Urteil des AG Mannheim vom 28.01.2008

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AG Mannheim Urteil vom 28.1.2008, 9 C 586/07
Hemmung der Verjährung: Verhandlungen mit der Versicherung im Zusammenhang mit einem nach der
Gebrauchsüberlassung eines Pferdes entstandenen Schaden
Leitsätze
1. Die Hemmung der Verjährung endet mit dem Schreiben des Versicherers, wenn in diesem eine abschließende
Stellungnahme zur Eintrittspflicht gegeben wurde der aus Sicht des Versicherers begründete Schaden
ausgeglichen wird.
2. Die Hemmung der Verjährung tritt nicht erneut ein, wenn der Geschädigte danach erneut den Kontakt mit dem
Versicherer aufnimmt. Gibt der Versicherer dabei die Auskunft, die Rechtsabteilung befasse sich mit der Sache,
soll mit dieser Höflichkeitsfloskel keine neue Verhandlungsgründe eröffnet werden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus unerlaubter Handlung.
2
Der Kläger ist Miteigentümer eines Pferdes und geht aus einem von der anderen Miteigentümerin an ihn am
26.04.2007 abgetretenen Anspruch auf Ersatz von Tierarztkosten in Höhe von EUR 947,11 und Wertminderung
von EUR 800 sowie Rechtsanwaltskosten von EUR 229,55 gegen den Beklagten vor. Am 21.08.2006 wurde
der Unfall vom 17.08.2006 bei der Versicherung des Beklagten gemeldet, welche mit Schreiben vom
18.12.2006 an die andere Miteigentümerin lediglich eine - auch erfolgte - Zahlung von EUR 350 ankündigte und
weitere Ansprüche ablehnte. Mit Schreiben vom 10.05.2007 erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers
bei der Versicherung des Beklagten erneut Ansprüche aus dem Unfallereignis und setzten erfolglos eine
Nachfrist bis 24.05.2007. Am 5.06.2007 meldete sich telefonisch ein Sachbearbeiter der Versicherung des
Beklagten bei den Anwälten des Klägers und teilte mit, dass einige Informationen eingeholt werden müssten
und möglicherweise im Laufe der 24. Kalenderwoche eine Stellungnahme erfolge. Im Laufe dieser
Kalenderwoche rief die Anwältin des Klägers nochmals bei der Versicherung des Beklagten an und erhielt von
einer anderen Sachbearbeiterin die Auskunft, die Sache sei intern an die Rechtsabteilung abgegeben worden
und es erfolge eine Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 16.07.2007 wurde die Klage eingereicht.
3
Der Kläger behauptet, dem Beklagten und dessen Tochter sei das ihm zu ½ gehörende Pferd R. zum
unentgeltlichen Gebrauch überlassen worden. Die beiden hätten am 17.08.2006 das Pferd bei offener Stalltür
und ohne dieses anzuleinen für ein Turnier am Folgetag geflochten, wobei der Beklagte einen Stuhl
umgestoßen habe. Der dadurch verursachte Lärm habe das Pferd irritiert, weshalb es panisch auf die Straße
gelaufen und unter ein dort stehendes Auto gestürzt sei.
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Er vertritt die Ansicht, der Anspruch sei nicht verjährt. Zum einen gelte für den Anspruch aus unerlaubter
Handlung nicht die kurze Verjährungsfrist des § 606 BGB, zum anderen sei die Verjährung durch
Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt worden, sodass die Klage noch innerhalb der Verjährungsfrist
zugestellt worden sei.
5
Der Kläger beantragt:
6
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.747,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.05.2007, sowie nicht anrechenbare außergerichtliche
Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 229,55 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
7
Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
9
Er ist der Ansicht, der Anspruch sei verjährt, weshalb er mit Schriftsatz vom 5.09.2007 die Verjährungseinrede
erheben ließ.
10 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt
Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
11 Die zulässige Klage ist unbegründet.
12 Der dem Kläger möglicherweise aus §§ 280 Abs. 1, 598 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB zustehende Anspruch
auf Schadensersatz ist gem. § 606 BGB verjährt, was der Beklagte mit Schriftsatz vom 5.09.2007 einwenden
ließ.
13 1. Die Verjährung richtet sich hierbei nach § 606 BGB. Der Kläger lässt selbst vortragen, er habe den
Beklagten und dessen Tochter ermächtigt, das in seinem (Mit-)Eigentum stehende Pferd zu pflegen und dieses
zu reiten, wobei eine finanzielle oder andersartige Gegenleistung dafür nicht vorgesehen gewesen sei, vielmehr
habe er das Pferd unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Diese unentgeltliche Gebrauchsüberlassung stellt sich
damit als Leihvertrag nach § 598 BGB dar. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte im Schriftsatz vom
24.10.2007 vortragen ließ, er sei für das Pferd nicht verantwortlich gewesen. Denn dieser Vortrag bezog sich
ersichtlich alleine auf den Tag des Unfalles, an welchem der Beklagte seine Tochter lediglich zum Reitplatz
gefahren haben und weshalb er mangels seiner Ansicht nach mangelnden schuldhaften Verhaltens auch nicht
haftbar gemacht werden will. In den vorangegangenen Schriftsätzen geht denn auch der Beklagte von einer
leihweisen Überlassung des Pferdes aus. Alleine diese Qualifizierung des zwischen den Parteien bestehenden
Vertragsverhältnisses wird den im beiderseitigen Vortrag geschilderten tatsächlichen Gegebenheiten gerecht.
