Urteil des AG Mannheim vom 05.10.2007

AG Mannheim (kläger, mietvertrag, höhe, klausel, lagerung, gegenforderung, auslegung, aufrechnung, zpo, forderung)

AG Mannheim Urteil vom 5.10.2007, 10 C 119/07
Mietvertrag: Anwendung der Vorschriften über die Gewerberaummiete auf ein Mischmietverhältnis;
formularmäßiger Aufrechnungsausschluss zwischen Unternehmern; Auslegung eines Vertrages
hinsichtlich der Nutzung von vermieteten Stellplätzen zum Aufstellen von Containern
Leitsätze
Auf ein Mischmietverhältnis sind die Vorschriften der gewerblichen Raummiete anzuwenden, wenn der
überwiegende Flächenanteil der Mietsache gewerblich genutzt wird. Zwischen Unternehmern ist der
formularmäßige Ausschluss der Aufrechnung zulässig, wenn die Klausel hinter § 309 Nr. 3 BGB zurückbleibt. Auf
vermieteten Stellplätzen dürfen dauerhaft keine Container abgestellt werden; Anhaltspunkte für die Auslegung des
Mietvertrages gibt § 1 Abs. 1 ReichsGaragenVO.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.010,91 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 433,31
Euro seit 04.12.2006 und aus 1.577,60 seit 04.05.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die auf den von der Beklagten angemieteten Einstellplätzen vor dem Anwesen ... in
... abgestellten Container zu entfernen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu
vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, Container auf den von ihr angemieteten
Einstellplätzen vor dem Anwesen Am Exerzierplatz 23 in 68167 Mannheim aufzustellen oder aufstellen zu lassen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 Euro vorläufig vollstreckbar
Tatbestand
1
Der Kläger ist Vermieter, die Beklagte Mieterin von Räumlichkeiten im Anwesen ... in …. Nach einem mit
„Mietvertrag für Geschäftsräume“ überschriebenen Formularvertrag vom 18.03.2005 sind an die Beklagte
Lagerräume im Erdgeschoss sowie Büroräume im Obergeschoss und acht Einstellplätze zu einem monatlichen
Mietzins von 962,80 Euro inklusive Nebenkostenvorauszahlungen und Mehrwertsteuer vermietet. Weiter sind
an die Beklagte Räumlichkeiten im 2. Obergeschoss vermietet, die in dem Mietvertrag nicht erwähnt sind. Der
von der Beklagten für sämtliche Räumlichkeiten monatlich geschuldete Mietzins beträgt insgesamt 1.577,60
Euro.
2
In § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages vom 18.03.2005 ist folgende Klausel vereinbart:
3
„Der Mieter kann gegen eine Mietforderung des Vermieters nur aufrechnen, ein Zurückbehaltungsrecht bzw.
Leistungsverweigerungsrecht geltend machen oder die Miete mindern, wenn die Gegenforderung bzw. das
Gegenrecht unbestritten, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt ist.“
4
Das Klagerecht des Mieters zur Geltendmachung von Gegenansprüchen und Gegenrechten bleibt unberührt.“
5
Aus § 23 Ziffer 2 des Mietvertrages ergibt sich, dass die Nutzflächen nur ungefähr ermittelt wurden und bis
zum 01.06.2005 genau ermittelt werden sollten. Weiter ist geregelt, dass die Nutzflächen Grundlage für den
endgültigen Mietpreis sein sollen.
6
Im Monat Dezember 2006 erbrachte die Beklagte lediglich eine Mietzahlung in Höhe von 1.144,29 Euro und
behielt einen Rest von 433,31 Euro ein. Hierzu berief sie sich auf eine Gegenforderung aufgrund Beschaffung
von Baumaterial, die durch den Kläger in dieser Höhe bestritten wurde und wird.
7
Am 11.04.2007 ließ die Beklagte eine Nutzflächenermittlung durch ein Architektenbüro durchführen, welches
Abweichungen der tatsächlichen von den vertraglich festgelegten Nutzflächen ermittelte, die sich überwiegend
zu Lasten der Beklagten auswirkten. Mit Schreiben vom 17.04.2007 kündigte die Beklagte an, aufgrund der
abweichenden Nutzflächenberechnung in Zukunft nur noch eine monatliche Miete in Höhe von insgesamt
1.556,90 Euro zu zahlen und ein durch Überzahlungen aus der Vergangenheit und die Kosten der
Nutzflächenermittlung entstandenes behauptetes Guthaben in Höhe von 1.617,33 Euro mit künftigen
Mietzahlungen zu verrechnen. Für den Monat Mai 2007 erbrachte die Beklagte keine Mietzahlung. Die
Richtigkeit der durch die Beklagte vorgenommene Flächenermittlung wurde und wird durch den Kläger
bestritten.
8
Im März 2007 stellte die Beklagte zwei Container auf den von ihr gemieteten Einstellplätzen ab. Mit Schreiben
der Hausverwaltung vom 23.03.2007 und seines Prozessbevollmächtigten vom 03.04.2007 forderte der Kläger
die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung zur Entfernung der Container auf. Die Container befinden sich noch
immer auf den Einstellplätzen und sollen auch in Zukunft dort gelagert werden.
