Urteil des AG Mannheim vom 18.04.2008

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AG Mannheim Urteil vom 18.4.2008, 9 C 48/08
Kündigung eines Mietvertrages: Aktivlegitimation bei der Vermietung von nach einer Aufteilung in
Wohnungseigentum unterschiedlichen Eigentümern zugeordneten Kellerräumen
Leitsätze
Werden vermietete Räume in Wohnungseigentum aufgeteilt und dabei Kellerräume vorschiedenen
Sondereigentümern zugewiesen, können nur diese gemeinschaftlich kündigen (Fortführung von BGH, NJW 2005,
3781).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt Räumung und Herausgabe einer ihr gehörenden Wohnung infolge einer
Eigenbedarfskündigung.
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Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 28.09.1980 von der damaligen Hauseigentümerin, der W.
Feuerversicherungs AG Stuttgart, die im 3. Obergeschoss des Anwesens St. Ufer 20/W. Str. 28 a, ... M.
gelegenen Wohnung. Mitvermietet wurden damals zwei im Lageplan mit der Nr. 4 gekennzeichnete Keller,
gelegen links bzw. rechts neben dem Fahrradraum, sowie ein mit der Nr. 3 im Lageplan gekennzeichneter
Keller unterhalb der Treppe. Im Jahre 1998 wurden sämtliche im Anwesen gelegenen Wohnung in
Eigentumswohnungen umgewandelt, wobei die streitgegenständliche im Wohnungseigentumsgrundbuch Blatt
Nr. ... als Sondereigentum Nr. 4 bezeichnete Wohnung zunächst von einem A. erworben wurde, über dessen
Vermögen im Jahre 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin erwarb die streitgegenständliche
Wohnung mit notariellem Kaufvertrag vom 04.07.2007 und wurde am 16.10.2007 als neue Eigentümerin im
Grundbuch eingetragen. Dem streitgegenständlichen Sondereigentum Nr. 4 an der Wohnung wurden die beiden
im Lageplan mit der Nr. 4 gekennzeichneten und jeweils rechts bzw. links des Fahrradraums gelegenen Keller
im Grundbuch Blatt Nr. ... zugeordnet. Der ebenfalls mitvermietete und im Lageplan mit der Nr. 3
gekennzeichnete und unterhalb der Kellertreppe gelegene Raum wurde einer anderen, im Sondereigentum der
Eheleute ... befindlichen Eigentumswohnung zugeordnet, wobei die Beklagten seit Beginn des
Mietverhältnisses bis zum heutigen Tage alle drei Kellerräume (2 x Nr. 4 und 1 x Nr. 3) durchgehend in
Benutzung haben. Mit Schreiben vom 22.10.2007 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen
Eigenbedarfs.
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Die Klägerin trägt vor, der mit der Nr. 3 gekennzeichnete Keller sei kein normaler Kellerraum, sondern eher als
Kellerloch zu bezeichnen. Er habe eine Größe von lediglich 4 qm, verfüge über kein Fenster und auch keinen
betonierten Kellerboden.
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Sie ist daher der Ansicht, sie sei durch den Erwerb der streitgegenständlichen Wohnung alleine in das
Mietverhältnis mit den Beklagten eingetreten, so dass sie auch ohne die Mitwirkung der Eheleute Schilling die
Wohnung kündigen könne, zumal der mit der Nr. 3 gekennzeichnete Kellerraum im Verhältnis zur übrigen
Wohnung wertmäßig unbedeutend sei. Es könne keinen Unterschied machen, ob nach einer Umwandlung eines
Anwesens in verschiedene Eigentumswohnungen ein jeweils mitvermieteter Kellerraum in
Gemeinschaftseigentum aller Wohnungseigentümer übergehe oder Sondereigentum einer anderen
Eigentumswohnung werde. § 571 BGB bezwecke den Schutz des Mieters, welcher den Beklagten im
vorliegenden Fall schon aufgrund der verhältnismäßigen Unbedeutendheit des Kellers Nr. 3 nicht zugebilligt
werden könne.
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Die Klägerin beantragt:
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Die Beklagten werden verurteilt, die im Hause St. Ufer 20/W. Str. 28 a, ... M. innegehaltene Wohnung
im 3. OG des Hauses bestehend aus 5 Zimmern, Küche, Bad nebst Zubehör und Nebenräumen zu
räumen und an die Klägerin herauszugeben.
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Die Beklagten beantragen,
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Klageabweisung.
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Sie sind der Auffassung, die Kündigungserklärung der Klägerin sei unwirksam, da neben der Klägerin auch die
Eheleute ... in das Mietverhältnis mit den Beklagten eingetreten seien. Bei dem mitvermieteten Kellerraum mit
der Nr. 3. handele es sich gerade nicht um Gemeinschaftseigentum, sondern um einen zum Sondereigentum
der Eheleute ... zugehörigen Raum, weshalb § 566 BGB Anwendung finde.
