungsverfahren sollten zeitgleich beginnen, sich also für die Dauer des
Hauptverfahrens überlappen. Wollte man dies annehmen, so hätte der Treuhänder im
Verbraucherinsolvenzverfahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowohl die
Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrzunehmen (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO) als auch
seine in § 292 InsO statuierte Rechtsstellung einzunehmen. Pfändbare Bezüge des
Schuldners würde er sowohl qua Insolvenzbeschlag (§§ 35, 36 Abs. 1 InsO) als auch
qua Abtretungserklärung des Schuldners (§ 287 Abs. 2 InsO) an sich ziehen. Der
Schuldner würde gleichzeitig sowohl den Versagungsgründen des § 290 InsO als auch
denjenigen gemäß §§ 295, 296 InsO unterliegen.
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Letzteres ist in der Literatur wie auch in der Rechtsprechung bereits auf Widerspruch
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gestoßen. Sowohl das Landgericht Göttingen (ZVI 2004, 544) als auch das Amtsgericht
Köln (ZVI 2004, 261; NZI 2004, 331) haben befunden, die Versagung der
Restschuldbefreiung wegen einer Obliegenheitsverletzung komme erst nach
Ankündigung der Restschuldbefreiung in Betracht. Zu diesem Ergebnis kommt das
Amtsgericht Köln, indem es annimmt, die Neufassung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO
diene lediglich der Laufzeitberechnung; ungeachtet des Wortlautes des § 287 Abs. 2
Satz 1 InsO seien die §§ 294 bis 297 InsO weiterhin erst nach Ankündigung der
Restschuldbefreiung abwendbar. Dem könnte die Annahme zugrunde liegen, die
Laufzeit der Abtretungserklärung beginne mit der Ankündigung der
Restschuldbefreiung. Hiervon abweichend stützte der Treuhänder im vorliegenden
Verfahren seinen Vorschussantrag vom 30.11.2004 ausdrücklich darauf, die Laufzeit der
Abtretungserklärung habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02.08.2002
begonnen.
Das Gericht ist demgegenüber der Auffassung, die Laufzeit der Abtretungserklärung, m.
a. W. das Restschuldbefreiungsverfahren, habe vorliegend noch nicht begonnen. Denn
das Hauptverfahren dauert an und erst wenn es beendet ist, beginnt das
Restschuldbefreiungsverfahren. In demselben Sinne äußert sich auch Wenzel in
Kübler/Prütting, InsO § 287 Rdn. 7a. Dies entspricht der Verfahrenskonstruktion der
Insolvenzordnung, wie sie in § 287 Absatz 2 Satz 1 InsO a. F. zum Ausdruck kam. Die
Neufassung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO wollte hieran nichts ändern. Dem
Gesetzgeber ging es seinerzeit ausschließlich darum, die Dauer des
Restschuldbefreiungsverfahrens auf einen Zeitraum, endend sechs Jahre nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens, zu begrenzen, unabhängig von der Dauer des
Hauptverfahrens. Dies lässt sich der Beschlussempfehlung und dem Bericht des
Rechtsausschusses (6. Ausschusses) des Deutschen Bundestages vom 27.06.2001
(BT-Drucksache 14 / 6468) entnehmen. Die dortigen Ausführungen zur empfohlenen
(und vom Bundestag dann auch beschlossenen) Neufassung des § 287 Absatz 2 InsO
befassen sich ausschließlich mit dem Ziel einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode
zum Zwecke der Erleichterung für die Schuldner. Eine Umstrukturierung des
Verfahrensganges mit seiner klaren Abfolge der einzelnen Verfahrensabschnitte hatte
der Gesetzgeber nicht im Sinn. So mag die jetzige Formulierung des § 287 Abs. 2 Satz
1 InsO redaktionell unglücklich sein; anstatt der Textpassage "für die Zeit von sechs
Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens" ist zu lesen "für die Zeit von der
Beendigung des Hauptverfahrens bis sechs Jahre nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens".
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Bei dieser Sichtweise bleiben die Verfahrensabschnitte Hauptverfahren und
Restschuldbefreiungsverfahren klar voneinander getrennt. Die jeweils gegebenen
Versagungsgründe bleiben eindeutig zugeordnet. Auch die Befugnisse des
Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders im Hauptverfahren bleiben von denjenigen des
Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren klar abgegrenzt. Dasselbe gilt für die
entsprechenden Vergütungstatbestände.
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Freilich ist es erforderlich, den die pfändbaren Bezüge des Schuldners zahlenden
Drittschuldner rechtzeitig vor dem Übergang vom Hauptverfahren zum
Restschuldbefreiungsverfahren zu unterrichten, falls es entgegen der gängigen Praxis
zur Bestellung eines Treuhänders kommt, der nicht zuvor bereits als solcher bzw. als
Insolvenzverwalter eingesetzt war. Hierin stimmt das Gericht dem Treuhänder im
vorliegenden Verfahren zu. Auch wenn der Treuhänder noch nicht als solcher im
Restschuldbefreiungsverfahren fungiert, weil es noch nicht begonnen hat, ist er zu der
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Mitteilung an den Drittschuldner legitimiert; seine Legitimation ergibt sich aus dem
Beschluss, mit dem die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt und die Person
des Treuhänders verlautbart worden ist.
Eine von den Gläubigern beschlossene Verpflichtung des Treuhänders zur
Überwachung des Schuldners hinsichtlich der Erfüllung der Obliegenheiten (§ 292 Abs.
2 InsO ) setzt hingegen erst mit der Beendigung des Hauptverfahrens ein; zuvor ist die
Bestimmung des § 295 InsO nicht anwendbar. Auch die Verpflichtung zur
Rechnungslegung gemäß § 292 Abs. 3 Satz 1 InsO bezieht sich ausschließlich auf den
Zeitraum nach der Beendigung des Hauptverfahrens.
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Nach alledem unterliegt die befristete Erinnerung des Treuhänders der Zurückweisung.
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