9
Der Kläger beantragt,
10
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.010,91 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
aus 433,31 Euro seit 04.12.2006 und aus 1.577,60 seit 04.05.2007 zu bezahlen,
11
2. die Beklagte zu verurteilen, die auf den von der Beklagten angemieteten Einstellplätzen vor dem
Anwesen ... in ... abgestellten Container zu entfernen,
12
3. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, Container auf den von ihr
angemieteten Einstellplätzen vor dem Anwesen ... in ... aufzustellen oder aufstellen zu lassen
13 Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15 Die Beklagte ist der Ansicht, das in § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages vereinbarte Aufrechnungsverbot sei wegen
§§ 309 Nr. 3, 310 BGB unwirksam. Ein nicht näher bezeichneter Teil der Räumlichkeiten sei für die
Wohnnutzung durch den Geschäftsführer der Beklagten vermietet. Auf den Mietvertrag sei jedenfalls insoweit
Wohnraummietrecht anzuwenden. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, das Aufstellen der Container sei
zulässig, da die Nutzung der Stellplätze nach dem Mietvertrag nicht auf das Einstellen von Kfz beschränkt sei.
Dem Kläger sei zudem bei Vertragsschluss bekannt gewesen, dass die Beklagte keine 7 Angestellte hat und
daher auch nicht 8 Stellplätze benötigt, sondern einen Teil der Stellplätze für die Lagerung von Containern
benutzen will.
Entscheidungsgründe
16 I. Die Klage ist zulässig und begründet.
17 1. Der Zahlungsanspruch steht dem Kläger aus § 535 Abs. 2 BGB zu.
18 a) Auf das Mietverhältnis sind die Vorschriften über die Gewerberaummiete anzuwenden. Zwar kommt das
Vorliegen eines sogenannten Mischmietverhältnisses in Betracht, soweit nach dem Vortrag der Beklagten auch
Räumlichkeiten zu Wohnzwecken vermietet sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten finden auch auf ein
solches Mischmietverhältnis hinsichtlich der verschiedenen Räumlichkeiten jedoch nicht die Vorschriften über
Wohnraummiete und Gewerbemiete je nach Nutzungszweck Anwendung, sondern das gesamte Mietverhältnis
ist einheitlich entweder als Mietverhältnis über Wohnraum oder über Gewerberaum zu beurteilen. Die
Entscheidung darüber, welche Vorschriften anzuwenden sind, hängt davon ab, welche Nutzungsart nach dem
Parteiwillen im Einzelfall überwiegt. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür können die auf die verschiedenen
Nutzungsarten entfallenden Flächen und deren Mietwerte sein, entscheidend ist jedoch der Vertragszweck
(BGH ZMR 1986, 278, 280).
19 Im vorliegenden Fall überwiegt der gewerbliche Nutzungszweck. Das ergibt sich daraus, dass auch unter
Berücksichtigung der zwischen den Parteien im einzelnen umstrittenen Flächenberechnung, auf die hier nicht
näher eingegangen werden muss, nach dem Mietvertrag der weit überwiegende Flächenanteil von der
Beklagten gewerbsmäßig genutzt wird und auch fast zwei Drittel des Mietzinses auf die gewerblich genutzten
Flächen entfallen. Soweit Räumlichkeiten zu Wohnzwecken genutzt werden, tritt dieser Nutzungszweck damit
jedenfalls hinter die gewerbliche Nutzung zurück.
20 b) Die Beklagte konnte gegenüber der Mietzinsforderung aufgrund des in § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages
vereinbarten Aufrechnungsverbotes nicht mit den von ihr behaupteten Forderungen aufrechnen.
21 aa) Bei der Klausel in § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung
im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Die Klauselverbote des § 309 BGB sind gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB im
vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, da die Beklagte Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB ist.
Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB finden jedoch die Klauselverbote des § 309 BGB mittelbar über die Vorschrift
des § 307 Abs. 2 BGB Anwendung.
22 bb) Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten im Hinblick auf die Regelung des § 309 Nr. 2 BGB
liegt nicht vor. Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern ist die formularmäßige Abbedingung der §§ 270,
320 BGB grundsätzlich zulässig, wenn der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts sich nicht auf
rechtskräftige oder unbestrittene Forderungen bezieht (BGHZ 92, 312, 316; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995,
850). Dies ist hier schon nach dem Wortlaut der Klausel nicht der Fall.
23 cc) Das Aufrechnungsverbot ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gemäß §§ 307 Abs. 2, 309 Nr.
