Urteil des AG Mönchengladbach vom 31.03.2009

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Amtsgericht Mönchengladbach, 3 C 531/08
Datum:
31.03.2009
Gericht:
Amtsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 531/08
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 777,78 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem
12.06.2008 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von durch außergerichtliche
Tätig-keit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch
Zahlung von 101,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basis-zinssatz nach § 247 BGB seit dem 11.11.2008 an
Rechtsanwalt
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Am 11.12.2007 kam es in Mönchengladbach zu einem Verkehrsunfall, für dessen
Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs mit dem amtlichen
Kennzeichen MG- vollumfänglich haftet. Das durch den Unfall beschädigte Fahrzeug
der Frau ist ein Opel Omega, amtliches Kennzeichen MG-, welches der Fahrzeuggruppe
5 zuzuordnen ist.
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Frau mietete am 11.12.2007 ein Fahrzeug, welches der Fahrzeuggruppe 4 zuzuordnen
ist, von der Klägerin an. Die Mietzeit dauerte bis zum 22.12.2007, das entsprach der
unfallbedingten Ausfallzeit des beschädigten Fahrzeugs.
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Die Klägerin stellte die Miete mit einem Gesamtbetrag von 1.399,09 EUR in Rechnung.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 31.12.2007 verwiesen. Frau
hatte die Ansprüche wegen der Fahrzeuganmietung an die Klägerin abgetreten. Die
Beklagte zahlte hierauf zunächst 550,00 EUR. Weitere 50,39 EUR zahlte die Beklagte
am 20.11.2008. Die Klage in vorliegendem Verfahren war der Beklagten am 11.11.2008
zugstellt worden. Mit Schreiben vom 03.06.2008 wurde die Beklagte unter Fristsetzung
zum 11.06.2008 zur Zahlung des weiterhin begehrten Betrages aufgefordert.
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Die Parteien haben übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrages von
50,39 EUR in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 798,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 12.06.2008 zu
zahlen,
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die Beklagte zu verurteilen, sie von durch außergerichtliche Tätigkeit
entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 101,40
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach
§ 247 BGB ab Rechtshängigkeit an Rechtsanwalt
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie die mit der Klage geltend gemachten weiteren
Mietwagenkosten nicht zu erstatten brauche. Die Kosten seien nicht erforderlich. Dem
Geschädigten und damit der Klägerin falle eine Verletzung der
Schadensminderungspflicht zur Last. Die von der Klägerin dem Geschädigten in
Rechnung gestellten Mietwagenkosten lägen weit über dem so genannten Normaltarif
für vergleichbare Mietwagen Deshalb habe der Geschädigte darzulegen und zu
beweisen, dass es ausnahmsweise erforderlich gewesen sei, einen Ersatzwagen zu
dem erhöhten Tarif anzumieten oder dass ihm ein günstigerer Tarif nicht ohne weiteres
zugänglich gewesen sei.
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Die Beklagte meint, dass gegen die Angemessenheit der Schwacke – Liste 2007
erhebliche Bedenken bestünden. Die Preisangaben könnten nicht als Grundlage für
eine Schätzung des Normaltarifes dienen, weil die tatsächlichen Mietpreise deutlich
unter den Angaben in der Schwacke – Liste lägen, so dass diese die Preise nicht
zutreffend wiedergäben. Dies folge aus einer Beachtung verschiedenen Gutachten und
Studien, so z. B. der Studie "Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer
2007" von Dr. Holger Zinn oder des Marktpreisspiegels des Fraunhofer Instituts.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 777,78
EUR als restliche Mietwagenkosten aufgrund des streitgegenständlichen
Verkehrsunfalls vom 11.12.2007 in Mönchengladbach. Die uneingeschränkte
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Einstandspflicht der Beklagten für die aus dem Unfall resultierenden Ansprüche ist nicht
im Streit.
Die Klägerin ist aufgrund der Sicherungsabtretung aktivlegitimiert. Die Abtretung ist
nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.
