Urteil des AG Mannheim vom 24.04.2009

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AG Mannheim Urteil vom 24.4.2009, 3 C 9/09
Private Krankenversicherung: Erstattungsfähigkeit der Kosten einer In-vitro Fertilisation
Leitsätze
1. Eine Einstandspflicht der Privaten Krankenversicherung für eine heterologe In-Vitro-Fertilization mit einer
Fremdsamenspende besteht nicht.
2. Zwar ist der organbedingte sterile Ehepartner als krank im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen,
aber die In-vitro Fertilisation ist keine Heilbehandlung, weil sie kein helfendes Eingreifen zur Überwindung der
Krankheit darstellt.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von
110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger macht mit seiner Klage Zahlungsansprüche aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag mit
der Beklagten geltend.
2
Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.08.2002 ein privater Krankenversicherungsvertrag in dem Tarif ...
unter Zugrundelegung der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 94).
3
Der Kläger ist derzeit kinderlos verheiratet, es besteht Kinderwunsch. Bei der Behandlung des Klägers wurde
festgestellt, daß eigene Samenzellen nicht nachgewiesen werden können.
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Der Kläger und seine Ehefrau streben eine heterologe In-vitro-Fertilization an, wobei Fremdsamen verwendet
werden soll. Für insgesamt drei Besuche am 03.02.2007, 03.04.2007 und 29.05.2007 im Zentrum für
Reproduktionsmedizin in Essen wurden Beträge in Höhe von jeweils 260,- EUR aufgewendet. Weitere 2000,-
EUR fielen infolge der prätherapeutischen Spenderabklärung am 06.02.2007 an.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, diese Beträge in Höhe von insgesamt 2.780,- EUR
zu zahlen.
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Da nach § 1 Abs. 2 der AVB die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen
geschuldet werde, sei die Beklagte zur Zahlung verpflichtet, da die hier vorgenommene In-vitro-Fertilization
geeignet sei, die organisch bedingte Unfruchtbarkeit des Mannes zu überwinden. Derartige Aufwendungen
seien als medizinisch notwendige Heilbehandlung von dem Krankheitskostenversicherer zu erstatten.
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Der Kläger beantragt daher,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.780,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2008 zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung durch den Kläger in
Höhe von 316,18 EUR an den Kläger zu zahlen.
10 Die Beklagte beantragt
11
Klageabweisung.
12 Sie ist der Auffassung, für eine Fremdsamenspende sei eine Einstandspflicht nicht gegeben. Eine homologe
In-vitro-Fertilization bei Verwendung einer eigenen Samenzelle und einer eigenen Eizelle des Paares, das den
Kinderwunsch verfolge, sei eine medizinische Heilbehandlung, jedoch nicht die hier gewählte Form der
heterologen In-vitro-Fertilization.
13 Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 26.03.2009. Auf das Sitzungsprotokoll wird hingewiesen.
14 Bezug wird genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
15 Die zulässige Klage ist nicht begründet, eine Einstandspflicht der Beklagten für die hier gewählte Form der
heterologen In-vitro-Fertilization durch Fremdsamenspende ist kein erstattungspflichtiger Versicherungsfall im
Sinne des § 1 Teil 1 Abs. 2 AVB.
16 Versicherungsfall ist danach die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen
Krankheit oder Unfallfolgen. Vorliegend ist der Kläger zwar krank im Sinne dieser Vorschrift, jedoch stellt nach
Auffassung des Gerichts die heterologe In-vitro-Fertilization durch eine Fremdsamenspende keine
Heilbehandlung im Sinne dieser Vorschrift dar.
17 Der organbedingt sterile Ehepartner, der wie hier keine eigenen Samen produzieren kann, ist als krank im Sinne
der Versicherungsbedingungen anzusehen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.12. 1986, NJW 87, 703 ff.).
18 Dabei ist nach Auffassung des Gerichts - ohne daß dies hier letztlich zu entscheiden gewesen wäre - eine
Unterscheidung nach Ehestand bzw. Partnerschaft ohne Trauschein wenig aussagekräftig; auch der sterile
Partner in einer Beziehung ohne Trauschein ist krank im Sinne der AVB, da auch diesem eine biologisch
notwendige Körperfunktion fehlt. Das biologisch zu definierende Krankheitsbild ist naturgemäß unabhängig vom
rechtlichen Ehe- und Güterstand.
19 Wenn es daher um die Heilbehandlung dieser Krankheit geht, kann es daher letztlich ebenfalls auf die Frage,
ob der Versicherungsnehmer verheiratet ist oder nicht, nicht ankommen (so auch LG Dortmund, Urteil vom
10.04.2008, NJW RR 2008, 1414 unter Verweis auf LG Berlin, Urteil vom 24.02.2004, R+S 2004, 203 ff.).
20 Die von Klägerseite gewählte Form der heterologen In-vitro-Fertilization durch eine Fremdsamenspende ist
jedoch keine Heilbehandlung im Sinne der AVB.
21 Als Heilbehandlung ist grundsätzlich jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit
verursacht worden ist. Dabei ist nach Auffassung des Gerichts im Kern unter einer Heilbehandlung ein
helfendes Eingreifen zu verstehen, in dem die eingeschränkte oder nicht vorhandene biologische
Körperfunktion umgangen und/oder ersetzt wird. Diese helfende und ersetzende Richtung der In-vitro-
Fertilization kann nach Auffassung des Gerichts jedoch nur dann bejaht werden, wenn das "biologische
Ergebnis" der Heilbehandlung dasselbe wäre wie bei einem gesunden Menschen, wenn also als Ergebnis der
Heilbehandlung ein Kind entsteht oder entstehen kann, das biologisch dem Kläger, dem Versicherungsnehmer,
zuzurechnen ist.
22 Auch hier verbietet es sich nach Auffassung des Gerichts, Biologie und Recht zu vermischen, so daß es keine
Rolle spielt, daß das in der Ehe durch Fremdsamenspenden geborene Kind rechtlich zunächst dem Kläger als
Vater zuzurechnen ist. Biologisch jedenfalls ist das Kind nicht als Kind des Klägers anzusehen, weshalb auch
letztlich der Kläger mit seiner Krankheit weder geheilt noch diese gelindert wurde.
23 In dieser konkreten Situation war daher eine Kostenerstattungsverpflichtung der Beklagten abzulehnen, die
Klage war abzuweisen.
24 Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.