3 BGB unwirksam. Eine schwerwiegende Verkürzung der Rechte der Beklagten wäre zwar dann anzunehmen,
wenn eine Aufrechnung mit Forderungen ausnahmslos ausgeschlossen wäre (BGHZ 91, 375, 383; 92, 312,
316) oder auch die Aufrechnung mit einer unstreitigen Forderung im Einzelfall von der Zustimmung des Klägers
abhängig wäre (BGH NJW 1994, 657, 658; NZM 2007, 684). Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall. Die
Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung ist nach dem Wortlaut der Klausel
zulässig. Die Regelung bleibt damit nicht hinter § 309 Nr. 3 BGB zurück. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier -
mit einer Gegenforderung aus demselben Vertragsverhältnis aufgerechnet wird. Eine Einschränkung des
Aufrechnungsverbots dahingehend, dass Forderung und Gegenforderung verschiedenen Vertragsverhältnissen
entspringen müssen, kann § 309 Nr. 3 BGB nicht entnommen werden (BGH NJW-RR 1989, 481).
24 b) Auf das Bestehen der von der Beklagten geltend gemachten Forderungen kommt es somit nicht an.
25 2. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.
26 3. Der Anspruch auf Beseitigung der aufgestellten Container und auf zukünftige Unterlassung der Aufstellung
von Containern ist aus § 541 BGB i. V. m. dem Mietvertrag vom 18.03.2005 begründet.
27 a) Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten werden die Container nicht nur kurzfristig oder vorübergehend,
beispielsweise für wenige Stunden oder tageweise, sondern durchgehend über mehrere Wochen hinweg auf den
Stellplätzen abgestellt, um Exponate der Beklagten zu lagern. Das nicht nur vorübergehende Aufstellen von
Containern zur Lagerung von Betriebsmitteln der Beklagten auf den angemieteten Stellplätzen stellt eine
vertragswidrige Nutzung der Stellplätze dar. Zwar ergibt sich aus dem Mietvertrag nicht unmittelbar, dass auf
den Stellplätzen ausschließlich Kfz abgestellt werden dürfen. Der Umfang der vertragsgemäßen Nutzung muss
mangels eindeutiger vertraglicher Regelung durch Auslegung ermittelt werden. Dabei ist an die
Zweckbestimmung anzuknüpfen. Anhaltspunkte für die Auslegung können der Reichsgaragenordnung
(Verordnung über Garagen und Einstellplätze vom 17.02.1939 i. d. F. des Erlasses vom 13.09.1944)
entnommen werden (Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 535 Rn 297).
28 aa) Gemäß § 1 Abs. 1 Reichsgaragenordnung sind Einstellplätze unbebaute oder mit Schutzdächern
versehene, weder dem ruhenden noch dem fließenden öffentlichen Verkehr dienende Flächen, die zum
Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind. Als ungeschützte abgegrenzte Fläche sind Einstellplätze
grundsätzlich nur für das Abstellen von Pkw geeignet (Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 535 Rn 298). Gemäß § 1
Ziffer 3 a) des Formularmietvertrages kann eine näher zu bezeichnende Zahl von „Garage/n, Einstellplätze/n,
Garten“ mitvermietet werden, vorliegend sind 8 Einstellplätze vermietet. Aus dem unmittelbaren
Regelungszusammenhang ergibt sich, dass die Vermietung von unüberdachten oder nicht abgeschlossenen
Einstellplätzen als Alternative zur Vermietung von Garagen als abgeschlossenen Räumen zu verstehen ist. Die
Verwendung der Bezeichnung Einstellplatz entspricht daher der Begriffsbestimmung in der
Reichsgaragenordnung. Dies spricht dafür, dass vom Vertragszweck nur die Nutzung zum Abstellen von
Kraftfahrzeugen umfasst sein sollte. Dafür, dass die Nutzung der Einstellplätze als weiterer Lagerraum unter
freiem Himmel vom Vertragszweck mitumfasst sein soll, fehlen demgegenüber jegliche Anhaltspunkte im
Mietvertrag. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Begriffsbestimmung in der Reichsgaragenordnung
auch nicht auf Wohngebäude beschränkt.
29 bb) Der Frage, ob - wie die Beklagte vorträgt - dem Kläger bei Vertragsschluss bekannt war, wie viele
Einstellplätze die Beklagte tatsächlich für ihre Angestellten benötigt oder dass die Beklagte einen Teil der
Stellplätze für die Lagerung von Containern nutzen will, brauchte nicht weiter nachgegangen werden. Denn
dass die Nutzung der Stellplätze zur Lagerung von Containern vom übereinstimmenden Willen beider Parteien
umfasst sollte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Einseitige Vorstellungen oder Äußerungen der
Beklagten sind demgegenüber unbeachtlich, sofern sie keinen Eingang in die konkrete Ausgestaltung des
Vertragsverhältnisses gefunden haben.
30 b) Der Kläger hat die Beklagte zweimal schriftlich aufgefordert, die vertragswidrige Nutzung zu unterlassen. Die
Beklagte hat die Container jedoch bis heute nicht beseitigt.
31 c) Von dem Unterlassungsanspruch ist auch der weiter geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung des
vertragswidrigen Zustands umfasst (Münchener Kommentar zum BGB, § 541 Rn 16; Palandt § 541 Rn 1).
32 d) Die Androhung der Ordnungsmittel hinsichtlich des Anspruchs auf künftige Unterlassung beruht auf § 890
Abs. 1, Abs. 2 ZPO.
33 II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.