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Der weitere Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht setzt sich ausgehend von
Fahrzeuggruppe 4, PLZ – Gebiet 410 der Schwacke – Liste (Automietpreisspiegel) 2007
wie folgt zusammen:
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1 x Wochenpreis 495,00 EUR,
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1 x 3 – Tagespreis 270,00 EUR,
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1 x 3 – Tagespreis 88,00 EUR,
20
1 x 3 – Tagespreis 88,00 EUR,
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ergibt 941,00 EUR,
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zuzüglich pauschaler Aufschlag (15 %) 141,15 EUR,
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ergibt 1.082,15 EUR,
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zuzüglich Haftungsreduzierungskosten (Kasko) 216,02 EUR,
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zuzüglich Winterreifenkosten 80,00 EUR,
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abzüglich geleisteter 550,00 EUR,
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abzüglich geleisteter 50,39 EUR,
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ergibt 777,78 EUR.
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Da das beschädigte Fahrzeug der angemieteten Fahrzeuggruppe 5 angehörte und das
gemietete der Fahrzeuggruppe 4, ist ein Abzug für ersparte Eigenkosten mangels
näheren Vortrags nicht gerechtfertigt.
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Ausgangspunkt für die Bemessung der Mietwagenkosten als Teil des nach § 249 Abs. 2
S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwandes ist der am Markt übliche Normaltarif. Zu
dessen Bestimmung ist es in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO
zulässig, auf das gewichtete Mittel des Schwacke – Automietpreis – Spiegels im
Postleitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen (BGH, Urt. v. 12.06.2007, VI ZR
161/06 m. w. N.).
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Das Gericht greift im Rahmen der Schätzung auf den Schwacke – Automietpreis –
Spiegel 2007 zurück. Die Bedenken der Beklagten gegen den Schwacke –
Automietpreis – Spiegel 2007 greifen nicht durch. Es ist nicht durch den Vortrag
ausreichender Umstände dargetan, dass dieser Mietpreisspiegel keine
Schätzungsgrundlage mehr darstellen kann. Die bekannten gutachterlichen
Stellungnahmen und weiteren Mietpreisspiegel rechtfertigen im Ergebnis nicht die
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begründete Annahme, dass die Preise der Schwacke – Liste sich nicht an den
tatsächlichen Marktentwicklungen orientieren. Dies gilt umso mehr, als die für
Einzelfälle erstatteten Gutachten nicht auf den hier maßgeblichen regionalen Markt und
die hier maßgebliche Zeit übertragen werden können, auch nicht in dem Sinne, dass
Zweifel an der Geeignetheit der Schwacke – Liste als Grundlage einer Schätzung
gemäß § 287 ZPO im Ergebnis gerechtfertigt wären. Die Gutachten betreffen andere
Regionen, ohne dass eine Übertragbarkeit erkennbar wäre. Die Studie "Der Stand der
Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007" von Dr. Holger Zinn und der
Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts betreffen andere, spätere Zeiträume, in denen
Preise ermittelt worden sind. Aus späteren Zeiträumen lässt sich jedoch kein
Preisniveau für eine frühere Zeit herleiten. Aus diesem Grund können auch keine Preise
herangezogen werden, die erst durch Preiserhebungen in vorliegendem Verfahren
ermittelt worden wären. Als Schätzungsgrundlage gemäß § 287 ZPO für das
Preisniveau in dem hier maßgeblichen Zeit Anfang März 2008 wären derartige
Erhebungen von Preisen nicht geeignet. Daher ist jedenfalls für die hier maßgebliche
Zeit im März 2008 als Schätzungsgrundlage für die Bestimmung des Normaltarifs der
Schwacke – Automietpreis – Spiegel 2007 heranzuziehen. Die Kritik an der Schwacke –
Liste wird hierbei nicht übersehen. Jedoch bietet trotz ihrer methodischen Mängel die
Schwacke – Liste für die hier maßgebliche Zeit im Gegensatz zu anderen Studien,
Preisspiegeln oder in der Gegenwart einzuholenden Preisen eine ausreichende
Grundlage zur Schätzung. Dabei beinhaltet der Begriff der Schadensschätzung, dass
eine absolute Genauigkeit nicht erwartet werden kann und tatsächliche Unsicherheiten
bestehen bleiben.
Es werden hiernach mithin die einschlägigen Beträge des Schwacke – Automietpreis –
Spiegels 2007 im maßgeblichen Postleitzahlengebiet herangezogen. Hierbei sind
aufgrund der vorliegenden mehrtägigen Vermietung die sich aufgrund der Dreitages-
und Wochenpauschalen ergebenden Preisreduzierungen zu berücksichtigen. Die sich
hiernach ergebenden Beträge sind bei der Schätzung zugrunde gelegt worden. Die sich
hiernach ergebenden konkreten Beträge werden von der Beklagten nicht angegriffen.
