Urteil des AG Menden vom 24.02.2005

AG Menden: bevollmächtigung, duldungsvollmacht, haushalt, anscheinsvollmacht, gespräch, anschluss, widerrufsrecht, ausnahmecharakter, minderjähriger, form

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Amtsgericht Menden, 3 C 531/04
24.02.2005
Amtsgericht Menden
3. Abteilung des Amtsgerichts
Urteil
3 C 531/04
R-Gespräch, Anscheinsvollmacht, Minderjährige
Keine Anscheinsvollmacht bei der Entgegennahme eines R-Gesprächs.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs.1 ZPO
abgesehen
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die mit der Klage geltend gemachten
Telefongebühren für die unstreitig im Zeitraum vom 12.07.2003 bis zum 15.07.2003 von
deren Telefonanschluss veranlassten R-Gespräche verlangen.
Zwischen den Parteien bestand insoweit kein Vertragsverhältnis.
Das Gericht ist aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass nicht die
Beklagte, sondern ihre damals 14-jährige Nichte, die Zeugin F die R-Gespräche geführt
hat. Die Zeugin F hat dies im Rahmen ihrer Vernehmung so bestätigt. Das Gericht folgt
ihrer Aussage in diesem Punkt. Die Zeugin konnte einen plausiblen Grund dafür nennen,
warum sie sich an den hier in Rede stehenden Abenden alleine in der Wohnung der
Beklagten aufgehalten hat. Die Zeugin hat den Namen des Anrufers genannt. Sie hat den
Verbindungsaufbau, so wie sie ihn wahrgenommen hat, im Einzelnen geschildert. Ihre
Angaben decken sich insoweit zwar nicht vollständig aber doch in wesentlichen Punkten
mit dem Vortrag der Klägerin. Das spricht, da R-Gespräche hier zu Lande weitgehend
unbekannt sind, für die Richtigkeit ihrer Angaben. Soweit die Motivation dafür, innerhalb
von 3 Tagen 14 Gespräche von teilweise erheblicher Dauer mit einem Unbekannten zu
führen, schwer nachvollziehbar ist, ändert dies nichts an der Überzeugung des Gerichts,
dass die Zeugin F die Gespräche zumindest geführt hat.
Konkreten Anhalt dafür, dass die Zeugin dies frei erfunden hat, um einen für die Beklagte
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günstigen Prozessausgang herbeizuführen, sieht das Gericht nicht.
Dass die Zeugin die rechtlichen Auswirkungen ihrer Aussage im Einzelnen überschaut hat,
ist unwahrscheinlich. Sie musste zunächst einmal davon ausgehen, die Beklagte zu
belasten, indem sie einräumte, die Gespräche von deren Telefonschluss veranlasst zu
haben. Die Zeugin hat ihre Aussage insgesamt ruhig und sachlich gemacht und hat auch
auf Nachfragen nicht unsicher reagiert.
Gemäß Ziff. 2.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin hat der
Telefonanschlussinhaber alle R-Gespräche zu zahlen, die er von seinem Anschluss aus in
zurechenbarer Weise geführt veranlasst oder ermöglicht hat. Das wiederum setzt voraus,
dass die Zeugin F die R-Gespräche als bevollmächtigte Vertreterin der Beklagten
entgegengenommen hat. Daran fehlt es hier.
Die Klägerin hat die Zeugin F nicht ausdrücklich bevollmächtigt.
Ebensowenig kann eine Bevollmächtigung nach den Grundsätzen der Anscheins- oder
Duldungsvollmacht angenommen werden.
Es ist bereits zweifelhaft, ob ein möglicherweise durch Entgegennahme der R-Gespräche
gesetzter Rechtsschein der Bevollmächtigung der Beklagten zurechenbar ist.
Voraussetzung dafür wäre, dass die Beklagte die Nutzung ihres Telefonanschlusses in
dieser Form bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte voraussehen und verhindern können.
Sorgfaltspflichten mögen den Anschlussinhaber in Hinblick auf die aktive unbefugte
Nutzung seines Telefonanschlusses durch Dritte in seinem Haushalt treffen. Es bestehen
aber Bedenken, diese Sorgfaltpflichten auf die Annahme von R-Gesprächen zu übertragen.
Diese Telekommunikationsdienstleistung ist hier weitgehend unbekannt und wird
vergleichsweise selten in Anspruch genommen. Es ist daher zweifelhaft, ob es ein
fahrlässiges Verhalten der Beklagten darstellt, dass sie die technisch in Betracht
kommenden Schutzmöglichkeiten gegen die Annahme von R-Gesprächen von ihrem
Anschluss nicht genutzt hat.
Eine wirksame Bevollmächtigung der Zeugin F nach den Grundsätzen der Anscheins- oder
Duldungsvollmacht scheitert aber jedenfalls an einem schutzwürdigen Vertrauen der
Klägerin in eine entsprechende Bevollmächtigung.
Das R-Gespräch ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Anrufer und nicht
der Angerufene die Kosten des Telefonats trägt. Damit wird der Angerufene, da es sich hier
eben nicht um eine alltäglich in Anspruch genommene Telekommunikationsdienstleistung
handelt, überraschend konfrontiert. Dass ein Minderjähriger in dieser Situation überblickt,
dass und welche konkreten Kosten durch Betätigen einer Taste auf ihn zu kommen, ist
fragwürdig. Das gilt zumal dann, wenn die Kosten - wie hier- pro Sekunde angegeben und
daher letztlich in der Kürze der Zeit kaum noch kalkulierbar sind.
Nach dem Vortrag der Klägerin ist es auch möglich, die Bandansage durch Drücken der
Taste 1 und 2 zu unterbrechen und das Gespräch schon vor der Kostenansage
anzunehmen.
Diese Umstände sind der Klägerin ebenso wie der Ausnahmecharakter des R-Gesprächs
bekannt. Unter diesen Voraussetzungen ist sie in ihrem Vertrauen darauf, dass der
Anschlussinhaber, der akzeptiert, dass Minderjährige in seinem Haushalt Telefonanrufe
annehmen, diesen gleichzeitig die Vollmacht erteilt, R-Gespräche entgegenzunehmen,
nicht schutzwürdig. Denn die Klägerin weiss bzw. muss wissen, dass dies wegen der
genannten Besonderheiten und der technischen Ausgestaltung des R-Gesprächs
regelmäßig gerade nicht dem Willen des Anschlussinhabers entsprechen wird.
Die Frage, ob der Beklagten auf der Grundlage der Vorschriften des Fernabsatzrechts ein
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Die Frage, ob der Beklagten auf der Grundlage der Vorschriften des Fernabsatzrechts ein
Widerrufsrecht zusteht, konnte danach offen bleiben.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.11, 713 ZPO.