Urteil des AG Mannheim vom 14.07.2004

AG Mannheim: firma, annahme des antrags, kaufvertrag, gestaltung, willenserklärung, erfüllung, anfechtung, inhaber, irrtum, anbieter

AG Mannheim Urteil vom 14.7.2004, 12 C 137/04
Kaufvertrag über Internetdomain
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500,-- EUR nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszins seit 03.02.2004 Zug um Zug gegen
Übertragung der Rechte an der Internetdomain „xyz.de“ auf den Beklagten zu zahlen.
2. Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger durch Zahlung von 114,55 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszins seit
03.02.2004 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers von den nichtanrechenbaren Kosten der außergerichtlichen Forderungsgeltendmachung
freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht den Kaufpreis für eine Internetdomain sowie die Freistellung von Anwaltskosten und Feststellung des Annahmeverzuges des
Beklagten geltend.
2
Im November 2003 hatte der Kläger die Internetdomain „xyz.de“ auf dem Domainhandelsportal www.XY.de zum Festpreis von 1.500,-- EUR zum
Kauf angeboten. Der Vorgang verlief in drei Schritten. Zunächst erfolgte nach dem Log-in die Suche nach dem gewünschten Domainnamen.
Durch Anklicken der virtuellen Schaltfläche („Button“) „weitere Info“ gelangte der Beklagte zu einem weiteren Fenster, in dem Details zu dem
gewählten Angebot gezeigt wurden und die Möglichkeit zur Abgabe eines Gebots durch Anklicken der Schaltfläche „Domain zu diesem Preis
kaufen“ (darüber war der vorgesehene Verkaufspreis von 1.500.- EUR eingesetzt) eingeräumt wird. Alternativ konnte der Beklagte auch das „XY-
Transaktions-Team“ mit Verhandlungen für eine Übernahme der Domain beauftragen. Nach Anklicken der genannten Schaltfläche gelangte der
Beklagte zu einem weiteren sich öffnenden Fenster, in dem die gewählte Domain nochmals aufgeführt wurde, sowie der Kauf von 1.500.- EUR.
Jedenfalls befand sich noch auf diesem Fenster vor der virtuellen Schaltfläche „Domain verbindlich kaufen“ folgender Text: „Transaktions- und
Treuhandservice:
3
Der Anbieter der Domain wünscht die Abwicklung der Domaintransaktion über den Transaktions- und Treuhandservice von XY. Dies garantiert
beiden Seiten einen sicheren Ablauf des Domainverkaufs.
4
Mit dem Kauf der Domain stimmen Sie der Abwicklung des Domainverkauf und der Transaktion über die XY zu. Die im Zusammenhang mit
diesem Service anfallenden Kosten trägt gänzlich der Anbieter der Domain!“
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Der Beklagte betätigte auch die letztgenannte Schaltfläche (Anlage K 3 = AS 30 ff). Der Beklagte gab beim Log-in seinen Namen und die
Anschrift seines Arbeitgebers, der Firma P GmbH, ein, nämlich Vorname.Nachname@pGmbH.de
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Am 20.11.2003 rief der Beklagte bei der Firma XY an und erklärte, dass er mit dem Anklicken des Buttons keinen Kaufvertrag habe schließen
wollen. Er habe angenommen, noch weitere Informationen zu erhalten. Die Firma XY erhielt am 20.11.2003 von dem Kläger den Auftrag zur
Transaktion der besagten Internetdomain. Die Firma XY unterrichtete wiederum den Beklagten hiervon. Der Beklagte bezahlte den Kaufpreis
nicht und übernahm auch nicht die Domain. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führte mit der Firma XY und mit dem Beklagten in dieser
Angelegenheit telefonische Gespräche durch. Der Kläger hat seinem Prozessbevollmächtigten die hierfür angefallene Besprechungsgebühr
nicht bezahlt.
7
Der Kläger vertritt die Auffassung, zwischen den Parteien sei ein Kaufvertrag über die Domain „xyz.de“ zustande gekommen und begehrt vom
Beklagten dessen Erfüllung.
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Er beantragt,
9
wie erkannt.
10 Der Beklagte beantragt,
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Klagabweisung.
12 Er trägt vor, er habe nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der PGmbH, seiner Arbeitgeberin, gehandelt. Der Geschäftsführer dieser Firma
habe ihn beauftragt, im Internet nachzuschauen, ob die Domain „xyz.de“ zu ersteigern sei. Der Beklagte habe dabei die Vorgabe gehabt,
maximal ein Gebot in Höhe von 500,-- EUR abzugeben. Bereits auf Grund der Verwendung der E-Mail - Adresse der Firma sei erkennbar
gewesen, dass der Beklagte für seinen Arbeitgeber gehandelt habe und nicht in eigenem Namen. Des Weiteren vertritt der Beklagte die
Auffassung, es sei kein Vertrag mit zwei sich deckenden Willenserklärungen zu Stande gekommen, es handele sich vielmehr um eine letztlich
gescheiterte Vertragsanbahnung.