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Auf diesen Normaltarif ist zur Erfassung der erhöhten Kosten, die bei der Vermietung
aufgrund einer Unfallsituation entstehen, hier namentlich wegen der unfallbedingt nicht
feststehenden Mietdauer und einer unfallbedingt mittleren Zahlungsverzögerung, ein
pauschaler Aufschlag zu machen. Bei der Anmietung nach einem Unfall steht im
Gegensatz zu den normalen Anmietungen die Mietdauer noch nicht fest. Dies war auch
vorliegend der Fall, so dass die Klägerin nicht wie sonst den Einsatz ihres Fahrzeugs
planen konnte. Aufgrund der Zahlung der Miete nach einer zeitlich noch nicht
feststehenden Rückgabe des Fahrzeugs entsteht für den Vermieter ein wirtschaftlicher
Nachteil im Vergleich zur normalen Anmietung, bei der die Miete für einen
feststehenden Zeitraum in der Regel sofort gezahlt wird. Hiernach liegen
Besonderheiten gegenüber einer Anmietung vor, die nicht unfallbedingt erfolgt. Diese
wirken sich betriebswirtschaftlich aus, so dass eine Erhöhung der zu schätzenden Miete
gerechtfertigt ist. Diese kann in Form eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif
erfolgen, dessen Höhe gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann (BGH, Urt. v.
13.06.2006, VI ZR 161/05). Die Erhöhung ist vorliegend mit 15 % als angemessen
anzusehen. Eine weitere Erhöhung ist nicht gerechtfertigt. Auch das Landgericht
Mönchengladbach geht in seinem Urteil vom 10.01.2006 (5 S 127/04) von einem
Aufschlag von 15 % aus.
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Die weiterhin geltend gemachten Nebenkosten für die Haftungsreduzierung
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(Kaskoversicherung) und die Winterreifen sind ersatzfähig. Die Anmietung eines
Ersatzfahrzeugs mit Kaskoschutz ist in der Regel eine adäquate Schadensfolge (BGH
NJW 2005, 1041). Ob im Einzelfall Abzüge unter dem Gesichtspunkt eines
Vorteilsausgleichs in Betracht kommen, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung
gemäß § 287 ZPO. Vorliegend sind mangels hierzu relevanter Umstände keine Abzüge
gerechtfertigt. Die Berücksichtigung von Kosten für Winterreifen entspricht der
Nebenkostentabelle zur Schwacke – Liste.
Hiernach steht der Klägerin unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung ein
Anspruch auf 777,78 EUR zu. Der darüber hinausgehend geltend gemachte Anspruch
der Klägerin scheitert daran, dass ein derartiger Preis nicht im Sinne des § 249 BGB
erforderlich war. Da die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen hat, dass sich die
Geschädigte nach günstigeren Mietpreisen, die dem Normaltarif entsprochen hätten,
erkundigte, ist ein Mietpreis, der den Normaltarif (zuzüglich unfallbedingten
Aufschlages) übersteigt, nicht als erforderlich anzusehen. Die Geschädigte hat insoweit
gegen ihre Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstoßen.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen gegen die Beklagte im
zuerkannten Umfang gemäß den §§ 280, 286, 288 BGB. Die Beklagte wurde mit
Schreiben vom 03.06.2008 unter Fristsetzung zum 11.06.2008 zur Zahlung der
Hauptforderung aufgefordert, so dass sie sich seit dem 12.06.2008 in Verzug befindet.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß den 280, 286 BGB.
Der Anspruch bestimmt sich nach dem VV RVG aufgrund eines Gegenstandswertes von
777,78 EUR aufgrund einer Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale auf
insgesamt 101,40 EUR. Des weiteren hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von
Zinsen hieraus gemäß § 291 BGB, Rechtshängigkeit trat am 23.08.2008 ein.
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Soweit die Klageforderung über den zuerkannten Betrag hinausgeht, ist die Klage ist
aus den genannten Gründen abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung ist
geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht. Soweit die Parteien den
Rechtsstreit übereinstimmend hinsichtlich eines Teilbetrages von 50,39 EUR in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung auf § 91 a ZPO.
Es entspricht billigem Ermessen im Sinne der genannten Vorschrift, der Beklagten die
Kosten aufzuerlegen, da sie nach Rechtshängigkeit den weiteren Teilbetrag geleistet
hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Streitwert: 849,09 Euro.
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