Urteil des AG Mönchengladbach-Rheydt vom 20.06.2003

AG Mönchengladbach-Rheydt: ausbildung, pflegerin, vertragsschluss, gewerbe, verschulden, zustand, vorteilsausgleichung, zwangsvollstreckung, werbung, anfang

Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt, 10 C 79/03
Datum:
20.06.2003
Gericht:
Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt
Spruchkörper:
10 Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 79/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.037,00 € nebst 5 % Zinsen
über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.11.2002 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 1.300,00 €, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in
gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Sicherheitsleistungen können in Form von einer Bank- oder
Sparkassen-bürgschaft erfolgen.
Die Klägerin meldete sich am 01.09.2001 bei der Beklagten für eine Ausbildung in
medizinischer Fußpflege an. Die Klägerin zahlte für den Lehrgang, der am 09.01.2002
begann und am 28.02.2002 endete, an die Beklagte 1.037,00 €.
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Als die Klägerin danach ein Gewerbe als medizinische Fußpflegerin anmelden wollte,
wurde dies vom Gesundheitsamt der Stadt Viersen unter Hinweis auf das Podologen-
Gesetz vom 02.12.2001, das am 02.01.2002 in Kraft getreten war, abgelehnt, da es sich
um eine geschützte Berufsbezeichnung handele. Die Ausbildung durch die Beklagte –
so das Gesundheitsamt – befähige die Klägerin nicht, eine Tätigkeit als med.
Fußpflegerin auszuüben.
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Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Erstattung der von ihr für den
Lehrgang gezahlten 1.037,00 €.
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Sie beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.037,00 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz ab dem 01.11.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin kann von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den
Vertragsverhandlungen (CIC) bzw. aus positiver Forderungsverletzung des
Ausbildungsvertrages i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB Aufhebung des zwischen den Parteien
geschlossenen Ausbildungsvertrages und Erstattung der gezahlten Lehrgangsgebühr
von 1.037,00 € verlangen.
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Die Beklagte hat den Vertragsschluss durch Nichtaufklärung über Tatsachen schuldhaft,
nämlich fahrlässig herbeigeführt. Das zum Ersatz verpflichtete Verhalten der Beklagten
liegt hier darin, dass sie ihren Betrieb nicht so organisiert hat, dass sie von dem
geplanten Podologengesetz rechtzeitig Kenntnis erlangen und die Klägerin darüber
aufklären konnte, dass diese aufgrund der bei ihr durchgeführten Ausbildung eine
Tätigkeit als medizinische Fußpflegerin nicht werde ausüben können.
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Auf jeden Fall haftet die Beklagte der Klägerin wegen der nicht erteilten Aufklärung über
diese Tatsache aus positiver Forderungsverletzung des Ausbildungsvertrages. Denn sie
hätte ihren Betrieb zumindest so organisieren müssen, dass sie von dem Inkrafttreten
des Podologen-Gesetzes am 02.01.2002, also noch vor dem Beginn der Ausbildung der
Klägerin am 09.01.2002, Kenntnis erlangen und die Klägerin auf die damit verbundenen
Rechtsfolgen hätte hinweisen können. Die Beklagte vermag sich daher mit ihrem
Vortrag, dass sie von dem Podologen-Gesetz erst Anfang April 2002 Kenntnis erlangt
habe, nicht zu entlasten, denn sie durfte sich nicht unwissend halten, sondern musste –
wie oben ausgeführt – ihren Betrieb so organisieren, dass sie von den ihre Tätigkeit
betreffenden und regelnden Rechtsvorschriften des Podologen-Gesetzes rechtzeitig
Kenntnis erlangen konnte.
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Der danach der Beklagten vorzuwerfenden Organisationsmangel und die daraus
folgende Nichtaufklärung der Klägerin über die Rechtsfolgen des Podologen-Gesetzes
waren auch ursächlich für den Vertragsschluss bzw. für das Festhalten der Klägerin an
dem geschlossenen Vertrag. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin, wenn
ihr rechtzeitig mitgeteilt worden wäre, dass sie aufgrund der bei der Beklagten
durchgeführten Ausbildung eine Tätigkeit als medizinische Fußpflegerin nicht würde
ausüben können, den Vertrag nicht abgeschlossen bzw. sich von ihm losgesagt hätte.
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Gem. § 249 Abs. 1 BGB kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs verlangt
werden, dass der Zustand hergestellt wird, der ohne das zum Ersatz verpflichtende
Ereignis bestünde. Bei Herbeiführung eines Vertragsverhältnisses, welches durch ein
Verschulden bei Vertragsverhandlungen zustande gekommen ist, liegt die
Herbeiführung des ursprünglichen Zustandes in der Aufhebung des Vertrages. Daraus
folgt ohne Weiteres, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die unstreitig
gezahlte Lehrgangsgebühr von 1.037,00 € zurückzuerstatten.
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Eine Kürzung dieser Forderung aus dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung
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kommt nicht in Betracht. Zwar hat die Klägerin an dem von der Beklagten
durchgeführten Lehrgang teilgenommen; sie stellt aber keinen auszugleichenden Vorteil
dar. Denn – entgegen der Auffassung der Beklagten – ist es der Klägerin nach dem
Podologen-Gesetz, nicht nur verwehrt, den Titel "medizinischer Fußpfleger" zu führen,
sondern auch ein Gewerbe "medizinische Fußpflege" zu betreiben. Zwar ist nach dem
Wortlaut des Podologen-Gesetzes nur die Berufsbezeichnung "medizinischer
Fußpfleger" und nicht die Tätigkeit als solche geschützt. Da jedoch die Werbung mit der
Tätigkeit "medizinische Fußpflege" geeignet ist, den Anschein zu erwecken, dass eine
Erlaubnis nach dem Podologen-Gesetz gegeben ist, erfasst der Schutz des Gesetzes
über den Wortlaut hinaus nicht nur die Berufsbezeichnung "medizinischer Fußpfleger"
sondern auch die Tätigkeit "medizinische Fußpflege".
Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus den §§ 286 Abs.1, 288 Abs. 1 BGB.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 108 Abs. 1
ZPO.
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