13 Der Beklagte habe bei Anklicken des Buttons „Domain verbindlich kaufen “ keinen Rechtsbindungswillen gehabt. Er habe geglaubt, es werde
sich eine weitere Oberfläche öffnen, auf der er dann noch nähere Angaben zu einem möglichen Verkauf bekommen würde. Die Firma XY habe
durch die Gestaltung der entscheidenden Oberfläche gegen die Vorschriften des § 312 e Abs. 1 BGB zum Übereilungsschutz verstoßen. Die
dritte Oberfläche sei bis zum 08.12.2003 noch anders gestaltet gewesen als jetzt. Zum fraglichen Zeitpunkt sei weder der Vertrag online
verfügbar gewesen, noch sei der Text „Bitte überprüfen...“ bis zu der Schaltfläche „Domain verbindlich kaufen“ erschienen. Dies sei erst seit dem
08.12.2003 der Fall.
14 Erwidernd hierauf trägt der Kläger vor, auch das dritte Fenster sei am 20.11.2003 genauso gestaltet gewesen wie heute. Aufgrund des
Bestellablaufes sei ein Irrtum des Beklagten auszuschließen.
15 Hinsichtlich des weitergehenden Parteivortrages wird auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze nebst vorgelegten Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
16 Die Klage ist zulässig und begründet.
17 Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises für die Zug um Zug zu übertragende Domain „xyz.de“
gemäß § 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 1.500,-- EUR nebst den weiteren ausgeurteilten Nebenansprüchen.
I.
18 Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag hierüber zustande gekommen, der auch nicht durch eine Widerrufs- bzw.
Anfechtungserklärung des Beklagten vernichtet worden ist.
19 1) Durch das Anklicken der virtuellen Schaltfläche „Domain verbindlich kaufen “ hat der Beklagte einen verbindlichen Antrag auf Abschluss eines
Kaufvertrages über die besagte Domain abgegeben. Der Kläger bzw. die Firma XY als dessen Empfangsvertreter durfte das Verhalten des
Beklagten entsprechend verstehen (vgl. z.B. Landgericht Bonn, CR 2002, 293 - 295 m.w.N.; BGHZ 149, 129 - 139 Punkt II, Unterpunkt 3 m.w.N.).
Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass die Gestaltung der Internetseite der XY das „Angebot“ der Domain noch nicht als verbindlichen
Kaufvertragsantrag erscheinen lässt, sondern als „invitatio ad offerendum“. Ansonsten bestünde in der Tat für mehrere Teilnehmer die
Möglichkeit, den verbindlichen Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrages gleichzeitig oder nacheinander anzunehmen, obwohl der Kläger den
Kaufvertrag nur einmal erfüllen könnte. Dass die Firma XY Vorkehrungen getroffen hätte, dass nach Anklicken der Schaltfläche „Domain
verbindlich kaufen “ diese Schaltfläche für andere Internetteilnehmer sofort „gesperrt“ würde (was technisch wohl durchführbar wäre), hat der
Kläger nicht dargelegt.
20 2) Unstreitig hat die Firma XY dem Kläger den Antrag des Beklagten am gleichen Tage übermittelt und von diesem den Transaktionsauftrag
erhalten. Diese - als Annahme des Antrags zu verstehende - Erklärung des Klägers hat die Firma XY unstreitig am gleichen Tage auch an den
Beklagten übermittelt. Der Beklagte war an seinen Antrag zu diesem Zeitpunkt auch noch gemäß §§ 145, 147 Abs. 2 BGB gebunden. Die
diesbezügliche Willenserklärung des Beklagten war auch im Hinblick auf den Vertragspartner hinreichend bestimmt. Zwar war dem Beklagten
zum Zeitpunkt der Antragsabgabe der Name des Klägers unbekannt. Er wollte jedoch den Antrag gegenüber dem Inhaber der Domain „xyz.de“
abgeben. Damit war der Erklärungsgegner hinreichend bestimmt. Unerheblich ist im Übrigen, ob ein Eigengeschäft des Beklagten vorliegt oder
nicht. Zutreffend hat der Kläger darauf verwiesen, dass bei Unterstellung des Vortrages des Beklagten zum Zustandekommen des Geschäfts der
Beklagte gemäß § 179 Abs. 1,1. Alternative, BGB zur Erfüllung des Rechtsgeschäfts in eigener Person verpflichtet wäre.
21 3) Der Antrag des Beklagten ist auch nicht durch dessen telefonische Widerrufs- bzw. Anfechtungserklärung gegenüber der Firma XY beseitigt
worden.