10 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt
Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
11 Die zulässige Klage erwies sich als unbegründet.
12 Der Klägerin steht weder aus §§ 985, 546 BGB noch aus einem anderen Rechtsgrund ein Anspruch auf
Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegen die Beklagten zu, da die im Schreiben
vom 22.10.2007 ausgesprochene ordentliche Eigenbedarfskündigung mangels alleiniger Aktivlegitimation der
Klägerin unwirksam ist.
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1. Zwischen den Parteien war zuletzt unstreitig, dass den Beklagten vom damaligen Vermieter neben
der streitgegenständlichen Wohnung auch die beiden im Lageplan mit der Nr. 4 gekennzeichneten und
links bzw. rechts neben dem Fahrradkeller befindlichen Kellerräume sowie der mit der Nr. 3
gekennzeichnete Keller unterhalb der Treppe und oberhalb des Kellers Nr. 4 zur entgeltlichen Nutzung
überlassen worden waren, und dass die Beklagten die besagten Kellerräume auch seit Anbeginn des
Mietverhältnisses im Jahre 1980 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durchgängig nutzten.
Im Zuge der Umwandlung der in dem streitgegenständlichen Anwesen gelegenen Wohnungen in
Eigentumswohnungen im Jahre 1998 wurde die streitgegenständliche Wohnung zunächst von einem
Herrn A. erworben, welcher in Insolvenz fiel. Der Insolvenzverwalter veräußerte die
streitgegenständliche Wohnung mit notariellem Kaufvertrag vom 04.07.2007 an die Klägerin, welche
am 16.10.2007 als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Gleichzeitig wurden die
beiden mitvermieteten und mit der Nr. 4 gekennzeichneten Kellerräume, die die Beklagten durchgängig
nutzten, dem Sondereigentum der Klägerin zugewiesen.
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Der mit der Nr. 3 gekennzeichnete Kellerraum unterhalb der Treppe nahm jedoch ein anderes
Schicksal. Er wurde dem Sondereigentum einer anderen Eigentumswohnung zugeschlagen und steht
derzeit unstreitig im Eigentum des Ehepaars ... die diesen zusammen mit einer ebenfalls im Anwesen
gelegenen Eigentumswohnung schon vor mehreren Jahren erworben hatten. Damit traten jedoch die
Eheleute ... zusammen mit der Klägerin in das mit den Beklagten bestehende Mietverhältnis ein, so
dass die Klägerin eine rechtsgeschäftliche, auf die Beendigung des Mietverhältnisses gerichtete
Erklärung wie die ordentliche Kündigung vom 22.10.2007 nicht alleine aussprechen konnte, sondern
auf die Mitwirkung der anderen Vermieter - der Eheleute ... - angewiesen war (vgl. hierzu
Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Auflage 2004, § 566 BGB Rn 74, 77).
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2. Es ist zwar zutreffend, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.04.1999 (VIII
ARZ 1/98 - NZM 1999, 553 ff) in bestimmten Fällen bei der Umwandlung einer in einem Anwesen
gelegenen Wohnung in jeweils selbständiges Wohnungseigentum (Sondereigentum) für eine
einschränkende Anwendung des § 571 a. F. (entspricht § 566 BGB der jetzigen Fassung) plädiert hat,
der dem Rechtsentscheid zugrunde liegende Sachverhalt trifft auf den hier vorliegenden Fall jedoch
nicht zu.
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Während im dort zu entscheidenden Fall ein anfangs ebenfalls zu einer Wohnung gehörender
Kellerraum in dinglicher Hinsicht ein anderes Schicksal nahm und im Rahmen der Teilungserklärung
dem Gemeinschaftseigentum aller Wohnungseigentümer zugeschlagen wurde, steht im hier zu
entscheidenden Fall der mit der Nr. 3 gekennzeichnete und von Anfang an den Beklagten zur Nutzung
überlassene unterhalb der Kellertreppe gelegene Kellerraum nicht im Gemeinschaftseigentum aller
Wohnungseigentümer, sondern wurde (ähnlich wie die beiden mit Nr. 4 gekennzeichneten Kellerräume,
die im Rahmen der Teilungserklärung dem Wohnungseigentum der Klägerin zugeschlagen wurden)
dem von den Eheleuten ... erworbenen Sondereigentum an einer anderen Wohnung im Anwesen
zugeordnet, weshalb die Argumentation des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall keine
Anwendung finden kann.
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Grund für die einschränkende Anwendung des § 566 BGB n. F. war für den BGH die aufgrund der
Vervielfältigung der Vermieterstellung auftretenden Erschwernisse im Mietverhältnis, so vor allem die
Tatsache, dass der Mieter seine Mietzahlung nur an alle eintretenden Erwerber erbringen könne und
durch eine Zahlung an nur einen Vermieter von seinen Verpflichtungen nicht frei werde bzw. die
Unannehmlichkeiten auf Vermieterseite, die daraus resultieren, dass Willenserklärungen in Bezug auf
das Mietverhältnis ebenfalls nur gemeinschaftlich abgegeben werden könnten, was bei
Wohnungseigentumsgesellschaften mit mehreren 100 Mitgliedern nicht praktikabel sei.