Damit greift für Ansprüche des Verleihers wegen Verschlechterungen der verliehenen Sache die kurze,
sechsmonatige Verjährungsfrist des § 606 BGB.
14 Diese auf vertragliche Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB zugeschnittene Frist gilt im Übrigen auch für
konkurrierende deliktische Ansprüche und damit auch für den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, den der Kläger
anführt, da ansonsten der Zweck des § 606 BGB unterlaufen würde, wenn aus demselben Sachverhalt zwar
keine vertraglichen, dafür aber noch deliktische Forderungen durchgesetzt werden könnten (MüKo/ Kollhosser ,
BGB, 4.Aufl. 2004, § 606 Rn. 4 m.w.N.).
15 2. Diese Verjährungsfrist begann nach §§ 606 Satz 2, 548 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB mit dem Rückerhalt
der Leihsache nach dem Unfall vom 17.08.2006 am 18.08.2006 zu laufen und wurde zwar nicht wegen der
Schadensmeldung vom 21.08.2006 selbst, wohl aber rückwirkend wegen nachfolgender Verhandlungen (vgl.
dazu OLG Köln, Urteil vom 17.10.2006 - 3 U 55/05 - unter 3. c. bb. der Gründe) zwischen der Versicherung des
Beklagten und der vormaligen Miteigentümerin ab diesem Zeitpunkt nach § 203 Satz 1 BGB gehemmt.
16 3. Diese Hemmung endete durch das Schreiben der Versicherung des Beklagten vom 18.12.2006, in welchem
es heißt, man komme nunmehr abschließend auf die Schadenssache zurück. Dort wird nach Erläuterung der
Gründe gut ¼ des geltend gemachten Betrages anerkannt, in der Folgezeit werden an die Miteigentümerin
entsprechend dem Schreiben, in dem weitergehende Ansprüche wegen Mitverschuldens der Eigentümer bzw.
Realisierung der Tiergefahr abgelehnt werden, auch EUR 350 bezahlt.
17 Damit wurden die Verhandlungen zwischen den Parteien durch die Beklagtenseite abgebrochen, der
Miteigentümerin, die diese Zahlung auch als ausreichend akzeptierte, war damit klar, dass sich der Beklagte
über seine Versicherung nicht weiter mit dem Schadensfall befassen wird (vgl. hierzu BGH, Urteil vom
30.06.1998 - VI ZR 260/97). Daher lief die sechsmonatige Verjährungsfrist ab 19.12.2006 weiter, der Zeitraum
der Hemmung von 21.08.2006 bis 18.12.2006 war nicht mit einzurechnen (§ 209 BGB), sodass die
Verjährungsfrist am 14.06.2007 ablief.
18 Die mit Schriftsatz vom 16.07.2007 erhobene Klage war somit verfristet.
19 4. Entgegen der Auffassung des Klägers trat nach dem Ende der Verhandlungen am 18.12.2006 nicht erneut
eine Hemmung der Verjährung ein.
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a. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10.05.2007, in welchem diese den
identischen Sachverhalt Monate später der Versicherung des Beklagten erneut zur Kenntnis brachten,
um nunmehr für den Kläger aus abgetretenem Recht einen ihm möglicherweise zustehenden, von der
Miteigentümerin jedoch scheinbar nicht weiterverfolgten Anspruch geltend zu machen, vermag eine
Hemmung nicht auszulösen. Andernfalls hätte es der vermeintliche Gläubiger durch bloße
Kontaktaufnahme mit dem Schuldner in der Hand die Verjährung außerhalb der gesetzlich geregelten
Fälle zu hemmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die Verhandlungen bereits
abgeschlossen worden waren und der Geschädigte keine berechtigte Aussicht auf Wiederaufnahme
der Verhandlungen haben kann (vgl. hierzu OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.10.2007 - 1 W
14/07).
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b. Auch der nach Ablauf der im Schreiben vom 10.05.2007 auf 24.05.2007 gesetzten Frist erfolgte
Anruf eines Sachbearbeiters der Versicherung der Beklagten vom 5.06.2007 bei den
Prozessbevollmächtigten des Kläger löste keine Hemmung nach § 203 BGB aus, da damit nicht
erneut Verhandlungen aufgenommen wurden.