22 a) Der Widerruf ist nicht gemäß § 130 Abs. I Satz 2 BGB vor oder gleichzeitig mit Zugang der Kaufantragserklärung zugegangen. Die elektronisch
übermittelte Antragserklärung des Beklagten, die eine Willenserklärung unter Abwesenden darstellt (vgl. Bamberger - Roth, BGB, Bearbeiter
Eckert, R.6 zu § 147; Münchner Kommentar - Einsele, BGB, 4. Auflage, R.18 zu § 130) wurde in einem Datenspeicher des Providers
zwischengespeichert und sodann in Schriftzeichen angezeigt (dies ist jedenfalls üblich). Es ist davon auszugehen, dass diese graphitierte
Erklärung in sehr kurzer Zeit, jedenfalls vor dem Telefonat des Beklagten derart in den Machtbereich der als Empfangsvertreterin fungierenden
XY (hierauf kommt es an, vgl. MüKo a.a.O. R.27 m.w.N.) gelangt war, dass sie unter normalen Umständen von der XY abgerufen werden konnte.
Eine andere Abfolge legt der Parteivortrag nicht nahe.
23 b) Ein Widerrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 355 BGB stand dem Beklagten nicht zu. Denn er war nicht als Verbraucher im Sinne des
§ 13 BGB anzusehen. Er hat - insoweit zwischen den Parteien unstreitig - zu gewerblichen Zwecken gehandelt. Dies liegt im Übrigen auch in der
Natur des Kaufgegenstandes.
24 c) Der Antrag des Beklagten ist auch nicht durch Anfechtung gemäß §§ 119, 142 BGB vernichtet worden. Unschädlich ist zwar, dass die als
Anfechtungserklärung auszulegende Erklärung des Beklagten telefonisch gegenüber der Firma XY ausgesprochen wurde und nicht gegenüber
dem Kläger. Denn dieser bediente sich der Firma XY als Empfangsvertreter, so dass § 143 Abs. 1 BGB Genüge getan war (vgl. MüKo a.a.O.,
R.27). Es ist auch von der herrschenden Meinung anerkannt, dass ein fehlender Rechtsbindungswille trotz objektiv gegenteiligen
Erklärungsgehaltes zur Anfechtung berechtigen kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rdnr. 22 zu § 119 m.w.N.). Das Gericht erachtet es
jedoch nicht als nachgewiesen, dass der Beklagte sich bei Anklicken des Buttons „Domain verbindlich kaufen“ tatsächlich nicht bewusst war,
nunmehr eine rechtsverbindliche, auf Ankauf der Domain gerichtete, Willenserklärung abzugeben. Es mag sein, dass ihn sein Verhalten hernach
gereut hat. Auf Grund der Gestaltung der Fenster der Firma XY und des Erfahrungshintergrundes des Beklagten hält das Gericht aber das Fehlen
eines Erklärungsbewusstseins seitens des Beklagten nicht für hinreichend im Sinne des § 286 ZPO nachgewiesen. Selbst wenn man unterstellte,
dass Schritt 3 der von der Firma XY gestalteten Ankaufsprozedur zum Einkaufszeitpunkt so ausgestaltet gewesen sein sollte, wie vom Beklagten
zuletzt vorgetragen, ist davon auszugehen, dass der Beklagte als Geschäftsmann hinreichend „gewarnt“ war, dass er nunmehr eine
rechtsverbindliche Erklärung abzugeben im Begriff war. Dies wäre unter Umständen schon der Fall gewesen, wenn der Beklagte, wie er
zunächst vortragen ließ, lediglich die Schaltfläche auf Stufe 2 „Domain zu diesem Preis kaufen“ angeklickt hätte. Jedenfalls der Text betreffend
den Transaktions- und Treuhandservice in Verbindung mit dem Text der Schaltfläche „Domain verbindlich kaufen“ musste dem Beklagten, der
ersichtlich (das ergab auch das Gespräch in der mündlichen Verhandlung, wonach der Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, den
Inhaber der Domain im Internet zu ermitteln) kein „Anfänger-User“, der unbedacht „herumklickt“, war, sondern ein interneterfahrener
Geschäftsmann, hinlänglich die Tatsache ins Bewusstsein rufen, dass er eine verbindliche Erklärung abgeben würde, wenn er den fraglichen
Button betätigte. Es liegen jedenfalls erhebliche, die Überzeugung des § 286 ZPO ausschließende, Zweifel des Gerichts daran vor, dass ein
Irrtum des Beklagten über die Rechtsverbindlichkeit seines Handelns vorlag.
II.
25 Da sich der Beklagte in Verzug befand, schuldet er auch die geltend gemachte Freistellung des Klägers von dessen nicht anrechenbaren
Anwaltskosten. Ferner hatte der Kläger auch Anspruch auf die Feststellung, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.
III.
26 Die Entscheidung über die Nebenforderung folgt aus § 286 ff. BGB.
27 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
28 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.