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Der Bundesgerichtshof hat jedoch in besagter Entscheidung und unter Bezugnahme auf die vom
vorlegenden Kammergericht noch vertretene weitergehende Auffassung ausdrücklich angeführt, dass
gerade kein Bedürfnis bestehe, sämtliche Fälle der Übertragung von Miteigentum aus dem
Anwendungsbereich von § 566 Abs. 1 BGB auszuklammern, sondern die von ihm praktizierte
eingeschränkte Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB seinen Grund alleine in der infolge der Überführung
des Kellerraumes in Gemeinschaftseigentum eingetretenen Vervielfältigung der Vermieterstellung hatte
(vgl. unter III 4 b, 5 b der Gründe).
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Daher kann der von der Klägerin vertretenen Auffassung, es könne keinen Unterschied machen, ob ein
ursprünglich mitvermieteter Raum nunmehr infolge der Umwandlung Gemeinschaftseigentum aller
Wohnungseigentümer oder Sondereigentum nur eines Eigentümers geworden sei, nicht beigepflichtet
werden.
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3. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.09.2005 (VIII ZR 399/03 - NJW
2005, 3781 ff) nunmehr ausdrücklich ausgesprochen. Dort ging es um eine anfangs zusammen mit
einer Garage vermietete Wohnung, wobei die Wohnung selbst von dem dortigen Beklagten erworben
wurde, während an der Garage ein Sondernutzungsrecht begründet und dieses einer im Eigentum des
dortigen Klägers stehenden Wohnung zu Sondereigentum zugeordnet wurde. In einem solchen Fall,
wenn es also mangels Überführung eines unter § 566 Abs. 1 BGB fallenden Raumes in
Gemeinschaftseigentum nicht zu einer Multiplikation auf Vermieterseite kommt, sei § 566 Abs. 1 BGB
nicht einschränkend auszulegen, sondern dergestalt anzuwenden, dass sowohl der Erwerber der
Wohnung als auch der Erwerber der Garage/des Stellplatzes in den mit den Mietern abgeschlossenen
Vertrag eintreten. Die vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 28.04.1999 erläuterten Erschwernisse, die
das Gericht damals zu einer einschränkenden Auslegung des § 566 Abs. 1 BGB veranlassten, seien
im Fall der bloßen Verdoppelung der Vermieterstellung zu vernachlässigen, da der Mieter in vielen
Fällen mit mehreren Personen als Vertragspartner zu tun habe (Ehegatten, Miterbengemeinschaften
etc.), wobei es zu keinen besonderen Schwierigkeiten zwischen den Vertragsparteien komme.
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Genauso liegt der Fall hier. Durch den Erwerb der Wohnung, der auch der an die Beklagten
mitvermietete Kellerraum mit der Nr. 3 unterhalb der Treppe zugeordnet war, traten die Eheleute ...
ebenso wie die Klägerin gemäß § 566 Abs. 1 BGB in das mit den Beklagten bestehende Mietverhältnis
ein, weshalb die alleine von der Klägerin ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 22.10.2007
unwirksam war.
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4. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es hierbei nicht darauf an, ob es sich bei dem Kellerraum
mit der Nr. 3 um ein kleines, so genanntes „Kellerloch“ ohne Fenster und betonierten Kellerboden
handelt. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass § 578 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 BGB die
Anwendbarkeit des § 566 BGB nicht von der Größe und Beschaffenheit der Räumlichkeiten abhängig
macht, zum anderen auch daraus, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom
28.04.1999 die einschränkende Anwendung des § 566 BGB alleine mit der Tatsache der Überführung
des Kellerraumes in Gemeinschaftseigentum begründet hat und nicht damit, dass es sich bei dem
Raum um einen Kellerraum handelte.
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Auch die von der Klägerin angesprochene untergeordnete Rolle des mit der Nr. 3 gekennzeichneten
Kellerraumes im Rahmen des Mietvertrages vom 18.09.1980 vermag eine andere Beurteilung nicht zu
rechtfertigen, da die §§ 741 ff BGB, die nach dem BGH auf die Stellung der neueintretenden Erwerber
in das Mietverhältnis anwendbar seien ebenfalls nicht nach der Größe oder der Bedeutung einzelner
Anteile differenzieren, zumindest nicht, wenn es um die generelle Anwendbarkeit der Vorschriften über
die Bruchteilsgemeinschaft geht.
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Dass die Eigentümer des Kellerraums Nr. 3, die Eheleute ..., damit einverstanden sind, dass die
Klägerin über den Keller mit der Nr. 3 verfügt, zeigt vielmehr, dass es der Klägerin ein Leichtes
gewesen wäre, auch deren Mitwirkung hinsichtlich der von allen Vertragsparteien auf Vermieterseite zu
erklärenden Kündigung zu erlangen. Da sie dies nicht getan hatte, war die Klage mangels wirksamer
Kündigung abzuweisen.
II.
25 Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.