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Zwar ist es zutreffend, dass der Begriff der 'Verhandlungen' weit ausgelegt wird, sodass Verhandlungen
schon dann schweben, wenn der in Anspruch genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten
die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von
Schadensersatzansprüchen ein (BGH, Urteil vom 26.10.2006 - VII ZR 194/05 - NJW 2007, 587;
8.05.2001 - VI ZR 208/00 - NJW-RR 2001, 1168 unter II. 3. b. der Gründe). Allerdings wird hier auch
ein 'Meinungsaustausch' gefordert (BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
23
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Versicherung des Beklagten schon auf die auf den gleichen
Sachverhalt gestützten Vorwürfe der anderen Miteigentümerin nach viermonatiger Prüfung zu dem
Ergebnis gelangte, mit der Zahlung von EUR 350 sei die Sache abgeschlossen. Der Kläger, der keine
neuen Tatsachen vorzubringen vermochte, durfte demnach nicht die Erwartung hegen, die
Versicherung werde sich in dieser Sache erneut bewegen. Anders als in dem oben zitierten Fall des
Bundesgerichtshofes forderte der Sachbearbeiter den Kläger gerade nicht dazu auf, zur weiteren
Klärung des Sachverhaltes durch Beifügung von Belegen o.ä. beizutragen. Vielmehr teilte er lediglich
mit, die Versicherung würde selbst Informationen einholen und es werde möglicherweise in
Kalenderwoche 24 eine Stellungnahme abgegeben. Weder diese Nachricht eines betriebsinternen
Vorganges, noch das Inaussichtstellen einer möglichen Stellungnahme, deren Inhalt völlig offen war,
nach dem bisherigen Verhalten der Versicherung aber - wie später durch Untätigbleiben geschehen -
auch für den Kläger erkennbar wohl nur in der erneuten Ablehnung der Ansprüche bestanden hätte,
stellen den Eintritt des Beklagten in Verhandlungen mit dem Kläger dar.
24
Bei dieser Mitteilung des Sachbearbeiters handelt es sich um nicht mehr als die telefonische Variante
einer bloßen Eingangsbestätigung. Das Mitteilen des Einholens von Informationen reicht ebenso wenig
für Verhandlungen wie die Nachricht, es sei noch Rücksprache mit der Mandantschaft nötig (vgl.
hierzu OLG Schleswig, Urteil vom 18.07.2006 - 3 U 162/05 unter II. der Gründe).
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Diese Ansicht wird gestützt durch die obergerichtliche Rechtsprechung zur Abgabe von
Verjährungsverzichtserklärungen (u.a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2003 - 23 U 222/02 - ZGS
2004, 118 unter B. I. 2. e. der Gründe). Selbst wenn die Versicherung mitgeteilt hätte, auf die Einrede
der Verjährung zu verzichten, wäre dies noch keine inhaltliche Aussage gewesen und folgten daraus
noch keine berechtigten Erwartungen, man lasse sich auch auf Erörterungen zur Berechtigung der
Ansprüche ein. Erst recht kann nichts anders gelten, wenn sich die Versicherung noch nicht einmal zur
Verjährung äußert, sondern lediglich ankündigt, man werde vielleicht eine Stellungnahme abgeben.
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Zum Austausch von Meinungen, die für Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB nötig wären, ist es
gerade nicht gekommen.
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c. Auch die auf den in Kalenderwoche 24 des Jahres 2006 von den Prozessbevollmächtigten des
Klägers bei der Versicherung des Beklagten getätigten Anruf erfolgte Mitteilung einer anderen
Sachbearbeiterin, die Sache sei nun der Rechtsabteilung übergeben worden und eine Stellungnahme
erfolge, ändert am Verjährungseintritt nichts.
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Zum einen wurde nicht mitgeteilt, wann genau in Kalenderwoche 24 dieser Anruf stattfand, sodass
schon nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser erst nach Eintritt der Verjährung am 14.06.2007
erfolgte. Dies ist schon deshalb wahrscheinlich, da der Kläger vortragen lässt, man habe sich erst
erkundigt, „als in der 24.ten Kalenderwoche eine angekündigte Stellungnahme nicht einging“ und diese
Arbeitswoche am Freitag den 15.06.2007 endete.
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Zum anderen wären aber auch durch diese Nachricht - sollte sie noch vor Eintritt der Verjährung erfolgt
sein - keine neuen Verhandlungen zwischen den Parteien aufgenommen worden. Auch hier fehlt es an
jeglichem Meinungsaustausch, vielmehr war die Auskunft der offenbar nicht sachbearbeitenden
Mitarbeiterin, man habe die Rechtsabteilung eingeschaltet, lediglich der Höflichkeit geschuldet,
keinesfalls wollte die Versicherung des Beklagten damit eine neue Verhandlungsrunde eröffnen. Dies
musste auch dem Kläger nach bereits erfolgter Ablehnung der Ansprüche gegenüber der
Miteigentümerin klar sein.
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d. Insofern geht auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB fehl. Da der
Beklagte wie oben ausgeführt nie den Anschein erweckt hat, er werde die bereits abgelehnten
weitergehenden Ansprüche nur wegen eines den gleichen Sachverhalt schildernden Schreibens vom
10.05.2007 nunmehr neu verhandeln, kann seine Berufung auf die von seiner Versicherung am
18.12.2006 erklärte Rechtsansicht auch nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen.
31 Der Anspruch war damit verjährt, die Klage abzuweisen.
II.
32 Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.